piwik no script img

Plötzlich grausam

Abschiebe-Praxis

Ohne Ankündigung sind diesen Mittwoch in der Frühe 125 Menschen aus Niedersachsen abgeschoben worden, von denen viele jahrzehntelang in Deutschland gelebt hatten. Die AbschiebebeamtInnen holten die Familien und Einzelpersonen aus ihren Wohnungen und brachten sie zum Flughafen Hannover-Langenhagen. Von dort mussten die SerbInnen, KosovarInnen und AlbanerInnen mit einer Chartermaschine nach Pristina in den Kosovo fliegen.

Es ist die 31. Abschiebung in diesem Jahr, die von Niedersachsen aus per Charterflug in den Balkan ging. Kai Weber, der Sprecher des niedersächsischen Flüchtlingsrats, spricht in diesem Fall aber von einem besonders brutalen Fall: „Viele der Betroffenen haben jahrelang mit einer Duldung hier gelebt. Die Menschen wurden nicht aus provisorischen Unterkünften geholt, sondern aus unserer Mitte.“

Unter den Abgeschobenen seien auch Alte und sehr viele Kinder gewesen. Und, so sei ihm zugetragen worden, auch einige Roma – für sie ist die Situation im Kosovo besonders prekär. Weber kritisierte außerdem, dass die überrumpelten Menschen in der Kürze der Zeit keine Möglichkeit gehabt hätten, Rechtsmittel prüfen zu lassen, die in einigen Fällen vielleicht noch nicht ausgeschöpft seien, wie zum Beispiel Härtefallregelungen.

Noch im letzten Jahr hatte der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) eine Abkehr vom harten Kurs seines Vorgänger Uwe Schünemann (CDU) verkündet und unter anderem die plötzlichen Abschiebungen gestoppt. Im September 2015 nahm Pistorius die Änderung zurück. Damit setzte er auch die bundesweiten Asylrechtsverschärfungen um, nach denen Abschiebungen konsequenter und unangekündigt vollzogen werden sollen. Der Minister selbst bezeichnete das Vorgehen am Mittwoch im Landtag als „völlig normal“. In anderen Bundesländern habe man das schon viel öfter gemacht. KSCH

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen