: Eine haarige Angelegenheit
MODE Klöppeln, Häkeln, Haareknüpfen: Berliner Designer kombinieren alte Techniken mit ausgefallenen Materialien zu persönlichen Schmuckstücken
Sybille Paulsen hat ihr Atelier in der Bergmannstraße 68 in Kreuzberg, (www.sybille.me). Die geklöppelten Halsketten von InLace Juwelery findet man im Designstore Konk in der Kleinen Hamburger Straße 15. Der Showroom Labels Rita in Palma der Häkel-Couture befindet sich in den Stores & Showrooms Kienitzer Str. 101 in Neukölln. Schmuck von Baaj gibt es im Laden Pica Pica in der Schliemannstraße 26, Prenzlauer Berg. Ebenso im vom Etsy-Berlin-Street-Team organisierten Xmas Pop-Up-Shop in der Torstraße 161, der vom 2. bis 14. Dezember geöffnet hat.
Von Ulrike Schattenmann
Auf der Arbeitsplatte von Sybille Paulsens Atelier liegen säuberlich aufgereihte Haarsträhnen. „Daraus mache ich Armbänder“, sagt Sybille Paulsen und zeigt auf eine dunkelblonde und eine brünette Strähne, „und das soll eine Halskette werden“. Sybille Paulsen fertigt Schmuck aus Haaren. Das hört sich erst mal ungewöhnlich an.
Tatsächlich galt menschliches Haupthaar im Zeitalter der Romantik und des Biedermeiers als wertvolles Material für persönliche Schmuckstücke. Heute sind die komplizierten Flecht- und Klöppeltechniken, mit denen Perückenmacher und Näherinnen die feinen Strähnen zu kunstvollen Gebilden verwoben haben, nahezu ausgestorben.
Paulsen, die sich nach ihrem Architekturstudium als Designerin selbstständig machte, ist extra in die Schweiz gefahren, um von einer noch aktiven Haarkünstlerin das Handwerk zu erlernen. „Mein Schmuck ist so gemacht wie früher, aber vom Design modern“, sagt die 33-jährige Künstlerin. Die zierlichen Freundschaftsbänder und schmalen Ketten, in die sie buntes Garn, Metallfäden, Perlen oder Goldfassungen einarbeitet, sind absolut hipstertauglich und sehen wunderschön aus.
Die Idee, Haare zu Schmuck zu verarbeiten, entstand während eines Kunstprojekts, bei dem sich Paulsen mit Übergangsritualen und Veränderungsprozessen befasste. Sie dachte an Krebspatientinnen, die ihre Haare verlieren. „Ich wollte den Übergang des Körpers in etwas Wertvolles und Schönes verwandeln“, sagt sie. Auf der Brustkrebsstation im Urban-Klinikum fand sie ihre ersten Kundinnen. Bis heute kommen Chemopatientinnen zu ihr, die ihre Haare weiterhin tragen wollen – und sei es eingearbeitet in ein Schmuckstück.
Die meisten Kunden von Paulsen sind aber Menschen, die aus ihren eigenen Haaren und denen geliebter Menschen ein sehr persönliches Erinnerungs- oder Familienstück machen wollen. So wie die Mutter, deren Teenager-Tochter jetzt für ein Jahr ins Ausland geht. Beide haben sich je ein Armband gewünscht, in dem ihre Haarsträhnen miteinander verknüpft sind. Klar, dass bei dieser Art von Design eine Serienfertigung nicht funktioniert. Paulsens Schmuckstücke sind allesamt Unikate. 150 bis 200 Euro nimmt sie für ihre Freundschaftsbänder, an denen sie zwei bis drei Tage lang sitzt, je nachdem, wie viele Haarsträhnen sie verarbeitet.
Alte Techniken modern in Szene setzen, ist gerade en vogue. Die Designerin Stefanie Mittmann hat die Handwerkskunst des Klöppelns für sich entdeckt und fertigt unter ihrem Label Inlace Jewelry feine Textil-Schmuckstücke an: Sie verknüpft koralle, türkise oder zartrosa Garne zu halbmondförmigen Spitzenkreationen, die sie direkt an Gold- und Silberketten klöppelt. So ähnlich kennt man das schon von dem mehrfach ausgezeichneten Label Rita en Palma, bei dem türkische Frauen spinnwebfeine Accessoires häkeln. Die zarten Schleifen, Angora-Bommel oder Blüten schmücken als Anhänger Halsketten oder Ohrringe.
Weil immer mehr Menschen online einkaufen, rechnet die Post in den Tagen vor Heiligabend mit täglich bis zu 8 Millionen Paketen und Päckchen – das wäre ein neuer Rekord im Paketgeschäft. Vorsorglich sollen zusätzliche 10.000 Aushilfskräfte eingestellt werden. Gleichzeitig bereiten die mit dem Fest verbundenen Ausgaben nach einer Studie von RetailMeNot hierzulande jedem Dritten finanzielle Sorgen. Und laut einer Umfrage des Online-Marktplatzes DaWanda sagt inzwischen sogar mehr als jeder Dritte (38,5 Prozent) er könne ganz auf Weihnachten verzichten – vor allem auf das stressige Weihnachtsshoppen (22,4 Prozent). Das taz.thema Geschenke berichtet darüber, wie sich Weihnachten zumindest etwas nachhaltiger gestalten lässt: Spenden statt schenken. Geschenke selber basteln. Lokal statt online und nur fair gehandelte Waren einkaufen.
Auch der Schmuck von Anna Steinmann entsteht in Handarbeit in ihrem Atelier. Die 36-jährige Designerin hat schon mit Porzellan, Kautschuk oder Laminat experimentiert. Aus dem Schichtstoff für Küchenplatten hat sie Ovale ausgestanzt, in Silber gefasst und mit einer Kugelkette versehen. Den Grundstoff für Radiergummi hat sie zu einem kleinen Reifen geschnitten und mit einem Silberelement verschlossen.
Nach ihrer Berufsausbildung zur Goldschmiedin zog die Allgäuerin nach Berlin, um dort Produktdesign zu studieren. „Doch dann wollte ich lieber mit den Händen arbeiten als vor dem Bildschirm Sachen entwerfen“, sagt Steinmann. Aus dem Studium mitgenommen hat sie das Spiel mit Alltagsgegenständen und eine klare, fast minimalistische Formensprache. Vor drei Jahren hat sie sich mit ihrem Schmucklabel namens Baaj selbstständig gemacht.
Ihre aktuelle Linie besteht aus filigranen Stücken. Millimeterdünnen Golddraht hat sie zu tropfenförmigen Ohrsteckern geformt. Hauchdünne Silberfolie nach Origami-Art zu einem winzigen Anhänger gefaltet – nur eben nicht mit der Hand, sondern mit der Zange. Fein und filigran sieht das aus. Kein Schmuck, der nach Aufmerksamkeit schreit, sondern subtil ist. Dabei sind alle Stücke erschwinglich, zwischen 20 und 120 Euro beträgt die Preisspanne für die Ohrstecker, Ringe und Anhänger – ideal für ein Weihnachtsgeschenk.
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