Streit im Berliner Senat: CDU-General schwingt Stasi-Keule
Senatskanzlei soll Auftritt von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) bespitzelt haben. Senatssprecherin weist das zurück.
Das Klima in der Koalition ist offenbar auf dem Gefrierpunkt angekommen. Diesmal sind es die Konservativen, die in Richtung SPD austeilen. CDU-Generalsekretär Kai Wegner hat dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Sonntag „Stasimethoden“ vorgeworfen. Wegner bezieht sich damit auf einen Bericht der Berliner Morgenpost, wonach ein Mitarbeiter der Senatskanzlei Sozialsenator Mario Czaja (CDU) bei einer Podiumsdiskussion bespitzelt haben soll. Senatssprecherin Daniela Augenstein wies das am Sonntag gegenüber der taz mit Nachdruck zurück.
Der Hintergrund: Czaja war am Mittwoch in Wilmersdorf bei einem Leserforum der Morgenpost zu Gast, Thema: Flüchtlinge und Integration. Im Publikum habe ein Mitarbeiter des Senatspresseamts gesessen und Czajas Auftritt protokolliert, schreibt das Blatt. Auf fünf DIN-A4-Seiten seien nicht nur die Äußerungen des Sozialsenators protokolliert worden, sondern auch welche Kleidung Czaja trug: „dunkelblauer Anzug, gedeckter Schlips, weißes Hemd“. Das sei ein „unfassbarer Vorgang“, so Wegner am Sonntag zur taz. Der Regierende Bürgermeister Müller müsse sich erklären.
„Keine Bespitzelung“
Müllers Sprecherin Augenstein bestätigte der taz, dass ein Mitarbeiter des Presseamts bei der Bürgerversammlung war. Geschehen sei das auf ihre persönliche Bitte hin, so Augenstein, sie selbst habe keine Zeit gehabt. Es sei ihr darum gegangen, einen Eindruck von der Stimmung der Wilmersdorfer Bürger in Bezug auf die Flüchtlinge zu bekommen. Etwa, was deren Unterbringung in Turnhallen betreffe. „Es ging nicht um Bespitzelung.“ Sollte dieser Eindruck entstanden sein, bedauere sie das sehr, so Augenstein.
Derweil hat die CDU auf einer Klausurtagung am Wochenende ein sechsseitiges Positionspapier zur Flüchtlingspolitik verabschiedet. Dem Regierenden Bürgermeister wird darin vorgeworfen, „sich viel zu lange vor der notwendigen Verantwortung geduckt“ zu haben. Alle freien Hallen in der Stadt „vollzumachen“ sei „keine ausreichende Antwort“, heißt es in der Erklärung des Landesvorstands. Michael Müller befasse sich ausschließlich mit Fragen der Erstunterbringung. Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Berlin kommen, müsse deutlich verringert werden, auch „um weiterhin gesellschaftliche Akzeptanz zu finden und die Integrationsfähigkeit langfristig zu sichern“.
Im Vorfeld der Klausurtagung war aus den Reihen der CDU vereinzelte Kritik am designierten CDU-Spitzenkandidaten Frank Henkel laut geworden. Henkel, der Innensenator und Landesvorsitzender ist, hatte bei Müllers Regierungserklärung zur Flüchtlingspolitik gefehlt. Bei dieser Gelegenheit hatte Müller mit der CDU abgerechnet. Auch bei der folgenden Senatssitzung und in der CDU-Fraktionssitzung war der Innensenator nicht zugegen. Auf der Klausurtagung wurde Henkel dem Vernehmen nach aber nicht infrage gestellt. „Ein, zwei“ Fraktionsmitglieder hätten „Diskussionsbedarf“ gehabt, so Wegner. „Selbstverständlich“ werde man mit Henkel als Spitzenkandidaten in den Wahlkampf ziehen.
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