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Staudamm-Bau in KolumbienVertrieben mit deutscher Hilfe

Aktivisten machen Deutschland mitverantwortlich für Vergehen beim Bau eines Staudamms in Santander. Das Wirtschaftsministerium prüft.

Staudamm von oben: Tausende Menschen mussten dafür gehen. Foto: imago/ZUMA Press

Berlin taz | Seit einem knappen Jahr produziert das Wasserkraftwerk Hidrosogamoso im nordkolumbianischen Bezirk Santander Strom. Auch deutsche Firmen haben sich an dem Megaprojekt beteiligt: Siemens, die Allianz, Munich Re und die deutsche Niederlassung des österreichischen Anlagenbauers Andritz. Doch AktivistInnen kritisieren, dass es seit Beginn der Bauarbeiten 2009 zu Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden gekommen sei.

Juan Pablo Soler von der kolumbianischen Umweltbewegung Ríos Vivos ist deshalb nach Deutschland gekommen, denn er sieht eine Mitverantwortung bei der Bundesregierung. Sie hat für die Auslandsinvestitionen der deutschen Firmen sogenannte Hermes-Deckungen übernommen. Gegen eine Pauschale versichert die Regierung dabei, die eingesetzten Firmengelder zu erstatten, falls Zahlungen ausbleiben. So will sie risikoreiche Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland fördern. Der Versicherer Euler Hermes verwaltet einen Großteil der Bürgschaften.

Bei der Vergabe prüft der Versicherer auch Umwelt- und Sozialstandards. Im Fall Hidrosogamoso kommt Euler Hermes insgesamt zu einem unbedenklichen Ergebnis.

Dennoch kann Aktivist Soler nicht verstehen, warum die Bundesregierung die Bürgschaft übernommen hat. „Viele Menschen haben durch Umsiedlungen ihre Einkommensquellen verloren, einige wurden immer noch nicht entschädigt“, sagte er. „Der Betreiber des Kraftwerks erkennt insgesamt 16.000 Betroffene an, doch es geht wahrscheinlich um doppelt so viele Menschen.“ Infolge der Flutung sei es zu starken Geruchsbelastungen gekommen, weil die Firma Bäume und Sträucher nicht entfernt hatte und diese verwest waren. Menschen wären davon schwer erkrankt.

Zudem sind sechs AktivistInnen ermordet worden, eine weitere Person ist spurlos verschwunden. „Einen eindeutigen Zusammenhang können wir nicht nachweisen, aber für uns liegt die Verbindung zum Staudamm auf der Hand“, sagte Soler.

Vorwürfe werden geprüft

Zusammen mit dem Hilfswerk Misereor und der Initiative „Gegenströmung“ fordert er, dass die Bundesregierung sich für eine angemessene Entschädigung und die Einhaltung der Umweltstandards einsetzt. Dafür hat er Vertretern des Wirtschaftsministeriums Dokumente übergeben, die die Menschenrechtsverletzungen um den Staudamm belegen sollen.

Zwar läuft aufgrund der Bedenken seit einem Jahr ein Monitoringverfahren, bei dem die Sozial- und Umweltstandards genau beobachtet werden sollen. Bisher wurden aber laut Wirtschaftsministerium keine Verstöße festgestellt. „Die Bundesregierung sichert grundsätzlich keine Geschäfte ab, die nach der Umwelt- und Sozialprüfung schwerwiegende negative Konsequenzen erwarten lassen“, hieß es weiter. Bei der Prüfung habe ein Mitarbeiter vor Ort mit allen Beteiligten Gespräche geführt. Die Vorwürfe würden weiter geprüft.

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2 Kommentare

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  • angemessene Endschädigung, es dreht sich eben alles nur ums Geld,

  • 2G
    21272 (Profil gelöscht)

    Die Pruefung der Umwelt- und Sozialstandards kann ja nicht so weit gehen, dass der auslaendische Zulieferer prueft, ob auch der letzte Strassenverkaeufer noch einen angemessenen Ersatzplatz zugewiesen bekommt. Das ist nun wirklich allein Sache der oertlichen Behoerden.