: Wie Afrika wirklich ist
Gut Gemeint Um Afrika-Stereotypen bei Kindern zu begegnen, zeigt die Uni Hildesheim afrikanische Kinderbücher – leider wenig zugänglich
Krankheiten, Kriege und Korruption – das ist das Bild von Afrika, das deutsche RealschülerInnen überwiegend haben, zumindest wenn man der Studie folgt, die das Institut für Sozialwissenschaften der Universität Hildesheim durchgeführt hat. 208 SchülerInnen und acht LehrerInnen wurden zu ihren Lesebiographien sowie ihren Vorstellungen über den Kontinent Afrika befragt.
Die nigerianische Autorin Chimamanda Ngozie Adichie sagte 2009 in ihrer viel beachteten Rede „The Danger of a Single Story“, dass es niemals nur eine Perspektive auf ein Land, eine Kultur, einen Menschen gebe: „Das Problem von verallgemeinernden Urteilen ist nicht, dass sie unwahr sind, sondern, dass sie unvollständig sind.“
Da bisher noch kein offizielles Ergebnis oder die Methoden der Studie öffentlich zugänglich sind, ist fraglich, wie aussagekräftig die Fragestellungen waren. Schon allein nach Afrika als Kontinent und nicht etwa nach einzelnen Ländern, Regionen oder Themen zu fragen, lässt kein differenziertes Ergebnis erwarten. In einem sind sich die Macher jedoch sicher: Das Bild, das deutsche Kinder von Afrika haben, ist nach wie vor eindimensional und negativ. So schreibt eine befragte Schülerin: „Diese Menschen, die an Krankheiten sterben und die haben halt nicht so viel Geld und nicht so viel Essen wie wir. Und da sind sie halt alle schwarz.“
Jahrzehnte nach Ende der Kolonialgeschichte werden noch immer exotisierende, zumindest aber auf wenige Schlüsseleigenschaften reduzierende Bilder von afrikanischen Kulturen gezeichnet, in den Medien, in Schulen oder Elternhäusern. Die Sozialwissenschaftler wollen zeigen, dass Geschichte und Gegenwart des afrikanischen Kontinents vielfältiger sind.
Dazu veranstalten sie eine Kinderbuchausstellung im Schulmuseum am Kulturcampus. Zu sehen gibt es dort in Deutschland erhältliche Kinder- und Jugendbücher wie „How the Leopard got his Claws“ (Candlewick) von Chinua Achebe oder „Masquerade Time“ (Heinemann) von Cyprian Ekwensi, beide aus Nigeria, aber auch von in Europa weitgehend unbekannten Schriftstellern wie dem Südafrikaner Mbu Maloni. In seinem Buch „Niemand wird mich töten“ (Peter Hammer Verlag) beschreibt dieser seine eigene Kindheit als Waise in einem Township. Andere ausgestellte Bücher handeln vom Naturschutz oder von Höflichkeit, wieder andere orientieren sich an überlieferten Mythen.
Zu sehen sind zudem Werke des tansanischen Künstlers John Kilaka, der im November Kunstworkshops an niedersächsischen Schulen und Kindergärten anbietet. Seine Fabelbücher „Gute Freunde“, „Frische Fische“ und „Der wunderbare Baum“ wurden ebenfalls ins Deutsche übersetzt. Die nicht besonders liebevoll gestaltete Ausstellung ist für Kinder allerdings nicht interessant: Leider werden die meisten Bücher der überschaubaren Ausstellung in Vitrinen gezeigt, man kann sie also nicht anlesen oder durchblättern.
Vielversprechender ist die begleitende Ringvorlesung. Schon der Vortrag der Afrikawissenschaftlerin Kirsten Rüther von der Universität Wien, mit dem die Reihe am 5.11. begann, eröffnete einen differenzierten Blick auf einige individuelle Biographien – und zwar nicht von Präsidenten oder Königen, als vielmehr von einfachen, wenn auch oft gut ausgebildeten BürgerInnen. Anhand von sieben völlig unterschiedlichen Lebensläufen – ebenso historische wie gegenwärtige – entwarf Rüther ein feines Narrativ, das verdeutlichte, wie stark afrikanische Geschichte(n) global verwoben ist. KORNELIUS FRIZ
Ausstellung: Di 10 bis 12 Uhr, Mi 15 bis 17 Uhr, Termine und Führungen auf Anfrage
„Afrikabilder in Theorie und Praxis“: bis 4. Februar 2016 donnerstags, 16.15 Uhr, Domäne Marienburg beim Schulmuseum Hildesheim
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