Subventionen gegen Umweltschutz: Hendricks will Bauern verpflichten
Die Umweltministerin will Agrarsubventionen nur noch gegen Naturschutzmaßnahmen zahlen. Umweltverbände begrüßen das Programm.
BERLIN taz | Sie hört sich kämpferisch an: Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) mit ihrer „Naturschutz-Offensive 2020“. 311 Milliarden Euro erhielten die Landwirte in Europa zwischen 2014 und 2020 von der EU, „aus Steuermitteln, dafür, dass sie Landwirtschaft betreiben“ – 40 Prozent des gesamten EU-Haushalts. „Keine andere Branche erhält eine solche Unterstützung.“ Sie wolle diese „Privilegierung“ nicht mehr.
Stattdessen sollen Landwirte ab der nächsten EU-Finanzperiode ab 2021 nur noch subventioniert werden, wenn sie „konkrete Leistungen im Naturschutz“ bringen. So solle der „Schutz von Natur und Landschaft wieder nach vorne“ kommen, sagte Hendricks.
2007 hatte die damalige schwarz-rote Koalition bereits eine „Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt“ verabschiedet. Doch eine Bestandsaufnahme zeigte nun, dass von vielem, was 2020 erreicht sein soll, Deutschland noch weit weg ist. Für den Bau von Fabriken, Häusern, Straßen wird weiter zu viel Natur zerstört. 30 Hektar pro Tag sollen es im Jahr 2020 höchstens sein, derzeit sind es aber noch 74 – also etwa die Größe von 100 Fußballfeldern.
Streuobstwiesen, Hecken, Feldraine oder extensiv genutztes Grünland, wo sich besonders viele und auch seltene Arten heimisch fühlen, sollen in diesem Jahr eigentlich schon 19 Prozent aller Landwirtschaftsflächen ausmachen. Nur, es werden weniger statt mehr: Heute sind es knapp 12 Prozent, 2009 waren es gut 13.
Auf dem Acker gebe es „die größten Defizite“, meinte Hendricks. Aber es müssten auch Nord- und Ostsee vor Überfischung geschützt, Flüssen mehr Raum gegeben, Wälder naturnah bewirtschaftet und es müsste in Städten mehr Grün gepflanzt werden. Vor allem will sie „drängen“, „sich einsetzen“, „auffordern“ oder „unterstützen“. Das Problem: Sie macht keine neuen finanziellen Zusagen, oft ist sie als Umweltministerin auch nicht selbst zuständig.
Hendricks kann nur Spielräume nutzen, die ihr andere lassen. Die Länder oder der Verkehrsminister. Oder die EU und der Bundeslandwirtschaftsminister etwa in der Agrarpolitik.
Die großen deutschen Umweltverbände – wie der Bund, die Deutsche Umwelthilfe, der Nabu und der WWF – urteilten am Mittwoch in einer gemeinsamen Stellungnahme denn auch so: Hendricks stoße zum Beispiel bei den Agrarzahlungen „eine längst überfällige Diskussion“ an, ihre Initiative sei ein „dringend notwendiges Zeichen“. Von der Realisierung ist der Plan jedoch noch weit entfernt.
Leser*innenkommentare
Joachim1960
Stopp der Subventionierung der Tierindustrie. Warum noch Futtermittelanbau subventionieren wenn Menschen reine Pflanzenesser sind?
Anfangen kann Hendricks in D: Gleichstellung veganer Produkte mit tierischen Produkten bei der MwSt. Besser noch wäre eine Umkehrung des jetzigen Standes!
Kai Merkens
Die und ihr Naturschutz. Die sollten sich mal klar machen, wie sehr sie die Bauern durch ihren überzogenen Naturschutz belasten. Äcker werden zu Naturschutzgebieten erklärt und sind somit nicht mehr landwirtschaftlich zu nutzen, Flächenpreise steigen durch Investoren und überzogenen Naturschutz ins unermäßliche. Zurück zum Moor kostet Landwirte allein in Niedersachen Millionen Euros und die unsinnige Bewirtungspolitik der EU unnötig Arbeitszeit.
Harmakhis
Die Autoindustrie, die chemische Industrie, die Bauindustrie - sie alle unterliegen Regeln, damit ihr Streben nach finanziellem Profit möglichst keinen langfristigen Schaden anrichtet, den dann zukünftige Generationen von Steuerzahlern ausgleichen dürfen. Mir ist nicht ersichtlich, weshalb dies nicht auch für die Agrarindustrie gelten soll.
Die Art und Weise wie mit der "guten fachlichen Praxis" in der Landwirtschaft gewirtschaftet wird, ist einer der größten Verursachen für Artensterben, Gewässerverseuchung, Klimawandel und Lebensraumverluste - alle wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen, dass bis auf Ausnahmen wie Seeadler & Co. keine Besserung in Sicht ist.
Eine sehr kleine Bevölkerungsgruppe lässt sich über die Hälfte ihres Einkommens vom Steuerzahler durch Subventionen aufbessern und als Dank zerstört sie unser aller Zukunft. Mein Mitleid für die Bauern hält sich also eher in Grenzen.
Wenn die Landwirtschaft nicht wie die sprichwörtliche Axt im Walde die Lebensgrundlagen der deutschen Bevölkerung zerstören würde, dann wären auch weniger Regeln notwendig. So müssen wir uns aber vor dem Profitstreben des Bauernverbandes schützen.
Wenn der Naturhaushalt auch in ein paar Jahrzehnten uns noch ernähren können soll, sowie sauberes Wasser, gesunde Luft, genetische Ressourcen, Quellen für Arzneimittel, nachwachsende Rohstoffe, Schädlingskontrolle u.v.m. auch in Zukunft gewünschte "Naturdienstleistungen" sind, dann muss sich die Art der Landbewirtschaftung radikal ändern. Vom Klimawandel ganz zu schweigen.
Moorschutzprogramme u.ä. sind also kein rausgeschmissenes Geld, sondern dringend notwendig.
Der Skandal ist eigentlich, dass die Landwirte Geld dafür bekommen sollen, dass sie nichts kaputt machen. Ich kriege kein Geld vom Staat, wenn ich mich an die Geschwindigkeitsbegrenzung halte, niemanden ausraube und meine Frau nicht schlage. Die Bauern kriegen aber Geld für Selbstverständlichkeiten...