: Wie die CDU Schulfrieden macht
Abendschule Gegen den dringlichen Rat aller fachlichen Gremien hat Bremerhavens CDU-Fraktionschef einen Parteifreund als Schulleiter auf Lebenszeit durchgesetzt
Von KLAUS WOLSCHNER
Wenn ein Schulleiter nach zweijähriger Amtszeit auf Probe endgültig in seiner Funktion bestätigt werden soll, dann haben Schüler und Lehrer das Recht auf eine Stellungnahme. Das ist auch in Bremerhaven geltendes Schulrecht, und im Falle des Schulleiters Axel Rahn von der Abendschule haben beide Gremien davon vor den Sommerferien Gebrauch gemacht. Das Ergebnis war eindeutig: Unter den Lehrern war eine Stimme für Rahn als Schulleiter, bei den Schülern auch eine – die überwältigende Mehrheit in beiden Gremien war dagegen.
Auch der Personalausschuss war gegen Rahn, ebenso wie der Oberbürgermeister. Nach den Ferien nun stellten Schüler und Lehrer überrascht fest, dass Rahn dennoch zum Schulleiter auf Lebenszeit ernannt worden war. Für die Lehrer gab es eine verpflichtende Einladung zum „Coaching“.
Was hatten die Lehrer gegen ihren Chef auf Probe? „Der Schulleiter hält sich hauptsächlich in seinem Dienstzimmer auf, daher sind ihm viele alltägliche Abläufe in seiner Schule unbekannt“, heißt es gleich einleitend in ihrer Stellungnahme. Die Türklinke außen ist durch einen Knauf ersetzt – Rahn leitet seine Schule weitgehend über E-Mails. Und: „Sehr viele dieser Schüler wissen nicht, wie ihr Schulleiter aussieht.“
Unter dem Stichwort „Sozialkompetenz“ sehen die Lehrer „unübersehbare Defizite“: So lasse „Herr Rahn ein angemessenes Maß an Respekt seinen Lehrkräften gegenüber vermissen“, er äußere sich „abwertend über nicht anwesende Kolleginnen“. Klar: „Dem Kollegium fehlt mehrheitlich jegliches Vertrauen in den Schulleiter.“ Hoffnungslos: Die Gremienarbeit war schon Anfang Januar 2015 schlicht „ausgesetzt“ worden.
Die Schülervertreter, so steht es in ihrer Stellungnahme, nehmen das Verhalten des Schulleiters Rahn als „despotisch“ wahr. Sie hatten mitbekommen, wie er „öffentlich Lehrer in einfacher Sprache beleidigt“. Zudem beklagen sie die „chaotische Klausurenplanung“ und stellen bei der Stundenplanerstellung eine „offensichtliche Überforderung“ fest. Auf der Homepage der Schule wurde das „Gästetagebuch“ abgeschafft. Meinungsäußerungen dort sind offenbar unerwünscht. Fazit der Schülervertreterinnen und -vertreter: Die aktuelle Schulleitung ist „persönlich und fachlich nicht geeignet.“
Aus der Stellungnahme des Kollegiums der Abendschule über deren Leiter Axel Rahn (CDU)
Dennoch beschloss der Magistrat von Bremerhaven am 5. August – der zuständige parteilose Schuldezernent Michael Frost war gerade in Urlaub – die endgültige Einsetzung Rahns als Schulleiter mit einem Gehalt nach A 16, gegen das fachliche Votum des Oberbürgermeisters.
Angeblich sollen zwei SPD-Magistratsmitglieder bei der Abstimmung nicht dabei gewesen sein. So ergab sich eine klare CDU-Mehrheit. Magistratsentscheidungen sind vertraulich, genauso wie Personal-Angelegenheiten. Eine offizielle Stellungnahme gibt es daher nicht. Aber Bremerhaven ist klein, und jeder weiß, dass der CDU-Fraktionsvorsitzende Thorsten Raschen Vorsitzender des CDU-Stadtbezirksverbands Lehe ist, dem auch Rahn angehört. Parteifreunde sozusagen. Im Paket mit der Personalie Rahn beschloss der Magistrat die Personalie der vakanten Kulturamtsleitung.
Verwunderlich ist an dem Vorgang, dass die SPD in Bremerhaven diese ruinöse Politik gegenüber der Abendschule – eigentlich ein bildungspolitisches Kind der SPD – hinnimmt. Die Schüler machen sich Sorgen um die Schule, der monatelange Streit zehrt an den Nerven. Nur einer scheint unberührt: Chef Rahn. Und so mehren sich die Weg-Bewerbungen und die Krankschreibungen an der Abendschule. Das „Coaching“ kostet Zeit und Geld – aber was das Ziel dieser „Lehrerfortbildung“ ist, wurde nirgends gesagt. Die Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer sieht in der Maßnahme keinen Sinn.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen