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Kommentar Aufklärung bei VWVom Umdenken weit entfernt

Kommentar von Svenja Bergt

Eine Kultur der Kritik ist bei Konzernen wie VW immer noch verpönt. Wer Missstände aufdeckt, muss mit der Kündigung rechnen.

Der Eindruck trügt: Transparenz ist bei VW eher Mangelware Foto: AP

E s scheint bei hiesigen Unternehmen beliebt zu sein, erst dann etwas zu tun, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Bei Siemens und dem Fahrzeughersteller MAN war es so, und auch bei VW kommen sie nun auf die Idee, von arbeitsrechtlichen Konsequenzen abzusehen, wenn Mitarbeiter unterhalb der obersten Führungsebene zur Aufklärung des Abgasbetrugs beitragen. Und sich dabei womöglich selbst belasten.

Ist da schon mal jemand auf die Idee gekommen, dass es hilfreich wäre, wenn Beschäftige sich zu Wort melden, bevor es nur noch darum geht, wie lange und kompliziert die Aufklärung eines Falls wird? Bevor man zu zweifelhaften Kronzeugenregelungen greifen muss? Wer, wenn nicht die eigenen Mitarbeiter haben Einblick in das, was in einem Konzern, in der eigenen Abteilung schiefläuft? In merkwürdige Geldflüsse, ausufernde Datensammeleien oder lasche Sicherheitsvorschriften. Leider ist in der Praxis hierzulande das Gegenteil der Fall: Wer zu kritisch ist, fliegt.

Dazu passt, dass die Amnestie-Idee von VW wohl vor allem eine Konsequenz aus den Ermittlungen in den USA ist. Denn jenseits des Atlantiks ist man in Sachen unternehmensinterne Kritikkultur deutlich weiter. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die Selbstreinigungskräfte von Unternehmen. Dass Konzerne mit der deutschen auf die „nichts hören,nichts sehen,nichts sagen“-Kultur geeichten Mitarbeitern damit ein Problem haben, kommt nicht gut an. Der Amnestie-Vorschlag ist also eher letzte Rettung als ein tatsächliches Umdenken.

Genau das braucht es aber. Und zwar nicht nur bei VW. Sondern auch bei allen anderen Unternehmen, in denen es lieber gesehen ist, das Mitarbeiter schweigen, als unbequem zu werden. Von Atomkonzernen über Banken bis hin zu Behörden.

Wenn der VW-Skandal es schafft, dass Manager, Beamte und Politiker hier umdenken, dann hätte der Betrug zumindest einen positiven Effekt gehabt.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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1 Kommentar

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  • Mal nachdenken, wie viele Milliarden hätte ein Whistleblower dem Konzern erspart? Einfach nur weil er Verbotenes öffentlicht gemacht hätte