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Anne Haeming Der Wochenendkrimi Das große Schweigen im Walde

Ein bisschen irre, ein bisschen loco: Klaus Kinski Foto: rbb/Degeto

Wer jetzt keinen Fernseher mit 100 Zentimeter Bilddiagonale hat oder gar vor dem Laptop sitzt, wird es lange reuen. Zumindest für die anderthalb Stunden, in denen „Leichen pflastern seinen Weg“ läuft.

Cowboys, die endlos durch tiefen Schnee in tiefen Wäldern reiten, auf Pferden, die bis zu den Oberschenkeln im Weiß versinken. Dazwischen abgehackte Ohren, Blutgespratze, und Ennio Morricone legt einen Soundteppich darüber, dass man schon fast in Vorweihnachtsstimmung gerät. Kurz: Sergio Corbuccis Italowesternkrimi von 1968 sollte man am besten auf Kinoleinwand anschauen.

Aber da das nur selten klappen dürfte, mei, dann taucht man halt daheim im Wohnzimmer ein in die unfassbar feuchtklamme Westernwelt von 1896 im Kaff „Snowfall“ in Utah.

Die Story ist relativ schlicht: Kopfgeldjäger Loco ballert Klein­gangster kurzerhand immer ab, statt sie lebendig abzuliefern. Weil dieses Gemetzel einigen auf den Zeiger geht, kommt ein neuer Sheriff in den Ort, und außerdem einer, der Loco selbst den Garaus machen will.

Und eben wegen Loco und dessen Gegner muss man sich diesen Film anschauen. Sollte die Bildsprache und Morricone als Argumente nicht reichen: Klaus Kinskis zerklüftete Visage eignet sich perfekt, um als Kopfgeldjäger Loco abschätzig zu grinsen und den nächsten umzunieten, der nicht kapiert hat, dass es eine Falle ist. Und ihm als Gegner auf der Spur ist ausgerechnet der zarte Jean-Louis Trintignant, noch dazu als ein Held, der nicht spricht.

Übrigens: Nur der deutsche Titel „Leichen pflastern seinen Weg“ macht Kinskis Figur zum Helden und klingt nach Splatter. Das Original „Il Grande Silenzio“ hat da einen würdigeren Wumms. Würde heute aber von einem deutschen Schauspieler missverstanden: „Der große Schweiger“. Ach nee, lass mal.

„Leichen pflastern seinen Weg“; So., 23 Uhr, RBB

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