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„Der Schocker schlechthin“

KULTFILM Nach Jahren zeigt das City 46 mal wieder Peter Zadeks Film „Ich bin ein Elefant, Madame“

Ernst Steinhoff

76, ist pensionierter Lehrer, Dozent für Jazz-Geschichte und im Beirat des Kinos City 46. Er wird in den Film einführen.

taz: Herr Steinhoff, was verbindet Sie mit Peter Zadeks Film „Ich bin ein Elefant, Madame“?

Ernst Steinhoff: Als der Film 1968 in Bremen gedreht wurde, wohnte der Kamera-Assistent bei mir. Zadek suchte noch eine Lehrerwohnung als Kulisse. Weil er fand, dass es bei mir zu modern eingerichtet war, ließ er Gardinen und Kronleuchter von Karstadt holen. Aus den acht Stunden des Drehs in meiner Wohnung wurden eine knappe Filmminute. Ich war auch Statist in dem Film.

Wieso wird die heutige Vorführung vom Schulmuseum mitveranstaltet?

Gedreht wurde hauptsächlich am Alten Gymnasium. Der Film basiert darauf, dass es damals in den bremischen Schulen anfing, zu rumoren. Die Schüler stellten das Autoritätsprinzip in Frage, auch das Alte Gymnasium war dafür bekannt, dass es immer wieder Proteste gab.

wie die Bremer Straßenbahnunruhen von 1968?

Ja. Die Schüler protestierten gegen die Preiserhöhung der Bremer Straßenbahn AG. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Knüppel ein. Zadek hat das im Film benutzt, man sieht kurz, wie sich Schüler auf die Schienen setzen. Aber hauptsächlich basiert der Film auf dem Roman „Die Unberatenen“ von Thomas Valentin, in dem er seine Erfahrungen als Lehrer verarbeitete.

Wovon handelt die Geschichte?

Es geht um eine Abi­turklasse, die mit ihren Lehrern Probleme hat. Die Hauptfigur ist ein anarchistischer Politikclown. Er passt sich nicht an, auch nicht seinen links-politischen Mitschülern. Der Höhepunkt ist eine Szene, für die Zadek eine Plane mit einem Hakenkreuz an die Bürgerschaft gehängt hat – typisch Zadek, der große Provokateur. Die Passanten auf dem Marktplatz geben in Interviews dazu bekloppte Antworten. Dann kommt ein Israeli und schreit „sechs Millionen“, ein anderer Mann schlägt auf die Kamera – das ist dokumentarisch, Zadek hat die Szenen in den Film montiert.

Wie kam der Film an?

Der Film war eine reine Provokation, brillant gemacht. Zadek hat ihn rasant geschnitten, Jean-Luc Godard war sein Vorbild. Für Bremen war es der Schocker schlechthin. Die Bremer Nachrichten z.B. haben geschimpft. Es gab Sondersitzungen der Bürgerschaft und ging hoch her. Auch die Uraufführungen im März 1969 wurden von heftigen Schüler-Protesten begleitet.

Von Rechten?

Nein, es waren Linke, die sich verhohnepiepelt fühlten, weil Zadek sich auch über die Pseudo-Revolutionäre lustig macht – er macht sich über alles lustig.

Interview: jpb

19 Uhr, Kino City 46,Birkenstraße 1

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