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Krise erreicht Deutschland

KONJUNKTUR Widersprüchliche Signale: Die deutsche Wirtschaft bricht zum Jahresende ein und wächst 2013 nur wenig – doch der Staat freut sich über einen Haushaltsüberschuss

„Man kann nicht ganz Europa in die Krise sparen und hoffen, dass nichts in Deutschland ankommt“

SAHRA WAGENKNECHT, DIE LINKE

VON MALTE KREUTZFELDT

BERLIN taz | So gut kommt Deutschland durch die Krise: Mit dieser Botschaft ging Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Dienstag an die Öffentlichkeit, als der Jahresabschluss des Haushaltsjahrs 2012 vorgelegt wurde. Tatsächlich sind die Zahlen beeindruckend: Erstmals seit der Wiedervereinigung ergab sich in den öffentlichen Kassen ein leichter Überschuss von 0,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – was vor allem an den guten Zahlen der Sozialversicherung liegt. Der Bund nimmt weiterhin neue Kredite auf, doch auch diese liegen mit 22,5 Milliarden Euro deutlich unter den geplanten 28,1 Milliarden und unterhalb der Vorgabe der Schuldenbremse. „Wir haben weiter solide gewirtschaftet und das positive konjunkturelle Umfeld zur Konsolidierung des Haushalts genutzt“, erklärte Schäuble.

Doch so gut wird es nicht bleiben: Diese Botschaft muss Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) verkünden, wenn er am Mittwoch den Jahreswirtschaftsbericht vorstellt. Vermutlich wird er es freundlicher ausdrücken, aber die vorab bekannt gewordenen Zahlen sind eindeutig: Deutschland steht an der Schwelle zur Rezession.

Nach Informationen der Agentur Reuters senkt die Bundesregierung ihre Wachstumsprognose für 2013 auf 0,4 Prozent. Zuletzt war sie von 1,0 Prozent ausgegangen. Im letzten Quartal 2012 war die Wirtschaftsleistung sogar um 0,5 Prozent geschrumpft, teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag mit. Das ist der stärkste Rückgang seit dem Höhepunkt der Finanzkrise Anfang 2009. Übers ganze Jahr gesehen wuchs die Wirtschaft 2012 noch um 0,7 Prozent – nach 3,0 im Jahr 2011 und 4,2 in 2010.

Während der Präsident des Statistischen Bundesamts, Roderich Egeler, erklärte, damit habe sich die deutsche Wirtschaft „in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld als widerstandsfähig“ erwiesen, sieht die Opposition die Zahlen kritischer.

Sahra Wagenknecht, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, sieht sich in ihren Warnungen gegen den strikten Sparkurs, der die Konjunktur abwürge, bestätigt. „Man kann nicht ganz Europa in die Krise sparen und gleichzeitig hoffen, dass nichts in Deutschland ankommt“, sagte sie. Kerstin Andreae, Fraktionsvize der Grünen, erklärte, die Bundesregierung habe „für die Konjunkturflaute keine Vorsorge getroffen“.

FDP-Chef und Wirtschaftsminister Rösler geht hingegen trotz der nachlassenden Konjunktur davon aus, dass im kommenden Jahr noch bessere Haushaltszahlen erreicht werden. Seine Partei habe immer darauf gedrängt, im kommenden Frühjahr einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. „Bis dahin liegt noch ein hartes Stück Arbeit vor uns. Aber ich bin überzeugt, dass wir unser Ziel erreichen werden“, sagte Rösler der Welt. Das strukturelle Defizit beschreibt die Verschuldung ohne konjunkturelle Effekte.

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