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Ruinöse Elegien

FOTOGRAFIE Verfall und Wandel unserer Städte sind die Sujets von Laurenz Berges, dessen an Walker Evans geschulte Stillleben der Vergänglichkeit im Oldenburger Kunstverein gezeigt werden

Verdreckte Hofeinfahrten, leerstehende Abrisshäuser und tote Weiher sind hässliche und banale Orte, die Fotografen eher links liegen lassen. Den Fotografen Laurenz Berges interessieren sie, auch wenn er nicht zu jenen Vertretern seiner Zunft gehört, die sich an der Ästhetik des Hässlichen oder den Ruinenpornos schrumpfender Städte delektieren. Laurenz Berges geht es um die Bildhaftigkeit der vorgefundenen Motive und Phänomene der Veränderungen. Eine Ausstellung im Oldenburger Kunstverein überrascht mit neuen Arbeiten des Fotografen, die weniger spröde als erzählerisch und malerisch wirken.

Materieller Verfall und struktureller Wandel sind wiederkehrende Themen im Oeuvre des 1966 in Cloppenburg geborenen Künstlers. Bereits seine erste umfassende Werkreihe, die sich Situationen des Übergangs zwischen Stadt zu Land in seiner Heimatregion widmete, ist nachhaltig vom dokumentarischen Stil des US-Fotografen Walker Evans (1903–1975) geprägt, einem Klassiker der Schwarz-Weiß-Fotografie. Im Unterschied zu seinem Vorbild arbeitete Berges von Anfang an in Farbe. Die reduzierten Töne und das diffuse Licht betonen bis heute die tendenzielle Leblosigkeit der nahezu immer menschenleeren Orte.

Bedingungen von Räumen

Für seine neuen Arbeiten verließ Berges den regionalen Rahmen. Die Ursachen und Bedingungen von Räumen sind nicht mehr zu benennen. Dem Betrachter werden Informationen entzogen, um zu allgemeingültigen Aussagen zu gelangen. An die Stelle der vormals thematisch gebundenen Serie ist nun das Einzelbild getreten.

Der vom Berliner Architektenbüro Kühn Malvezzi umgebaute Kunstverein in Oldenburg bietet den denkbar besten Rahmen, um Laurenz Berges’ Entwicklung von erratischen Innenräumen und markanten Unorten hin zu freien Studien abzubilden. Das Arrangement aus weißen Einbauten und dunkler Holzkonstruktion ermöglicht einen freien Parcours, der wunderbar mit Berges’ Fenstermotiven korrespondiert. Einige der Öffnungen sind zugemauert, andere mit Folien zugeklebt oder von Sträuchern zugewachsen, sodass nur ein Schimmer Licht von außen durchdringt. Auf dem Bild „Am Markt I“ modelliert das einfallende Licht gleichsam die geschwungene Gardine und gewinnt beinahe plastische Qualität. Dank der verwendeten Plattenkamera sind die Strukturen vom Vorhangstoff und der floral gemusterten Tapete detailscharf abgebildet. Geradezu altmeisterlich hat Laurenz Berges die Tonigkeit von Hell und Dunkel herausgearbeitet.

In seinen jüngsten Bildern rückt Berges erstmals Einrichtungsgegenstände in den Mittelpunkt, etwa eine alte Ledercouch, einen Wäscheständer oder einen mit Gerümpel zugestellten Abstellraum. Berges’ Rauminszenierungen erinnern zunehmend an Bühnenbilder, etwa jene von Anna Viebrock, die sich ebenfalls für Verfallsprozesse und das Vergehen von Zeit interessiert. Durch den Einfluss von Wasser, Licht, Staub und Witterung verformen sich auf Berges’ Fotografien die Tapeten oder lösen sich von der Wand, Auslegeware wirft Wellen. Im Außenraum heben sich Bodenplatten, Dächer und Insektenfallen werden von Grünspan überzogen. Es sind Stillleben der Vergänglichkeit. MARKUS WECKESSER

■ Bis 20. Januar, Oldenburger Kunstverein, Katalog 49,80 Euro

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