: Nacktkater Willi wird kastriert
Prozess Die Zucht von Katzen ganz ohne Haare ist eine Qual, urteilt das Berliner Verwaltungsgericht
Faltig sind sie, ihre Augen im haarlosen Gesicht wirken groß, ebenso die Ohren: Enola, Sadira, Rumba und Willi gehören zur Gattung der Canadian-Sphinx-Katzen, besser bekannt als Nacktkatzen. Vor 14 Jahren begann die chemisch-biologisch-technische Assistentin Jacqueline Linke diese Rasse zu züchten, bis Mitte 2014 das Veterinäramt Spandau ihr einen Hausbesuch abstattete.
Eigentlich ging es um den großen Familienhund, ob dieser sich mit dem neugeborenen Enkelkind der Züchterin vertragen würde. Doch statt an dem Hund nahmen die Beamten an den ebenfalls anwesenden Nacktkatzen Anstoß.
Sie definierten die Züchtung der Katzen, die meist weder über Wimpern noch über Tasthaare an Ohren und Nase verfügen, als nicht mit dem Tierschutzgesetz zu vereinbarende Qualzucht: Die Katzen würden unter ihrem erblichen Defizit leiden. Darum solle eine weitere Vermehrung unterbleiben und Deckkater Willi kastriert werden.
Gegen diese Anordnung reichte die 41-jährige Züchterin, die ihre Tiere für 500 bis 700 Euro pro Stück verkauft, Klage vor dem Berliner Verwaltungsgericht ein.
„Angenehme Tiere“
Es sind „sehr nette, angenehme Tiere“, die er noch nie aggressiv erlebt habe, erklärt der als Gutachter geladene Tierarzt Thomas Göbel. Nur fehle ihnen mit den Tasthaaren ein wichtiges Sinnesorgan, was man als Schaden bewerten müsse. Denn ohne Tasthaare können sich die nachtaktiven Tiere im Dunkeln schlecht orientieren, auch bei der Kommunikation untereinander seien sie beeinträchtigt. „Ihr Gesicht drückt weniger als bei behaarten Katzen aus.“
Die Rasse hat Hautprobleme
Das Handicap dieser Rasse lasse sich am besten mit Menschen vergleichen, denen der Geruchssinn fehle. Dieses Manko lässt sich mit dem Einsatz anderer Sinne mildern, dennoch schränkt es die Betroffenen in ihrer Lebensführung ein.
Der Gutachter hat selbst noch nie eine Nacktkatze wegen einer Verletzung aufgrund der fehlenden Tasthaare behandeln müssen, eher wegen Hautproblemen. Auch bei dem Besuch der vier Linke-Katzen in seiner Arztpraxis hatte er nicht den Eindruck, dass es ihnen schlecht ginge. Doch ersetzt das keine wissenschaftliche Studie über das Wohlbefinden von Nacktkatzen – die jedoch bislang nicht existiere. „Ich habe mich aber gefragt“, so Göbel, „warum ich ein Gutachten erstellen soll, wenn selbst der Katzenzüchterverband empfiehlt, keine Tiere ohne Tasthaare zu züchten.“
Ein gewichtiges Argument. Nicht einmal die Allergiker können eine Lanze für die haarlosen Geschöpfe brechen – wer auf Katzenhaare reagiert, tut es in Wahrheit auf die Hautschuppen seines Haustiers, so der Tierarzt.
Das Verwaltungsgericht kommt nicht umhin, Nacktkatzen als Qualzucht zu betrachten, allerdings wird noch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in dieser Sache urteilen. Dahin will Linke in Berufung ziehen. Uta Eisenhardt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen