Korrutions-Affäre in Bremerhaven: Gericht kritisiert Grantz
Den Verdacht der Vorteilsnahme gegen Beamte hätte Bremerhavens Bürgermeister Grantz der Staatsanwaltschaft melden müssen, so das Gericht
Die Stadt Bremerhaven hätte im Dezember 2013, als sie davon erfuhr, unmittelbar die Staatsanwaltschaft informieren müssen – nach der gültigen Korruptionsrichtlinie. Das tat Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz aber nicht – sondern ließ die Abteilungsleiterin, die den Verdacht pflichtgemäß gemeldet hat, von ihren Aufgaben entbinden – wegen einer Störung des Betriebsfriedens.
Dieser Versuch einer Versetzung der Abteilungsleiterin sei rechtswidrig gewesen, urteilte gestern das Verwaltungsgericht Bremen. Vor Gericht hatte die Stadt Bremerhaven behauptet, die in unmittelbarer zeitlicher Folge zu der Korruptions-Meldung erfolgte Versetzung sei aufgrund eines lange zerrütteten Betriebsklimas erfolgt – für das Gericht eine unglaubwürdige Ausrede.
Anti-Korruptions-Richtlinien seien streng, die Staatsbeamten werden so gut versorgt, dass sie Vorteile von Kunden nicht annehmen dürfen, erklären die Richter. Und die Einladung an die Beamten war keine gewöhnliche: Als „ausgewählte Kunden“ lud die Kottisch-Firma die beiden Mitarbeiter „zu unserer Weihnachtsfeier im GOP Varieté-Theater“ ein.
Begrüßung mit „Glühwein-Empfang auf der Terrasse mit Weserblick, dann speisen wir ein exklusives Drei-Gänge-Menü, um anschließend um 21 Uhr die Varieté-Show „Move“ zu sehen und zu staunen. Selbstverständlich können Sie gerne Ihren Partner mitbringen.“ Das entspricht wohl einem geldwerten Vorteil von rund 100 Euro. Unter die Bagatell-Grenze fallen gerade noch Blumensträuße von 10 Euro.
Der eingeladene Mitarbeiter bedankte sich – ohne Rücksprache bei seiner Abteilungsleiterin – für die Einladung, kündigte sich mit Kollegin und Ehefrau an und fügte derselben Email den Satz an: „Ab dem 04.11. bin ich wieder im Dienst und werde dann mit Herrn XY über Ihr Angebot, bezogen auf das Upgrade, sprechen“ [Name anonymisiert, d. Red.]. Kottischs Firma ePhilos AG liefert Software für diverse Einkaufsprozesse und hatte der Stadt Bremerhaven offenbar ein „Update“ angeboten.
Damit hatte der Mitarbeiter selbst einen Zusammenhang zwischen der Einladung und den Geschäftsbeziehungen hergestellt. Das wäre für den Verdacht der Vorteilsnahme nicht erforderlich gewesen: „Es genügt, wenn der Vorteilsgeber auf die künftige Dienstausübung Einfluss nehmen oder die vergangene Dienstausübung honorieren will, wobei die dienstliche Tätigkeit nicht einmal in groben Umrissen konkretisiert sein muss“, formuliert das Gericht die Kriterien.
Der Bremerhavener Oberbürgermeister hatte damals entschieden, dass der Vorfall keinen Verdacht der „Vorteilsnahme“ begründe. Die Stadt wäre aber „für eine solche Wertung gar nicht zuständig gewesen“, urteilt nun das Gericht: „Nach Nr. 4.1 der Korruptionsrichtlinie ist bei einem durch Tatsachen begründeten Verdacht einer Korruptionsstraftat unverzüglich die Staatsanwaltschaft zu unterrichten.“
Und das hat seinen guten Grund, den das Bremerhavener Beispiel vor Augen führt: „Die strafrechtliche Bewertung soll demnach gerade nicht durch Stellen der Beklagten, sondern durch die Strafverfolgungsbehörden erfolgen.“ Der Bremerhavener OB, von Hause Jurist, hätte völlig unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung ein Disziplinarverfahren einleiten müssen, so das Gericht.
„Ich habe damit nichts zu tun“, sagt Kottisch zu dem Urteil – und dass er keine Zeit habe, gegenüber der Presse etwas dazu zu erklären. Seine juristische Verteidigungsstrategie läuft darauf hinaus, dass er von den Einladungen durch seine 20-Personen-Firma nichts gewusst habe.
Sein Anwalt hatte in der vergangenen Woche schon erklärt, Kottisch habe nicht damit rechnen müssen, dass sich die beiden Angestellten für die Einladung keine Genehmigung ihrer Vorgesetzten holen würden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!