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Der lange Weg von der Zigarette zur Erdnuss

Gift Die Problempflanze Tabak bringt den großen Konzernen satte Gewinne ein, die Produzenten werden schwer geschädigt

von Frank Herrmann

Die Deutschen rauchen täglich rund 220 Millionen Zigaretten sowie 9 Millionen Zigarren und Zigarillos. Für die Anpflanzung, Ernte und Verarbeitung von Tabak werden Hunderttausende Kleinbauern in armen Ländern ausgebeutet. Von den miesen Produktionsbedingungen profitieren vor allem multinationale Tabakkonzerne in den reichen Industriestaaten wie British American Tobacco, Philip Morris, Reemtsma (Imperial Tobacco Group) und Japan Tobacco International.

Betroffen sind vor allem Kleinbauern in Brasilien, Indien, China und Malawi. Das afrikanische Land ist zu 50 Prozent vom Exporterlös aus Tabak abhängig. China hingegen produziert vor allem für den heimischen Markt. Ausgebeutet werden die Pflanzer, weil Tabakkonzerne oder Rohtabakhändler mit ihnen unfaire Lieferverträge abschließen. Tochterfirmen der Konzerne liefern ihnen Saatgut, Pestizide, Dünger und geben ihnen Kredite. Im Gegenzug dazu verpflichten sich die Bauern, Tabak einer bestimmten Sorte anzubauen und die gesamte Ernte an den Konzern zu verkaufen.

„Die Konzerne nutzen ihre Machtposition aus“, kritisiert Sonja von Eichborn von der Kampagne unfairtobacco.org: „Allein sie bestimmen die Qualität des Rohtabaks und damit den Preis.“ Vom Erlös für den Roh­tabak werden die Kosten für Saatgut, Pestizide und Dünger sowie die Kreditzinsen abgezogen. Die Kosten dafür werden ebenfalls von den Konzernen bestimmt. Viele Bauern geraten so in eine Schuldknechtschaft. Wer derart verschuldet ist, versucht noch mehr Tabak anzubauen. Weil Tabakanbau aber sehr arbeitsintensiv ist, müssen auch die Kinder der Familien aufs Feld. Allein in Malawi arbeiten laut einer Studie der Ethnologin Laura Graen 78.000 Kinder auf den Tabakfeldern. Sie kommen mit extrem schädlichen Chemikalien in Kontakt und vergiften sich beim Berühren der Tabakpflanzen am Nikotin, das sie durch die Haut aufnehmen. Wer vier Stunden Tabakblätter erntet und dabei noch schwitzt, vergiftet seinen Körper so stark mit Nikotin wie jemand, der 20 Zigaretten raucht, sagt die Medizinerin Rosa Wolf im Film „Kinderarbeit beim Tabak“.

Auch die Umwelt leidet unter dem Anbau von Tabak. Damit die Pflanze gedeiht und das Land auch nach zwei bis drei Jahren noch Ertrag abwirft, müssen die Bauern große Mengen an Dünger und Pestiziden einsetzen. „Hinzu kommt, dass man für die Auftrocknung des Tabaks viel Feuerholz benötigt – pro Schachtel Zigaretten etwa 2,4 Kilogramm Holz“, sagt Aktivistin von Eichborn. Dafür werde in den Anbauländern meist Naturwald gerodet. Laut TransFair vernichtet ein durchschnittlicher deutscher Raucher alle drei Monate einen Tropenbaum.

Die Missstände sind bei Verbrauchern kaum Thema, egal ob sie rauchen oder nicht. Dabei sei es wichtig, die Tabakbauern darin zu unterstützen, auf alternative landwirtschaftliche Produkte umzustellen, so von Eichborn. Nur so fänden die bäuerlichen Betriebe aus der Abhängigkeit von den Tabakkonzernen heraus. Wie etwa in Kenia, wo ehemalige Tabakbauern nun Bambus anbauen: „Das ist weniger arbeitsintensiv, die Bauern können ihre Kinder mit dem Einkommen zur Schule schicken und zudem die benötigten Lebensmittel anbauen.“

Doch von heute auf morgen ist eine Umstellung auf alternative Anbauprodukte wie Bambus, Reis oder Erdnüsse kaum möglich. Macht also eine fair erzeugte Bio-Zigarette Sinn? Wäre es besser, den Tabakanbau zu verbieten oder ihn sozialer und grüner zu gestalten? Die Fairhandels-Szene antwortet geschlossen mit „Nein“. So lehnt es beispielsweise TransFair ab, Standards für die Zertifizierung von Tabak zu entwickeln. Auch die Gepa hat sich aus Gesundheitsgründen gegen fairen Tabak entschieden. Dass es keine Fair-Trade-Zigaretten geben sollte, findet auch Sonja von Eichborn von der Kampagne unfairtobacco.org: „Man würde ja Gift fair verkaufen, das fände ich absurd“, sagt die Aktivistin.

Anders sieht man dies in der Fairtrade-Town Dortmund, 2003 und 2005 „Hauptstadt des Fairen Handels“ und 2014 Träger des Deutschen Nachhaltigkeitspreises: Auf dem Gelände der Westfalenhallen Dortmund GmbH, deren alleiniger Gesellschafter die Stadt ist, findet neben der Fairhandels-Messe „FA!R & FRIENDS“ auch die Tabakmesse Inter Tabac statt. Mit der Ausrichtung der weltweit größten Tabakmesse hat man scheinbar keine Probleme, obwohl gerade der Tabakanbau für Kinderarbeit, schlechte Produktionsbedingungen und Gesundheitsschäden steht. Bereits 2009 hatte der Stadtrat beschlossen, keine Produkte mehr aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu beschaffen. In einer Stellungnahme erklärte die Stadt Dortmund, dass die Risiken des Tabakkonsums unbestritten seien, und weist darauf hin, dass es sich bei der Tabakmesse um eine Fachmesse handele, die ausschließlich Händlern vorbehalten sei. Kommerz kommt in Dortmund vor Fairness.

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