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Ein langer Zug

UNEINS In Kürze diskutiert der Gesundheitsausschuss auf Antrag der SPD-Altona ein Modellprojekt zur Cannabis-Abgabe. Doch sowohl Experten als auch Teile von SPD und Grüne sind skeptisch

Die Grüne Heidrun Schmitt schätzt die Chancen einer Umsetzung gering ein

Anwohner in der Schanze beklagen sich über Dealer, die ihre Kinder ansprechen oder ein „Nein“ nicht akzeptieren wollen. Das Bezirksamt spricht von „zunehmenden Drogenaktivitäten im Stadtteil“. Nun wird nach Lösungsmöglichkeiten gesucht: Im Gespräch ist ein Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis. Zum Beispiel in Form einer sogenannten „Insellösung“, einem Ort in der Sternschanze, an dem Konsumenten die Droge legal erwerben können. Die SPD-Altona hat beschlossen, dass eine kontrollierte Abgabe von Cannabis in der Sternschanze beschleunigt geprüft werden soll. Im September wird es dazu eine Expertenanhörung geben.

Die Frage nach einer kon­trollierten Abgabe von Cannabis spaltet die SPD. Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) sprach sich in der Vergangenheit gegen eine Legalisierung von Cannabis aus. Gregor Werner, Distriktsvorsitzender der SPD Altona-Nord Sternschanze, will das Projekt dagegen möglichst schnell auf den Weg bringen: „Wir erhoffen uns davon, dass der illegale Cannabisverkauf eingedämmt und verdrängt wird.“ Von einer vollständigen Legalisierung will er hingegen nichts wissen: „Es handelt sich um einen zeitlich und räumlich begrenzten Versuch, der zeigen soll, ob sich so die Situation in der Schanze verbessern kann.“

Das Echo von Experten und dem grünen Koalitionspartner ist verhalten: Anke Mohnert, von Palette e.V., einer Drogenberatungsstelle in der Sternschanze, sieht den Plan skeptisch: „Mit einem Modellprojekt werden nur wenige Menschen erreicht und Cannabis gibt es fast überall“. Sie fordert eine Legalisierung der Droge für Erwachsene unter regulierten Bedingungen.

Heidrun Schmitt, Gesundheitsreferentin der Hamburger Grünen, schätzt die Chancen für die Umsetzung des Modellprojekts ohnehin gering ein. Dazu müsste das Betäubungsmittelgesetz geändert werden, was wiederum in der Kompetenz des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) liegt.

„Bisher gibt es kaum konkrete Pläne darüber, wie ein Modellprojekt überhaupt aussehen könnte“, sagt Schmitt. „Wir müssen erst eine grundsätzliche Diskussion darüber führen, wie eine Ausgestaltung aussehen könnte.“ Im Bundesinstitut hat man von den Hamburger Plänen bisher noch nichts gehört. Seit Ende Juni liegt jedoch ein Antrag aus dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg für ein Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis vor. Er wird derzeit noch geprüft.

Auch Hamburg müsste solch einen Entwurf einreichen. Heidrun Schmitt glaubt jedoch, dass der Antrag der Berliner abgelehnt wird: „Die Hürden sind sehr hoch.“ Sollten sich SPD und Grüne jedoch darauf verständigen, ein Modellprojekt zu starten, müssten sie darüber diskutieren, wie das Projekt aussehen könnte.

In der Hamburger Gesundheitsbehörde möchte man sich nur begrenzt zu dem Thema äußern. Pressesprecher Rico Schmidt sagt, dass man das Projekt „ergebnisoffen“ prüfen wird, so wie es im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist. Am 24. September wird sich der Gesundheitsausschuss mit den Ergebnissen der Expertenanhörung befassen. Larissa Robitzsch

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