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Kolumne SpäterProbeliegen im Buddhismus

Krankheiten, Todesfälle, Sorgen und Angst: Im Alter braucht man spirituelle Unterstützung. Und eine Prise Aberglauben.

Sorgt auch für viel Trost: Dalai Lama. Foto: dpa

N eulich saß ich mit Theresa im Gartenrestaurant des buddhistischen Rigpa-Zentrums in Berlin-Charlottenburg. Die Wespen schwirrten über der Saftschorle und unserem veganen Gemüsegulasch und waren lästig. „Die Buddhisten sind zwar okay‘“, meint Theresa und deckt ihre Schorle mit einem Bierdeckel ab, „aber manchmal kann einem das auch auf den Nerv gehen, dieses ewige Mitgefühl mit allen Lebewesen, das man haben soll. Schaffe ich nicht“.

Ich sage nichts und betrachte die buddhistischen Flaggen im Wind. Ich gehe neuerdings ganz gerne ins Rigpa, die bieten dort eine Meditation an für Kranke, Angehörige von Kranken und Verstorbenen.

Seit dem Tod der Eltern und der schweren Erkrankung von Freundin Bine ist das ein Thema. Mir hilft es, die Trauer, die Sorge und die Angst zu kanalisieren. Die Katholiken entzünden dafür eine Kerze in der Kirche und beten. Das würde bei mir nicht funktionieren.

Im Rigpa bin ich auf Bernhard gestoßen, er ist eigentlich Katholik und leidet an einer fortschreitenden Krankheit. Das Hoffen und Beten des Katholizismus habe ihm nichts gebracht bei der Krankheitsbewältigung, erzählte er. Die Selbstberuhigung durch die Meditation, die radikale Akzeptanz von Leben und Tod, wie sie der Buddhismus bieten, seien hilfreicher.

Buddhisten und Wespenfallen

Von Akzeptanz des Lebens ist Theresa weit entfernt. Sie wedelt mit den Händen, um die Wespen abzuwehren. „Eine Wespenfalle, das wäre es“, sagt sie zur Servicefrau, „man braucht nur eine Plastikflasche, Zuckerwasser und Spülmittel, und schwupp, schon ist Ruhe“. „Ich hätte nichts gegen eine Wespenfalle“, antwortet die Bedienung und senkt die Stimme, „aber die Gäste hier schon. Wir sind ein buddhistisches Zentrum“.

Typisch Buddhisten, immer widersprüchlich. Einerseits sagen sie, alles sei Vergänglichkeit und Verlust, und der Tod, hey, sei doch ganz normal. Die bieten im Rigpa sogar einen Thementag an zu „Leben und Sterben“ mit einem Programmpunkt: „Probeliegen im Sarg“, da wird ein echter Sarg angeschleppt. Krass. Und dann trauen sich die Buddhisten nicht, mal eben eine wespentödliche Falle zu basteln.

„Bei den Christen sind Wespenfallen erlaubt“, seufzt Theresa, „die kümmern sich um die Menschen, da müssen Insekten zurückstehen“. Stimmt. Aber die Katholiken sind auch schräg. Ich habe kürzlich eine Woche im Benediktiner-Kloster Ottobeuren verbracht. Die Akustik in der Basilika war atemberaubend, dazu diese Gemälde mit den halbnackten Engeln auf Wolken und dem Heiligen Geist im wallendroten Gewand. Dramatisch. Doch immer geht es um Leiden, Schuld und Vergebung, das drückt zu sehr auf die Stimmung.

„Versuchen wir es mit einer christlich-buddhistischen Wespenfalle“, schlage ich vor. Wenig später steht ein Honigschälchen auf dem Nebentisch, die Wespen stürzen sich darauf, wir haben Ruhe. Auf meinem Handy blinkt eine SMS. „Du glaubst nicht, wie lecker Tomatensuppe schmecken kann, das reine Glück!“, lese ich. Bine kann offenbar endlich wieder alleine essen, der Schlauch ist weg im Krankenhaus. Vielleicht hat meine Heilmeditation am Freitag dazu beigetragen. Wer weiß.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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4 Kommentare

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  • Rigpa ist das McDonalds des Buddhismus.

     

    Wer solches verspricht: "Wir werden wahrhaft lebendig – zuversichtlich, offen und entspannt in jeder Situation.", dem geht es nur um Kundenwerbung. Denn Buddhismus kennt kein Ziel und wer sich mit der Natur des Seins wirklich befasst, weiß, daß es kein Ziel gibt.

  • Übrigens: Mein eigenes Wespen-Problem löse ich seit Jahrzehnten weder buddhistisch noch christlich sondern pädagogisch. Ich stülpe einfach ein leeres Glas über das Tier, wenn es sich irgendwo niedergelassen hat. Oder ich lege einen Bierdeckel obenauf, wenn das Insekt ins leere Glas gekrabbelt ist. Probeliegen im Sarg quasi. Glas oder Bierdeckel nehme ich wieder weg, wenn ich fertig bin mit essen und trinken. Man glaubt ja gar nicht, wie lernfähig Wespen sind. Noch nie hat eine, wieder freigelassen, auch nur ansatzweise versucht, sich an den Resten zu bedienen. Sie sehen alle zu, dass sie möglichst schnell möglichst weit wegkommen. Lernfähigkeit ist halt ein Kennzeichen allen Lebens.

  • Widersprüchlich? Es gibt keinen Widerspruch zwischen einer "radikale[n] Akzeptanz von Leben und Tod" und der Weigerung, "eine wespentödliche Falle zu basteln". Radikal heißt in dem Fall nämlich, dass es keine Hierarchie gibt zwischen Mensch und Wespe. Beide haben das selben Recht auf Leben. Und zwar schon deswegen, weil beide sterben müssen. Dem natürlichen Ende eigenmächtig und aus purem Egoismus vorzugreifen, macht allerdings nur Menschen ein schlechtes Gewissen. (Und zwar auch solchen wie Theresa, die das - vermutlich erziehungsbedingt - nicht wahrhaben wollen.) Wespen meditieren nur sehr selten, glaube ich.

     

    Das schlechte Gewissen ist sozusagen artspezifisch. Daraus allerdings abzuleiten, dass Homo Sapiens wertvoller ist als andere Arten, ist nicht sonderlich vernünftig. Jeder weiß, dass ein Kilo Gold in der Mitte der Sahara sehr viel weniger Wert besitzen kann, als ein Liter Wasser. Anders ist nicht zwangsläufig besser oder wichtiger. Die Fähigkeit, Wespen auch dann am Leben zu lassen, wenn sie einem lästig fallen, ist also nicht nur gut fürs Gewissen sondern auch fürs Selbstwertgefühl. Logisch denken können nämlich auch nur wenige Arten.

     

    Im Grunde braucht der Mensch gar keine Religion. Auch nicht im Alter. Er/sie/es braucht die Vernunft. Damit, nämlich, kommt er früher oder später auch allein an jenen Punkt, an dem er Leben und Tod radikal akzeptieren und sich im Ernstfall selbst beruhigen kann. Auch Klempner oder Servicefrauen könnten Weisheiten vermittelt – wenn sie denn nicht viel zu oft von ihren Gedanken abgelenkt werden würden. Z.B. dadurch, dass sie ihren Brotjob nachgehen, Eltern, Kinder oder Freunde versorgen. Mönche oder Nonnen leben anders. Sie haben Zeit zum Denken. Das macht sie allerdings nicht weiser sondern professioneller. Vielleicht ist es das, was die Leute honorieren. Sie sind es nun mal so gewöhnt.

    • @mowgli:

      Das schlechte Gewissen ist ein Aspekt des Bewußtseins, nicht mehr und nicht weniger. Wer es ignoriert, blendet einen Teil seines eigenen Bewußtseins aus und wird damit weniger sich-selbst-bewußt. Ein Narr, wer solches tut.