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Kurswechsel für Rechtsextremisten

NEONAZIS Hamburg setzt bei der Beratung von Szene-Aussteigern auf einen privaten Träger

Alles soll anders werden. Das bundesweite Programm „Demokratie leben“ will seit Jahresanfang die Angebote für ausstiegswillige Rechtsextreme vereinheitlichen. Für Hamburg bedeutet das: Wo zuvor Verfassungsschutz und Landeskriminalamt aktiv waren, sollen zivilgesellschaftliche Träger übernehmen: das Projekt „Kurswechsel“, hinter dem der Verein Christliches Jugenddorfwerk Deutschlands steht.

Im Rahmen des hiesigen Programms gegen Rechtsextremismus, „Hamburg – Stadt mit Courage“, will sich „Kurswechsel“ mit einem Ausstiegs- und Distanzierungsangebot besonders an junge Erwachsene und Sympathisanten der rechten Szene wendet. „Es hat eine Lücke in der Präventionsarbeit gegen Rechtsextremismus gegeben, die nun mit „Kurswechsel“ geschlossen wird“, sagt Oliver Kleßmann, Sprecher der Sozialbehörde.

„Wir versuchen gemeinsam mit den Menschen, die zu uns kommen, ein neues Leben aufzubauen", sagt eine Mitarbeiterin der neuen Stelle. "Dafür müssen wir wissen, in welcher Szene sie sich bewegt haben und wie stark sie da involviert sind. Dann überlegen wir gemeinsam, wie sie sich distanzieren können.“ Auch die Begleitung zu Behörden oder die Wohnungssuche gehöre zu den Aufgaben. „Uns ist besonders wichtig, dass sich die Menschen mit ihrer eigenen Geschichte auseinandersetzen. Es muss geklärt werden, welche Motive sie hatten sich der Szene anzuschließen", sagt die Kriminologin, die nicht namentlich genannt werde möchte.

Laut dem jüngsten Verfassungsschutzbericht sind in Hamburg derzeit 340 Menschen in der rechten Szene aktiv. Bisher betreiben der Inlandsgeheimdienst wie auch das LKA jeweils eigene Hotlines, bei denen sich Ausstiegswillige melden könnten. „Es ist gut, wenn es ein breites Angebot gibt. Wenn sich jemand bei uns meldet, versuchen wir weiterhin, den Einzelfall individuell zu betreuen und sinnvoll zu unterstützen“, sagt Marco Haase, Sprecher des Hamburger Verfassungsschutzes. 14 Rechtsextremisten meldeten sich dort zwischen 2006 und 2011, erklärt der Senat.

Bei zivilgesellschaftlichen Trägern sei die Hemmschwelle oft niedriger, sagt die "Kurswechsel"-Mitarbeiterin. Ihre Beratung sei absolut vertraulich, Informationen würden nicht an Behörden weitergegeben. „Die NSU-Morde haben zu einem Umdenken geführt. Die Politik hat eingesehen, dass sie eine Gefahr unterschätzt hat. Sie hat sich entschieden den Kampf gegen Rechtsextremismus finanziell stärker zu unterstützen.“ Insgesamt 27 Fälle haben die Kriminologin und ihr Kollege, ein Sozialpädagoge, bisher betreut. Das Projekt wird mit jährlich 105.000 Euro vom Bund sowie der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration gefördert.

Larissa Robitzsch

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