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Klage gegen Uni-AstaGute Aufrufe, schlechte Aufrufe

Das Osnabrücker Verwaltungsgericht verhandelt eine Klage gegen den Uni-Asta: Dessen Auftrag decke nicht jedes politische Engagement.

Muss man nicht gut finden: Kreuze „für das Leben“ Foto: dpa

Hamburg taz | Von einer „orangenen Karte“ spricht eine Vertreterin des Gerichts: Aus Sicht des Osnabrücker Verwaltungsgerichts hat der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) der örtlichen Universität die Grenzen seines hochschulpolitischen Mandats und politischen Bildungsauftrags überschritten, als er zu Protesten gegen die NPD, Pegida und die evangelikale Großdemonstration „1.000 Kreuze-Marsch“ aufrief. Gleichwohl wies das Gericht die Klage gegen angeblich unzulässige allgemeinpolitische Betätigungen des Asta ab.

„Grenze ist Unsinn“

„Es ist Unsinn, eine Grenze ziehen zu wollen“, sagt Nicole Verlage, DGB-Vorsitzende in Osnabrück, über die Entscheidung vom 21. Juli. In einer Erklärung legte tags darauf der DGB dar, dass das Gericht „zwischen einem hochschulpolitischen und einem allgemeinpolitischen Mandat“ trenne – aus Sicht der Gewerkschaft eine „zweifelhafte Unterscheidung insbesondere dann, wenn es um gesellschaftspolitische Sachverhalte und Entwicklungen“ gehe.

Wer die Aufgaben des Asta „einschränkt oder gar verbietet, verlässt die Basis dieser Gesellschaftsordnung, die sich ganz allgemein als freiheitlich-demokratisch verstanden wissen möchte“.

„Mandat angemaßt“

Verklagt worden war die Studierendenschaft der Uni Osnabrück -- vertreten durch den Asta -- von einem Jurastudenten: Er machte in seiner Klage geltend, in insgesamt 74 Einzelfällen seit 2012 habe die Beklagte sich ein allgemeinpolitisches Mandat angemaßt, das ihr nicht zustehe.

Unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro wollte der Kläger dem Asta untersagen lassen, sich allgemeinpolitisch und nicht unmittelbar hochschulspezifisch zu äußern, Erklärungen abzugeben und allgemeinpolitische Tätigkeiten Dritter zu unterstützen.

Das Verwaltungsgericht Osnabrück wies die Klage ab: Die beklagten Veranstaltungen und Aktionen seien vom Niedersächsischen Hochschulgesetz (NHG) gedeckt.

Gerügt wurden vom Gericht aber einige Asta-Aufrufe, etwa gegen die NPD, „Pegida“ und den evangelikalen „1.000 Kreuze-Marsch“.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Linke Themen beklagt

„Der Kläger hat hier akribisch recherchiert“, sagt Gerichtssprecherin Julia Schrader. Seit 2012 sollen aus seiner Sicht die Beklagten sich durch ihre verschiedenen Betätigungen wie auch die Finanzierung bestimmter Hochschulgruppen und -projekte ein allgemeinpolitisches Mandat angemaßt haben. Vor allem linke und alternative Themen hätte der Kläger angeführt, so Schrader.

Schon 2014 hatte der Jurastudent – der bestreitet, er zähle zum rechten Spektrum –, in einem Eilverfahren versucht, der Studierendenvertretung eine allgemein politische Äußerung untersagen zu lassen. Ohne Erfolg: Das Verwaltungsgericht Osnabrück und das Oberverwaltungsgericht Lüneburg winkten ab.

Auch mit der regulären Klage scheiterte er nun. Die Mehrzahl der beklagten Veranstaltungen, Aktionen und Aufrufe seien noch gedeckt „von der im Niedersächsischen Hochschulgesetz (NHG) verankerten Aufgabe zur Wahrnehmung sozialer und kultureller Belange der Studierenden, dem hochschulpolitischen Mandat und dem politischen Bildungsauftrag“, teilte das Gericht mit.

Zwölf der insgesamt 74 Aktivitäten seien aber unzulässig gewesen, sagt Schrader: Neben dem Aufruf zum Anti-NPD-Protest führt es etwa verschiedene Flugblätter des Ökologie-Referats an. Auch das Anbringen eines Transparents mit der Aufschrift „Refugees Welcome“ sei zu viel.

„Schwer nachvollziehbar“

Schrader erklärt, dass der Vertretung zwangsweise alle Studierenden angehörten und sie sich deshalb eng im Rahmen des hochschulpolitischen Mandats und politischen Bildungsauftrags bewegen müsste. „Es bleibt schwer nachvollziehbar, das ‚hochschulpolitische Mandat‘ des Asta als Begrenzung zu interpretieren“, sagt dagegen Gewerkschafterin Verlage: Jede gesellschaftliche Entwicklung nehme Einfluss auf die Hochschule, insofern müsse der Asta sich äußern können – auch gegen Neonazis.

Gegen das Urteil kann binnen eines Monats Berufung eingelegt werden.

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2 Kommentare

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  • Die ideologische Zwangsvereinnahmung durch AStA gibt es seit Jahrzehnten. Jeder Student wird damit als scheinbares Mitglied der regelmäßig linksideologisch agierenden AStA-Kommune. Und das ist für sehr sehr viele Studenten ein Ärgernis. Zumindest für solche, die an der Universität ernsthaft ein Fach studieren wollen. Also studieren, nicht agitieren. Das Ergebnis des Gerichts: "Zwölf der insgesamt 74 Aktivitäten" waren unzulässig. Immerhin. Gut, dass sich zumindest ein Student gewehrt hat.

  • Für alle, die nicht (oder zumindest nicht an einer bundesdeutschen Uni oder Hochschule) studiert haben: "Der Allgemeine Studierenden- [...] oder […] Studentenausschuss (AStA) [...] stellt die studentische 'Regierung' [...] dar. Der AStA wird in der Regel vom Studierendenparlament gewählt und besteht aus einem oder mehreren Vorsitzenden sowie einer Reihe von Referenten für verschiedene Aufgabengebiete."

     

    Es ist also gar nicht die Aufgabe deutscher Gerichte zu entscheiden, wofür der ASTA ein "hochschulpolitische Mandat" hat und wofür nicht. Es ist allein die Aufgabe der Studenten. Dabei ist es jedem Studenten freigestellt, an der Willensbildung mitzuwirken. Das, allerdings, scheint dem Kläger entschieden zu mühsam gewesen zu sein. Er hätte womöglich jahrelange Überzeugungsarbeit leisten müssen, bevor auch nur eine (knappe) Mehrheit der Studenten seinen, nun ja, konservativen Auffassungen gefolgt wäre. Offenbar schien es ihm leichter und erfolgversprechender, einen Richter zu finden, der seine Macht missbraucht.

     

    Nun ja. Versuchen darf man ja so einiges. Immerhin hat ja das Gericht keine "rote Karte" gezückt, sondern bloß eine "orangene". Wenn vielleicht auch nur, weil man gegen "orangene Karten" viel schlechter klagen kann als gegen rote. Sie sollen einen bloß in eine ganz bestimmte Richtung lenken, die halben Platzverweise. Ernsthafte Gegenwehr provozieren (und dabei möglicherweise viel braunen Staub aufwirbeln) sollen sie hingegen nicht.

     

    Ich hoffe sehr, der AStA der UNI Hamburg lässt sich nicht einschüchtern von diesem "halben" Urteil. Soll er sich doch einfach ganz aus seiner halben Deckung wagen, der Richter Da-gehts-lang. Wir werden sehen, was dann passiert.