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Jüdische SportspieleKribbeln vor dem Start

Am Montag beginnen die European Maccabi Games im Berliner Olympiapark - die kleine Makkabiade. Landesliga-Kicker Ben Lesegeld tritt dort für das deutsche Auswahlteam an

Sportler bilden den Davidstern im Olympiapark Foto: European Maccabi Games

Für Ben Lesegeld gibt es derzeit nur ein Thema: die Spiele. Und dass sie endlich beginnen mögen. „Man brennt auf das erste Match“, sagt der 28-jährige Fußballer, der in einem Café in der Nähe des Moritzplatzes sitzt und vom „Prickeln“ und „Kribbeln“ spricht, das sich breitmache: Noch ein Tag, dann geht es zum Trainingslager nach Duisburg. Am Dienstag: die Premierenpartie.

Die Spiele, auf die er hinfiebert, das sind die European Maccabi Games (EMG), die olympischen Charakter haben: In 19 unterschiedlichen Sportarten treten 2.300 Athleten in Länderteams gegeneinander an – nur sind hier ausschließlich jüdische Teilnehmer am Start.

Aus dem Landesligaspieler Ben Lesegeld, der für den Verein Berolina Mitte kickt, wird dann neun Tage lang der Nationalspieler Ben Lesegeld. Während der EMG spielt er für das deutsche Auswahlteam, bei dem die besten jüdischen Kicker des Landes sich mit sieben anderen Länderteams messen. „Vor vier Jahren in Wien standen wir im Finale“, sagt Lesegeld, „damals haben wir gegen England verloren. Wir haben noch was wiedergutzumachen.“

Der Sechser

Wenn man diesem wuchtigen, gut 1,90 Meter großen Mann gegenübersitzt, wundert es einen nicht, welche Position er auf dem Feld einnimmt. „Sechser“, sagt er, also defensives Mittelfeld: Physis, Zweikampfstärke, Schweinsteiger-Mentalität.

Lesegeld ist in einem jüdischen Sportverein groß geworden. In Frankfurt am Main, seinem Geburtsort, spielt er schon im Alter von sechs Jahren für Makkabi Frankfurt. Neun Jahre kickt er dort, ehe er seinen Traum vom Profifußball verfolgt: Er bekommt ein Angebot von Maccabi Haifa, einem israelischen Topklub. Dann stirbt sein Vater, und er kehrt nach Frankfurt zurück.

Beim FSV Frankfurt, heute Zweitligaklub, nimmt er einen neuen Anlauf zur Profikarriere. Nach zweieinhalb Jahren ist ihm dieser Weg zu ungewiss. Er beginnt zu studieren, spielt „nur“ noch in der Oberliga. Vor vier Jahren kommt er als Kommunikationsdesignstudent nach Berlin.

„Bei Berolina habe ich mich von Beginn an sehr wohlgefühlt – es war nie ein Thema, dass ich jüdisch bin.“ Warum er nicht zu Makkabi Berlin ging? Da müsse er ja für jedes Training von seinem Wohnort Prenzlauer Berg in den Grunewald fahren: Zu weit.

Im Makkabi-Trikot durch Neukölln

Inzwischen hat Lesegeld sein Studium abgeschlossen, vor ihm liegt seine Abschlussarbeit: ein Bändchen über Street Food in Berlin. Was das jüdische Leben in Deutschland betrifft, nehme die Stadt eine „positive Sonderrolle“ ein.

Antisemitische Ausfälle – etwa bei Pro-Palästina- Demos im vergangenen Sommer – hält er für nicht alltäglich: „Ich kann mit’nem Makkabi-Trikot durch Neukölln laufen, und es interessiert niemanden.“ Die Sicherheit, um die sich viele bei den Maccabi Games sorgen, habe ihn bisher nicht beschäftigt.

Während die Makkabi-Sportvereine in Deutschland inzwischen längst Mitglieder aller Konfessionen aufnehmen, bleiben die Spiele exklusiv jüdisch. Widerspricht das nicht dem Geist des Sports, bei dem alle zusammenkommen? „Man muss die Tradition sehen, aus der diese Spiele kommen“ sagt Lesegeld. Die Idee der Makkabiade sei gewesen, Juden aus aller Welt in Israel zusammenzubringen.

Für Lesegeld selbst ist die Religion, wie er sagt, „eher ein stiller denn ein lauter Begleiter“ in seinem Leben. Da er aber so lange in jüdischen Vereinen spielte, sei sie doch stets präsent gewesen. „Da hieß es bei den Gegnern immer: Der jüdische Klub kommt“, erklärt der vollbärtige Auswahlkicker. „In Frankfurt standen einmal in einem Kabinengang auf beiden Seiten Leute, die Schals der Hamas trugen. Als wir auf sie zugingen, haben sie das Licht ausgemacht und ‚Allahu Akbar‘ gebrüllt.“

Nun wird Lesegeld ausgerechnet im Berliner Olympiapark für ein jüdisches Team auflaufen – an der Stelle, an der jüdische Sportler in der deutschen Mannschaft zu Zwecken der Hitler-Propagandaschau 1936 ausgeschlossen wurden.

„Das ist ein Zwiespalt. Die Anlagen dort sind für Sportler toll. Aber auch abgesehen davon finde ich es gut, dass die Spiele dort stattfinden.“ Die Maccabi Games, so hofft der Spieler, werden den Weg ebnen für eine weitere Normalisierung des deutsch-jüdischen Verhältnisses.

Infos und Programm: www.emg2015.de

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4 Kommentare

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  • Israel hat seit mehr als 40 Jahren völkerrechtswidrig palästinensisches Gebiet besetzt und zerstört dort palästinennsiche Siedlung und baut eigene Siedlungen auf. Israel weigert sich, diesen Siedlungsbau zu stoppen und verhindert somit jede Aussicht auf Frieden. Diese Leute sollten in Deutschland nicht eigene Spiele veranstalten dürfen

  • "Kribbeln" im Bauch haben auch die Sportler aus Palästina, allerdings aus anderen Gründe: sie werden auf den Weg zum/vom Fußballplatz von der IDF in die Füße zerschossen:

    http://www.shortnews.de/id/1091638/israelische-soldaten-zerschiessen-palaestinensischen-fussballern-die-fuesse

    http://www.thenation.com/article/after-latest-incident-israels-future-fifa-uncertain/

     

    "This is only the latest instance of the targeting of Palestinian soccer players by the Israeli army and security forces. Death, injury or imprisonment has been a reality for several members of the Palestinian national team over the last five years. "

    • @Ninetto:

      Auch wenn es bekannt sein sollte: Die Maccabi Games haben nichts mit dem Israelisch-Palästinensischen Konflikt zu tun. Die Errichtung jüdischer Sportvereine ist durch zwei Effekte begründet. Einerseits wurden Juden aufgrund des wachsenden Antisemitismus ab Ende des 19. Jahrhunderts aus nationalen Turnvereinen gedrängt. Ein drastisches Beispiel dafür ist Österreich; dort wurden 1901 die Juden aus den Turnvereinen ausgeschlossen. Andererseits motivierte der aufkommende Nationalismus einige Juden, sich jüdischen Vereinen anzuschließen.

      Die Makkabiade (jüdischen Sportfestspiele) wurden erstmals 1932 ausgetragen und waren somit eine Antwort auf die Ausgrenzung jüdischer Sportler von nichtjüdischen Sportveranstaltungen, wie z.B. 1936 während der Olympiade in Berlin, aber es gibt auch viele Beispiele für "Antisemitismus im Sport", die neueren Datums sind.

      • @Nicky Arnstein:

        Auch mein Kommentar war eine

        "Antwort auf die Ausgrenzung". Wenn diese Spiele tatsächlich dazu dienen sollen, dann wo bleiben z.B. die Stimmen der Sportler gegen gegen die Apatheid-Mauer Israels, die schon von der IGH in den Haag, 2004 (!) als illegal verurteilt wurde?

        Wo bleiben die Stimmen/Berichte dass in der vergangenen 5 Tagen Israel:

         

        1)mindestens 2 unbewaffnete Palästinensern erschossen hat

         

        2)das Gesetzt geändert, wonach die Strafe für Steine-Werfen auf 20 Jahre Gefängnis gehoben wurde...

         

        3)Israel droht zum dritten Mal (!) die Bewohner von Susiya mit der Zerstörung ihres Dorfes. Die Bewohner waren schon 2x in den Jahren davor vertrieben.