: Österreichs Bundesrat wird rot-grün
Opposition erlangt im Bundesrat die Mehrheit und verhilft damit der Länderkammer zu mehr Aufmerksamkeit
WIEN taz ■ Eine rot-grüne Mehrheit kann seit Anfang November vom Bundesrat aus Opposition machen. Durch die Landtagswahlen in Wien und der Steiermark haben die Regierungsfraktionen ihre Kontrolle über die Länderkammer verloren. Damit steht die Regierungskoalition aus der christlich-konservativen Volkspartei ÖVP und der aus Jörg Haiders FPÖ hervorgegangenen BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich) im Nationalrat einer rot-grünen Mehrheit im Bundesrat gegenüber. Sobald sich der Wiener Gemeinderat am 2. Dezember neu konstituiert, kann die Opposition ihren Mandatsvorsprung auf 33 zu 29 Stimmen im Bundesrat ausbauen.
Anders als Gerhard Schröder muss sich Bundeskanzler Wolfgang Schüssel durch die widrigen Mehrheitsverhältnisse nicht in Neuwahlen flüchten. Der österreichische Bundesrat wird von den Landtagen der neun Länder entsprechend der politischen Kräfteverhältnisse beschickt. Er hat aber weniger Kompetenzen als der deutsche und kann zum Beispiel Gesetze nicht verhindern, sondern nur aufschieben. Das wichtigere Regierungsorgan ist der Nationalrat, der etwa dem deutschen Bundestag entspricht.
Auf alle Fälle aber wird die Länderkammer in der Öffentlichkeit künftig verstärkt wahrgenommen werden. Schon bei der ersten Sitzung mit neuer Mehrheit machte die Opposition von ihren Rechten Gebrauch. Die Debatte über das verschärfte Ausländerrecht und das neue Postgesetz wurden auf Dezember vertagt.
Auch ein Lieblingsprojekt von Sozialministerin Ursula Haubner (BZÖ) steht auf der Abschussliste. Die Haider-Schwester will eine Ministerialabteilung unter dem Namen „Familie & Beruf Management Gesellschaft“ ausgliedern und damit der parlamentarischen Kontrolle entziehen. Außerdem, so höhnt die Opposition, sollen dort Günstlinge des BZÖ, die nach den nächsten Wahlen wohl ihre Jobs verlieren dürften, mit Posten versorgt werden.
Die ÖVP schäumt angesichts der Machtdemonstration der kleinen Kammer. ÖVP-Fraktionschef Wilhelm Molterer wettert gegen den „Machtrausch“ und spricht von „Blockadepolitik“. Ganz andere Probleme hat der kleine Regierungspartner BZÖ. Kein Demoskop gibt ihr die Chance, die nächstes Jahr fälligen Nationalratswahlen zu überleben. RALF LEONHARD
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