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PortraitWieder Chef – endlich

ALFA-Tier Bernd Lucke steht neuem Rudel vor Foto: dpa

Eine Schwäche in Sachen Teamarbeit bescheinigt sich Bernd Lucke sogar selbst. Er treibe die Sachen einfach gerne voran, sagte der frisch gewählte Parteichef am Montag im Radio. Er sei ungeduldig, wenn andere nicht schnell den gewünschten Output lieferten. „Ich glaube nicht, dass sich das grundsätzlich ändert.“ Lucke wird in Zukunft wieder viel Gelegenheit dazu haben, Sachen allein voranzutreiben. Vielleicht zu allein, doch davon später.

Einem breiten Publikum ist der schmale Makroökonomieprofessor mit dem jungenhaften Gesicht vor allem aus dem Fernsehen bekannt. Da saß Lucke während der Eurokrise als Dauergast bei Jauch, Illner und Co., um in geschliffenen Sätzen zu erklären, warum die europäische Rettungspolitik der Bundesregierung falsch, verlogen und schädlich sei. Lucke war lange Chef der Alternative für Deutschland (AfD), dieser mal marktliberal, mal rechtspopulistisch schillernden Kraft, die die Union das Fürchten lehrt. Chef ist eigentlich fast untertrieben, denn die AfD war Luckes Erfindung, sein Baby. Nach einem monatelangen Machtkampf trat er aus – auch, weil er einen Rechtsruck nicht unterstützen wollte. Jetzt ist Lucke wieder Chef. Er hat eine Alternative zur Alternative für Deutschland gegründet, die ALFA heißt, Allianz für Fortschritt und Aufbruch. Die ALFA muss man sich vorstellen wie eine AfD mit weniger Mitgliedern, mehr Lucke und einem Programm ohne Ausländerhass. So lautet jedenfalls der vorläufige Plan.

Der Klassenstreber

Die Spaltung einer politischen Nischenkraft bedeutet normalerweise ihren Tod. Lucke ist ein intelligenter Mann, er muss das wissen. Wenn er unter solch unsicheren Vorzeichen zum zweiten Mal die Mühen einer Parteineugründung auf sich nimmt, dann darf man ihm ein gewisses Geltungsbedürfnis unterstellen. Offensichtlich hat Lucke Gefallen gefunden an den Talkshows. Hier wirkt er oft wie der streberhafte Klassenprimus, der den anderen erklärt, dass sie den Dreisatz immer noch nicht verstanden haben.

Das Bildungsbürgerhafte verströmt er aus jeder Pore: In seiner Jugend war Lucke Querflötist bei der Bundeswehr und Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes, später startete er eine Universitätskarriere in den Wirtschaftswissenschaften. Heute sitzt er im Europaparlament – seine Professur in Hamburg lässt er wegen der politischen Ambitionen ruhen. Lucke, der mit Frau und fünf Kindern in Winsen bei Hamburg lebt, hat vor eineinhalb Jahren einem Journalisten erzählt, keinen Fernseher zu besitzen. Die Qualität der Programme sei gering. Bernd Lucke wird auch künftig das seine tun, um sie zu heben. Ulrich Schulte

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