: Naturschutz nach Gutsherrenart
Umwelt Im Rahmen der Verwaltungsreform soll in Brandenburg die Zuständigkeit für den Naturschutz vom Land an die Kreise gehen. Kritiker fürchten den Verlust der Vorreiterrolle des Landes beim Naturschutz
von Uwe Rada
Gleich nach der Wende galt Brandenburg als Vorreiter des Naturschutzes. Mit dem Nationalpark Unteres Odertal und den Biosphärenreservaten Schorfheide-Chorin, Spreewald und Flusslandschaft Elbe wurden riesige Flächen unter Schutz gestellt, dazu kamen die elf Naturparks, von denen der Barnim auch auf Berliner Gebiet hineinreicht. Mit diesen 15 sogenannten Großschutzgebieten ist ein Drittel der Fläche Brandenburgs unter besonderen Schutz gestellt, so viel wie in keinem anderen Bundesland.
Doch damit könnte es bald vorbei sein. „Die Großschutzgebiete sind nur noch ein Schatten ihrer selbst“, kritisiert der Fraktionschef der Grünen im Potsdamer Landtag, Axel Vogel. Was er damit meint, ist zum einen der Stellenabbau der vergangenen Jahre im Landesumweltamt, das nun Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV) heißt. Doch was die Brandenburger Landesregierung nun plant, übertrifft für Vogel alles bisher Dagewesene. „Wenn die Naturschutzaufgaben vom LUGV auf die Landkreise übertragen werden, wäre vom Brandenburger Erbe des Naturschutzes nichts mehr übrig.“
Die Pläne sind bereits weit gediehen. In einem „Leitbild“ von Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) vom Mai heißt es unmissverständlich: „Eine große Bürger- und Problemnähe haben Entscheidungen, die in den Gemeinden, Städten und Landkreisen getroffen werden. Daher sollen Vollzugsaufgaben auf die kommunale Ebene übertragen werden.“ Dazu gehören in dem Katalog, der der taz vorliegt, auch die Vollzugsaufgaben des Naturschutzes. Dies betreffe vor allem „die Schutzgebietsausweisungen, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen in den Fauna-Flora-Habitat-Gebieten außerhalb der Großschutzgebiete sowie Naturschutz in Planungs- und Genehmigungsverfahren“.
Welche Interessen da künftig aufeinanderprallen könnten, ließ sich beim sogenannten Binnenhochwasser im Oderbruch vor vier Jahren beobachten. Weil Gräben nicht entkrautet wurden und Biber zahlreiche Bäume fällten, staute sich das Wasser, die Keller von Hunderten Bewohnern liefen voll. Bewohner gründeten daraufhin eine Bürgerwehr mit dem Ziel, Biber zu jagen, obwohl diese in Deutschland streng geschützt sind. Auch der Landrat von Märkisch Oderland, Gernot Schmidt (SPD), forderte damals „eine behutsame Reduzierung des Bestandes“. Der Präsident des Landesumweltamtes, Matthias Freude, hielt dem entgegen: „Es gibt keine Biberinvasion, weil sich der Bestand von selbst reguliert.“
Landrat Schmidt freut sich darauf, künftig selbst für den Naturschutz zuständig zu sein. „Bislang hatten wir das Defizit, dass Naturschutzbelange nicht vor Ort gelöst worden sind“, sagte Schmidt der taz. Mit der Verwaltungsreform sei man dagegen „näher am Bürger“. Schmidt ist überzeugt: „Wenn der Landrat und die Kreisverwaltung solche Konflikte austragen, ist das ein Stück lebendiger Demokratie.“ Dem LUGV dagegen seien die Probleme der Bürger egal. „Die sind weit weg von den Problemen vor Ort.“
Nach außen gibt sich die Brandenburger Politik immer noch stolz auf ihre Naturschutztaten. Erst vor Kurzem war Umweltminister Jörg Vogelsänger (SPD) im Nationalpark Unteres Odertal, der in diesem Jahr seinen 20. Geburtstag feiert. Doch hinter den Kulissen brodelt es. So hat Vogelsänger den Nachhaltigkeitsrat, den sein Vorgänger, der heutige Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), einberufen hat, kaltgestellt. Das rief sogar die Kritik von Manfred Stock hervor, Professor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und bis dato Vorsitzender des Rats. Er bemängelte, durch das Agieren Vogelsängers sei die Arbeit des Gremiums „schlecht gewürdigt“. Schon zuvor, Ende 2014, hatte der Minister den langjährigen Präsidenten des Landesumweltamtes, Matthias Freude, entmachtet. Mit Freude verschwand damit der letzte aus der Riege der Naturschützer, die mit dem damaligen Umweltminister Matthias Platzeck Brandenburg zum Musterland des Naturschutzes gemacht hatten.
Das Tafelsilber
Die letzte Bastion, die nun noch fallen könnte, wären die 15 Naturparks des Landes, die Matthias Platzeck einmal als „Tafelsilber“ bezeichnet hat. Denn auch sie könnten mit der Verwaltungsstrukturreform an die Kreise gehen, bestätigt Vogelsängers Sprecher Jens-Uwe Schade. „Derzeit wird im Rahmen von Regionalkonferenzen mit den Landräten darüber diskutiert, was mit den Naturparks passieren soll“, erläuterte Schade gegenüber der taz. Immerhin sei die Verwaltung der Naturparks eine „freiwillige Aufgabe des Landes“.
Eine Enquetekommission des Landtags hat sich dagegen ausgesprochen, den Landräten auch noch die Hoheit über die Naturparks zu geben, und auch Ministeriumssprecher Schade gibt zu bedenken, „dass es viele gute Gründe gibt, die Zuständigkeit dafür beim Land zu belassen“. Doch für den Grünen-Fraktionschef Axel Vogel bleibt dennoch der Alarmknopf gedrückt. „Kleine Sonnenkönige wie Landrat Schmidt warten doch geradezu, dass der Naturpark Märkische Schweiz in ihre Hände fällt“, sagte Vogel der taz. Er verwies darauf, dass Schmidt als Vorsitzender des Landesfischereiverbandes nicht nur die Jagd auf Biber, sondern auch auf Kormorane eröffnen könnte.
Matthias Freude, Landesumweltamt
Schmidt lässt die Kritik an sich abprallen. „Man kann das alles auch flexibler handhaben“, sagt er. Die EU-Verordnungen seien längst nicht so restriktiv wie vom LUGV interpretiert. Selbst in Polen würden die Biberbestände immer wieder reduziert.
Dieses Argument lässt Vera Luthardt nicht gelten. „Wir haben in Brandenburg den Elbbiber, der ist viel strenger geschützt als die Biberarten in Polen“, sagt die Professorin am Fachbereich Landschaftsnutzung und Naturschutz der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde.
Gleichzeitig räumt Luthardt, die auch Vorsitzende des Naturschutzbeirats in Brandenburg ist, ein, dass das LUGV in der Vergangenheit auch Fehler gemacht habe. „Da wurde vor allem in Märkisch-Oderland manchmal auch von oben herab argumentiert und entschieden“, sagt Luthardt. Dennoch spricht sie sich dafür aus, dass die Naturparks auf der Landesebene bleiben. „Da gibt es viel mehr Synergien, wenn man das in einer Hand lässt.“
In einem Jahr sollen die Beratungen mit den Kreisen abgeschlossen an, erklärt Jens-Uwe Schade. „Dann wird es eine Empfehlung geben, ob auch die Naturparks zu den Kreisen gehen.“ Die weit strittigere Debatte im Rahmen der Verwaltungsstrukturreform sei allerdings die geplante Zusammenlegung der Kreise. Hier sieht der Ministeriumssprecher auch eine Chance für den Naturschutz. „Ich kann mit vorstellen, dass es für die neuen Landkreise und Landräte schwierig wäre, sich sofort da einzuarbeiten. Die Landesebene hat dagegen viel Erfahrungen mit den Großschutzgebieten gesammelt.“
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