: Die Hansestadt und die Brandstifter
ASYL In Lübeck hat es auf der Baustelle für eine Flüchtlingsunterkunft gebrannt. Es entstand ein geringer Sachschaden. Die Staatsanwaltschaft geht von einem fremdenfeindlichen Hintergrund aus
Die Aufkleber an den Laternen nahe dem Bauzaun einer geplanten Flüchtlingsunterkunft in Lübeck-Kücknitz sprechen eine deutliche Sprache: „Asylantenheim? Nein danke!“, heißt es auf dem Logo, das wie ein böser Bruder der Anti-Atom-Sonne aussieht. Nun hat es in der unbewohnten Unterkunft gebrannt – die Ermittler gehen angesichts der Botschaften und Aufkleber von einem „fremdenfeindlichen Hintergrund“ aus.
Es ist das zweite Mal in wenigen Tagen, dass die Hansestadt Lübeck ein Signal gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aussendet. Am vergangenen Donnerstag hatte sich eine Mehrheit der Bürgerschaft gegen den Verkauf eines Grundstücks im Stadtteil Bornkamp ausgesprochen, auf dem das Land eine Erstaufnahmeeinrichtung errichten wollte.
Dass es zwischen dieser Entscheidung und dem Angriff auf das Gebäude einen Zusammenhang gebe, schloss Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) aus. Er verurteilte die Brand stiftung und hoffte auf „gleichbleibende große Zustimmung und Solidarität mit der beabsichtigten Gemeinschaftsunterkunft im Stadtteil“. Auch weitere Prominente aus Politik, Kirchen und Gesellschaft zeigten sich entsetzt über den Anschlag.
Anders als in einer Erstaufnahme-Einrichtung mit einigen Hundert Plätzen, in der Flüchtlinge idealerweise nur wenige Wochen bleiben, sollen in die acht Doppelhäuser im Stadtteil Kücknitz gut 120 Menschen einziehen, die zumindest ein befristetes Bleiberecht haben und die je nach Status arbeiten oder eine Ausbildung beginnen können.
Der Brand, den eine Anwohnerin am Montag entdeckte und der schnell gelöscht wurde, richtete in dem Rohbau kaum Schaden an, so die Polizei: Die Rede ist von rund 1.000 Euro. Jetzt ermittelt ein Staatsschutzkommissariat der Lübecker Polizei. Hinweise auf den oder die Täter gibt es noch nicht.
Der Lübecker Anschlag ist bundesweit der etwa 150. Angriff auf eine Flüchtlingsunterkunft in diesem Jahr: Diese Zahl nannte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts am Dienstag in Berlin. Im ganzen Jahr 2014 lag die Zahl der Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte bei 170. Im Jahr davor waren es 55 gewesen. EST
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