: Ich hatte eine Straußwirtschaft in Afrika
SCHMALZ Es gibt nicht nur Qualität im deutschen Fernsehen – zum Glück. Ein fiktives Drehbuch
■ Der Termin: Am Montag, den 29. Januar, gibt das Grimme-Institut in Marl die Nominierungen zum 49. Grimme-Preis bekannt. Der Preis gehört zu den wichtigsten Auszeichnungen im deutschen Fernsehen. Prämiert werden Beiträge, die die „spezifischen Möglichkeiten des Mediums Fernsehen auf hervorragende Weise nutzen und nach Inhalt und Methode Vorbild für die Fernsehpraxis sein können“.
■ Der Haken: Grimmepreisverdächtig ist nicht viel im deutschen Fernsehen. Die Qualität versteckt sich zwischen Afrika-Klischees, Bergdoktoren, klatschenden Affen mit Familienanschluss, Zoosendungen, Zoosendungen, Zoosendungen und Zoosendungen.
PLOT MARTIN REICHERT
Annegret Kranmacher (Christine Neubauer) ist nach Südafrika gekommen, um ihre Mitte wiederzufinden. Zuvor hatte sie in Deutschland einiges durchmachen müssen: Die gelernte Friseurin hatte sich nach einem Feierabend-Master-Studium inklusive Promotion zur Pressesprecherin von Wella Deutschland hochgearbeitet, doch sie wurde Opfer einer Intrige aus Kollegenkreisen. Ihr Doktortitel wurde ihr aberkannt. Innerhalb kurzer Zeit verlor sie ihre Arbeit und ihren Mann, der ausgerechnet mit ihrer Nachfolgerin durchbrannte.
Burnout. In Südafrika will Annegret noch einmal von vorn anfangen. Sie hat sich ein kleines Appartement in einem Vorort von Kapstadt gemietet und engagiert sich ehrenamtlich und couragiert für schwarze Straßenkinder, die die warmherzige Frau aus Deutschland verehren.
Annegret beginnt wieder zu sich zu finden. Als sie eines Tages durch Zufall im Jachthafen von Kapstadt flaniert, verliert sie ihren Seidenschal. Er landet im Hafenbecken – doch Marten van Lohe (Helmut Zierl), der gerade die Teak-Holz-Planken seiner Vintage-Jacht mit Leinölfirnis einreibt, bekommt ihn mit einem Bootshaken zu fassen.
Die beiden lernen sich kennen. Van Lohe ist Witwer und Familientherapeut, er betreibt eine kleine Praxis am Rande eines Townships. Doch auch er hat Probleme: Das Haus, in dem er für einen Apfel und ein Ei bedürftige schwarze Familien mithilfe der Familienaufstellung nach Hellinger therapiert, gehört einem gewissenlosen deutschen Sektfabrikanten, der auf seinem südafrikanischen Weingut residiert und seinen einheimischen Arbeitern den Mindestlohn verweigert. Er möchte in den Therapieräumen eine Straußwirtschaft einrichten. Marten und Annegret fahren mit der Vintage-Jacht hinaus auf das offene Meer. Als sie bei Sekt und Erdbeeren auf den Sonnenuntergang blicken, kommt ein Schwarm Delphine vorbei. Annegret fasst sich ein Herz: „Du glaubst gar nicht, wie glücklich du mich machst. Ich werde an deiner Seite kämpfen.“ Nach einer romantischen Nacht an Bord geht es zurück nach Kapstadt. Am frühen Vormittag nehmen die beiden Martens Landrover Defender und machen sich auf die weite Reise zum Weingut des Sektfabrikanten. Auf dem Weg müssen sie viele Prüfungen bestehen, die sie aber nur stärker zusammenschweißen. Bei einer Reifenpanne werden sie von aggressiven Affen bedrängt, doch Marten kann sie mit dem Blitz seines iPhones in die Flucht schlagen.
Der Sektfabrikant Richard Blöbele (Sigmar Solbach) empfängt die beiden in seinem rustikalen Partykeller. Es gibt rheinland-pfälzische Spezialitäten und kalten Riesling. Sie versuchen Blöbele zu überreden, von seinen Straußwirtschaftsplänen abzusehen – den Township-Familien zuliebe. Doch er bleibt hart und redet permanent von Diversifizierung, steuerlichen Abschreibungen und dem Gräuel des Mindestlohns. Als Marten mal kurz auf die Toilette muss, bedrängt Blöbele Annegret. Aufgrund des deutschen Themenabends hatte Annegret ein Dirndl angezogen, was Blöbele zu Zoten animiert: „Sie können ein Dirndl auch ausfüllen“, stöhnt er. Und lallt: „Ich möchte, dass Sie meine Tanzkarte annehmen.“
Die Situation eskaliert, als Marten van Lohe vom Klo zurückkommt. Marten schlägt Richard Blöbele bewusstlos. Das Behältnis mit der Feuerzangen-Bowle fällt um, die Farm gerät in Brand. Die beiden fliehen, doch der Landrover Defender springt nicht an, weil die Glühkerzen des Turbodiesels verdreckt sind. Stattdessen nehmen sie Richard Blöbeles vollgetankte Cessna Caravan 675.
Auf dem Panoramaflug zurück nach Kapstadt überfliegen Annegret und Marten den Tafelberg. Im Tiefflug kommen sie fliehenden Giraffen und majestätischen Elefanten ganz nah. Und als sie schließlich auf einer Piste bei Kapstadt notlanden, berührt Annegret die rote Erde Afrikas, lässt den Sand durch ihre Hand rieseln und weiß: Hier, in Afrika, liegt ihre Zukunft. Und ihr Herz, mag es auch geschunden sein, gehört nun Marten.
Zu Hause erfahren sie über das Radio, das Richard Blöbele erstens tot ist und zweitens wegen Steuerhinterziehung in Deutschland gesucht wurde, weil seine Daten auf einer Schweizer Steuersünder-Datei vermerkt waren. Das Weingut und das Therapiehaus gehören nun dem Land Rheinland-Pfalz. Und weil die Ministerpräsidentin des Bundeslandes ein soziales Gewissen hat, schickt sie ein Fax, das Mietfreiheit für immer garantiert.
Annegret verbrennt im total vertrockneten Garten des kleinen Hauses die letzte verbliebene Kopie ihrer Doktorarbeit und das Dirndl. Sie hat endgültig mit Deutschland und ihrer Vergangenheit gebrochen. Annegret wird nun die Stiefmutter von Martens drei halbwüchsigen Kindern und eröffnet eine Keramikwerkstatt.
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