: „Ansammlung von Dreck“
DOKU Tausende Filme sind in der NS-Zeit entstanden, viele dürfen heute nur unter Auflagen gezeigt werden. Mit ihrem Erbe befasst sich „Verbotene Filme“ (22.25 Uhr, Arte)
Von Carolin Weidner
Anfang kommenden Jahres soll in Deutschland eine Neuauflage von Hitlers Schrift „Mein Kampf“ erscheinen – versehen mit mehreren tausend begleitenden Kommentaren. Damit dem interessierten Leser eine intelligente Stütze zur Seite steht. Denn niemand soll sich allein mit derlei Machwerken auseinandersetzen müssen. Die Meldung sorgte für Furore. Man tut sich schwer mit dem Erbe des Dritten Reiches.
Das demonstriert auch Felix Moellers Dokumentation „Verbotene Filme. Das Erbe des Nazi-Kinos“, die heute Abend um 22.25 Uhr auf Arte zu sehen ist. In der Doku verhalten sich zahlreiche Experten zu Fragen, die sich mit dem (eventuellen) Nachleben der 40 sogenannten Vorbehaltsfilme befassen. Solcher Filme also, die heute nur unter besonderen Auflagen zugänglich sind.
Das Dritte Reich war ein emsiger Filmproduzent: über 1.200 Spielfilme sind zwischen 1933 und 1945 entstanden. Und die Deutschen waren ebenso emsige Zuschauer: Über eine Milliarde Mal sollen sie allein im Jahr 1943 in Kino gegangen sein. Viele von ihnen ließen sich sicherlich auch von einem besonderen Kondensat mitreißen, das heute auf Nitrofilm in den Archiven der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung in Hoppegarten bei Berlin altert.
Es sind die Vorbehaltsfilme. Reguläre Kinovorstellungen: undenkbar. Wenn „Jud Süß“ (1940) von Veit Harlan oder Hans Steinhoffs „Ohm Krüger“ (1941) auf großer Leinwand laufen sollen, müssen die Vorführungen kundig kontextualisiert sein, mit Möglichkeit zur anschließenden Diskussion.
Doku-Regisseur Moeller nimmt teil an einigen dieser Nachgespräche, in Berlin und München, aber auch in Paris und Jerusalem. Sylvie Lindeperg, Historikerin an der Pariser Sorbonne, weist etwa vor einer Schau von „Jud Süß“ vor einer Schulklasse auf die „antisemitische Grammatik“ hin, mittels derer der Film seine Geschichte erzählt und somit harte Propaganda betreibt. Die Schüler äußern sich schockiert über die Wirkmacht des Films, vor allem aufgrund der leichten Zugänglichkeit. Als Lindeperg fragt, ob man „Jud Süß“ im französischen Fernsehen ausstrahlen sollte, entscheidet sich eine eindeutige Mehrheit dagegen.
In Deutschland ist ein Zuschauer „überwältigt“ von „dieser Ansammlung von Dreck und Klischees“, die er in Harlans Film vorgesetzt bekommen hat. Und Regisseurin Margarethe von Trotta, die bei einer der Aufführungen dabei ist, steht am Ende von „Ohm Krüger“ erregt und betroffen vor der Kamera, weist auf die aufwendige, sehr gute Machart des Films und die großartigen Schauspieler hin, sagt aber auch: „Das macht mich am meisten krank als Regisseurin, dass sich Schauspieler dafür hergegeben haben.“
Einen von ihnen nimmt „Verbotene Filme“ in den Fokus: Emil Jannings. Ein Star des Weimarer Kinos („Der blaue Engel“), der seine Karriere nach Machtantritt Hitlers und unter Joseph Goebbels’Ministerschaft (einige seiner Tagebuchfragmente werden ebenfalls verlesen) ungebrochen fortsetzte. Bis zum Schluss im 1945 erschienenen Durchhaltefilm „Kolberg“ von Veit Harlan. Da scheint auch die von Neffe Jörg Jannings attestierte apolitische Haltung Emil Jannings’wenig erbaulich. Rainer Rother, Künstlerischer Direktor der Deutschen Kinemathek, befindet an einem Punkt: „Man muss einen bestimmten Blick entwickeln für diese Filme.“ Vielleicht mithilfe einer DVD-Box? Der Regisseur Oskar Roehler jedenfalls spricht sich in Moellers Film für einen vorbehaltlosen Umgang aus. „Wie gerne hätte ich eine Auswahl, weil ich die nicht gesammelt habe, von so zwanzig NS-Klassikern!“
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