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Die WahrheitHände, äh, hoch!

Kolumne
von Joachim Schulz

Einem Galloway-Stier von einem Kerl ein paar einfache Sätze auf Deutsch beizubringen, ist manchmal alles andere als leicht.

D on schnaubte unwirsch, so dass er aussah wie einer der wütenden Galloway-Stiere, mit denen er angeblich früher einmal trainiert hatte, als er schottischer Juniorenchampion im Freistilringen war. Auch Raimund ­guckte höchst missmutig aus der Wäsche. Seit sechs Wochen war Don in der Stadt und ebenso lange versuchte Raimund, ihm abends im „Café Gum“ Deutsch beizubringen. Noch immer aber konnte Don nur „Hallo, ich heiße Don!“ und „Heute ist schönes Wetter!“ sagen. Wollte er sich hingegen an einem Regentag zum Wetter äußern, musste er auf sein Rateglück vertrauen, was in aller Regel zu Sätzen wie „Heute ist flüssiges Wetter!“ führte. Er war ein hoffnungsloser Fall.

Als er jedoch einige Tage später ins Gum hereinstiefelte, grinste er breit. „I’ve got good news!“, sagte er und erzählte, dass er einen echten Job gefunden habe. Er werde schon am nächsten Tag anfangen und könne sich mit seinem Boss ganz hervorragend auf Englisch verständigen. Fünf deutsche Sätze aber, das war die einzige Bedingung, musste er kennen; sein Boss hatte sie ihm fein säuberlich aufgeschrieben, und so zogen er und Raimund sich zum Intensivkurs zurück.

Bis Mitternacht saßen sie mit rauchenden Köpfen in ihrer Ecke, und diesmal hatten sie tatsächlich Erfolg. Als Don das Gum verließ, grinste er noch immer, und Raimund schnaufte erschöpft, aber glücklich: „Mein Gott, er hat es!“ – „Sehr schön“, sagte ich und ­lächelte gleichfalls.

Als ich indes einen Blick auf den kleinen Zettel warf, den er auf die Theke legte, verflog meine gute Laune schlagartig. „Sind das die Sätze, die ihr gelernt habt?!“, keuchte ich, um Fassung ringend. „Klar“, nickte Raimund. „Und was ist das für ein Job, für den er diese Sätze braucht? Soll er ‚Butch Cassidy and the Sundance Kid‘ neu synchronisieren?“ Raimund zuckte die Schultern.

„Also ich meine, dass ein Satz wie ‚Hände hoch, dies ist ein Überfall!‘ nur für einen Bankräuber von integraler Bedeutung ist“, sagte ich – und wenn Raimund auch meinte, dass es gewiss eine harmlose Erklärung für die Liste gab, ließ er sich schließlich doch dazu überreden, Don zumindest zu beobachten und gegebenenfalls vom Schlimmsten abzuhalten.

Wir passten ihn am nächsten Morgen ab, als er das Haus verließ, und folgten ihm unauffällig. Wir wussten nicht, wie wir den ehemaligen Champ überwältigen sollten, waren aber entschlossen, uns mit vereinten Kräften auf ihn zu stürzen, wenn er Kurs auf eine Bank nahm. Plötzlich aber betrat er den indischen Supermarkt, der wenige Tage vorher eröffnet hatte.

„Himmel!“, japste ich: „Es geht gar nicht um eine Bank, schnell!“ Wir rannten los und stürzten in den Laden. Der indische Besitzer wurde kalkweiß, als wir hereinpolterten. „Don!“, kreischte er: „Help!“

Schon wurden wir von hinten gepackt und zu Boden geworfen, doch bevor er uns die Schultern auskugelte, erkannte uns unser schottischer Freund, und so konnte er uns bei einer Tasse Tee erklären, dass Rachid, sein Boss, eine vielleicht etwas übertriebene Angst vor Überfällen hatte, die ihm, dem ehemaligen Champion, freilich einen ziemlich guten Job bescherte.

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