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BauhausImmer weiterbauen

Kommentar von Ronald Berg

Ein Projekt der Moderne: Im Bauhaus Dessau ist eine neue Dauerausstellung zu sehen. Ein informativer Überblick über die Gründerväter

Von Gropius entworfenes Gebäude in Dessau Bild: dpa

K ritik brachte das Bauhaus neuerlich wieder in die Schlagzeilen: "Die heutige Mischung aus Historie, Weltgeltung und Provinzialität sollte selbstkritisch überdacht werden." Vorgetragen wurde das Verdikt anlässlich der Vorstellung des Blaubuches zu den kulturellen Leuchttürmen in den neuen Bundesländern Ende Februar. Möglicherweise würde "die eigene Vergangenheit eher als Belastung empfunden", heißt es in dem von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Leitfaden.

Omar Akbar, seit 1998 Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau, kann die Kritik an seiner Arbeit nicht verstehen. Denn, so könnte man ihm zugute halten, was heißt hier überhaupt "eigene Vergangenheit". Die erst 1994 gegründete Stiftung, die heute in dem von Walter Gropius entworfenen Bauhausgebäude sitzt, hat mit der "Hochschule für Gestaltung", wie das Staatliche Bauhaus seit seinem Umzug von Weimar nach Dessau 1925 hieß, institutionell nichts zu tun. Die vom Bund, dem Land Sachsen-Anhalt und der Stadt Dessau getragene Stiftung ist weder eine Schule noch eine GmbH zur Vermarktung eigener Designprodukte wie sein berühmter Namenspatron. Auch ein Bauhaus-Museum will die Stiftung nicht sein. Vielmehr sieht Akbar das heutige Bauhaus als Ort der Forschung zu Fragen der "urban studies".

Die Pflege des Bauhauserbes besteht bei der Stiftung hauptsächlich aus diskurstheoretischen Fragestellungen. Anders als im Bauhaus-Archiv in Berlin, das sich tatsächlich als "Museum für Gestaltung" versteht, geht es in der Arbeit des Dessauer Thinktanks in erster Linie um die theoretische Vorbereitung zur praktischen Lösung von Gegenwartsproblemen: Stadtumbau von schrumpfenden Städten in Ostdeutschland, Slumsanierung in Brasilien oder "Transformierungsprozesse in postsozialistischen Ländern". Die historische Beschäftigung mit dem Bauhaus kommt in Forschung und Lehre (für Postgraduierte) der Stiftung, hier "Werkstatt" und "Kolleg" genannt, bestenfalls am Rande vor.

Doch da die Stiftung nun einmal im Bauhausgebäude untergebracht ist und auf dessen Pflege und die Vermittlung der Bauhausgeschichte per Satzung verpflichtet ist, muss sie das Historische mit dem Gegenwärtigen irgendwie unter einen Hut bringen. "Aktualisierung der Moderne" heißt daher die Zauberformel, unter der Bauhausideen in den zeitgenössischen Diskurs über Städtebau einfließen sollen: Wie kann man Wohnungsnot bekämpfen, wie soziales Miteinander räumlich organisieren, wie muss die Umwelt gestaltet sein, damit sie dem Menschen sein Leben erleichtert? Insofern macht es schon Sinn, das alte Bauhaus noch einmal in Erinnerung zu rufen.

Dennoch hat es lange gedauert, bis nun doch noch eine museale Dauerausstellung zu den Dessauer Jahren des Bauhauses von 1925 bis 1932 in das historische Gebäude Bauhausstraße Ecke Gropiusallee eingezogen ist. Soeben war Eröffnung für "Bauhaus Dessau - Werkstatt der Moderne". Der Titel der Ausstellung ist zugleich Programm und Selbstbeschreibung der heutigen Stiftung. Logik und Ästhetik der von der hauseigenen Kunsthistorikerin Kirsten Baumann kuratierten Dauerausstellung sind nicht unbedingt originell. Auffällig sind vor allem die Anleihen bei der Typografie des Bauhauses, was die Ausstellungstexte angeht. Von den mittlerweile rund 25.000 Objekten der Sammlung ist natürlich nur ein Bruchteil zu sehen. Etwa 200 Exponate beherbergt die in den lichten Werkstattflügel hineingebaute Black Box.

Was jetzt zur Bauhausgeschichte präsentiert wird, kann zwar nicht mit spektakulären Kunstwerken der Bauhausmeister prunken, gibt aber einen informativen Überblick über die Lehre am Dessauer Bauhaus. Da in der Sammlung Nachlässe dominieren, ist die Struktur der Ausstellung biografisch bestimmt. Anhand von Dokumenten und Studentenarbeiten kann man die Studienverläufe einzelner Bauhäusler nachverfolgen: Erst die allen gemeinsame Grundlehre bzw. den Vorkurs, danach die spezialisierte Arbeit in den einzelnen Werkstätten, etwa für Metall, Holz, Reklame oder in der Architekturabteilung. Ein Bauhausdiplom von 1930 verzeichnet alle absolvierten Veranstaltungen und zeigt exemplarisch die ganzheitliche und interdisziplinäre Ausrichtung der Bauhausausbildung.

Den drei Phasen des Bauhauses mit ihren verschiedenen Direktoren und unterschiedlichen Ansätzen - Gropius bis 1928, Hannes Meyer bis 1930 und Mies van der Rohe bis 1933 - ist jeweils eine eigne Großvitrine vorbehalten, in denen neben Fotos und Zeichnungen auch Stühle aus Holz von Marcel Breuer oder aus Stahl von Mies, ein Tapetenkatalog, ein Schachspiel oder die berühmte Schreibleuchte von Wilhelm Wagenfeld unterkommen.

Den meisten studentischen Arbeiten ist das Vorbild ihres jeweiligen Lehrers anzusehen: Mies van der Rohes Schüler etwa gerieten alle zu kleinen Mieslingen, die immer nur das variierten, was der Lehrer selbst in seiner Arbeit vorgab. Auch Moholy-Nagys abstrakte Kompositionen oder Oskar Schlemmers anatomische Zeichnungen kehren hier wieder als gelehrige und folgsame Schülerarbeiten.

Mit dem Aufbau einer Sammlung zur Geschichte des Bauhauses wurde übrigens schon zu DDR-Zeiten begonnen: Einzelne Teile daraus waren in der Vergangenheit in diversen Wechselausstellungen auch schon zu sehen. In der Regel waren es Themen, die in Beziehung zur Arbeit der Stiftung standen, etwas zu den "Schrumpfenden Städten", zum "Bauhausstil" oder zur "Ikone der Moderne", dem Gropiusschen Bauhausgebäude selbst.

Omar Akbar hat an diesem Gebäude und seinem Mythos schwer zu tragen. Der Gralshort der Bauhausideen überstrahlt die kleinteilige Arbeit seiner klösterlicher Forschungseinrichtung. Was sind schließlich ein paar Fachpublikationen, die die Stiftung heute herausgibt, gegen die immer noch massenhaft produzierten Freischwinger und Wagenfeld-Lampen, die die Bauhausgedanken von Materialeffizienz und Funktionalität in die Wohnzimmer der Welt tragen?

In Sachen Bauhaus stände "das Kulturelle im Mittelpunkt des Interesses, da ist das Wissenschaftliche zweitrangig", meint daher Paul Raabe. Raabe ist der Autor der bösen Zeilen über das Bauhaus im Blaubuch. Als Direktor bei der Neugründung der Franckeschen Stiftungen in Halle hat er sich Verdienste erworben. Nicht nur ihm schwebt in Dessau wohl eher ein Bauhausmuseum vor, das das Bauhaus zum touristischen Highlight mit Weltgeltung machen soll. Wie das zu bewerkstelligen wäre, erkennt man an Raabes Forderung, das frühere Direktorenhaus zu rekonstruieren. Von Gropius avantgardistischem Wohnhaus mit Flachdach, das im Krieg beschädigt wurde, steht nur noch der Sockel. In den Fünfzigerjahren war darauf ein schlichtes Haus mit Steildach gesetzt worden. Das Haus - wie die restlichen der von Gropius gebauten Meisterhäuser - gehört zwar zum Bauhauserbe, ist aber im Besitz der Stadt Dessau. Die Stiftung Bauhaus hatte sich gegen eine Rekonstruktion ausgesprochen und stattdessen qua Architekturwettbewerb um differenziertere Lösungen gebeten, die die Rezeption des Bauhaus in der frühen DDR erkennbar ließe.

Akbar, ein entschiedener Gegner von Rekonstruktionen, besteht als Wissenschaftler auf einem aufklärerisch-kritischen Umgang mit der Geschichte: "Was für eine Rolle spielt die Moderneidee in der Architektur heute? Wie stehen wir zur Rekonstruktion? Was kann man von alternativen Ansätzen wie Manipulation, Collage, Neutralisation, Redefinition, Reinterpretation und Neubau erwarten? Welche Effekte werden sich bei der Bearbeitung des Direktorenhauses für das Bauhaus, die Stadt Dessau, die Besucher, die Architekturdebatte, das Gesamtensemble und die Denkmalpflege einstellen? Was könnte eine programmatische und formale Antwort auf die Frage einer Aktualisierung der Moderneidee sein?"

Einige dieser Fragen musste die Stiftung bei der Sanierung des eigenen Hauses selbst beantworten. Hier hieß es buchstäblich, Farbe zu bekennen. 1997, ein Jahr nachdem das Bauhausgebäude in die Liste des Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen wurde, begann die grundlegenden Sanierung des Hauses, erst im vergangenen Dezember konnte sie abgeschlossen werden. Kosten: 17,3 Millionen Euro. Der Umgang mit dem Gebäude, das inzwischen rund 80.000 Besucher jährlich anlockt, zeigt exemplarisch, wie das neue mit dem alten Bauhaus umgeht. Radikale Lösungen für das ziemlich marode Haus wurden abgelehnt. Beides, die komplette Rekonstruktion des bauzeitlichen Zustandes von 1926 wie die vollständige Bewahrung all der verschiedenen Zeit- und Nutzerschichten, wurden verworfen. Stattdessen eine mühsame, langwierige und kleinteilige Beurteilung jedes Details: So etwa bei der Vorhangfassade aus Glas und Stahl des Werkstatttrakts, dem programmatischen Fanal für das Neue Bauen. 1976 wurde die im Krieg zerstörte Fassade rekonstruiert, allerdings in Aluminium. Das neue Material verlangte größere Profilstärken.

Die aktuelle Sanierung hat diesen Zustand bewahrt und damit im Grunde die historische Situation der Siebzigerjahre konserviert. An anderer Stelle waren die schmaleren Originalprofile noch erhalten, wurden aber nun mit Klappfenstern im Stile der Zwanzigerjahre versehen. Ähnlich differenziert fielen die Lösungen bei Wand und Bodenrestaurierung aus. Wer heute ins Bauhaus tritt, den wird vor allem die bunte Farbigkeit im Inneren auffallen, die auf den historischen Schwarzweißfotos fehlt. Dem Konzept von Bauhausmeister Hinnerk Scheper folgend, wurden die Wände und Decken wie zu Gropius Zeiten teilweise in Blau, Rot, Gelb und sogar in Rosa gestrichen. Die Eingangstüren zum Gebäude leuchten jetzt in einem knalligem Rot.

Erst die akribische Bauforschung konnte die Vielzahl der Zustände und Zeitschichten dokumentieren. Wissenschaft und Forschung haben also das Bild des Bauhauses gleich zweifach entzaubert. Zum einen hat es die weiße Moderne nur auf den Schwarzweißfotos von Lucia Moholy gegeben, womit das Bauhaus zum frühen Medienstar wurde; zum anderen war die reine Idee des funktionalistischen Bauens, sobald sie konkrete Gestalt angenommen hatte, bald ziemlich unrein: Im Gebrauch des Hauses kamen etliche Dysfunktionalitäten der Architektur zutage. Im Werkstattflügel herrschte Eiseskälte im Winter und Tropenhitze im Sommer. Die neuerlichen Risse im frisch sanierten Steinholzestrich zeigen heute wie damals, dass Idee und Wirklichkeit nicht immer deckungsgleich sind.

Das Bauhaus war und ist auch ein Bau-Haus, das beständig überholt werden muss und damit neue Schichten ansetzt. Auch Moderne kommt nicht ohne Modernisierung aus, und sei es nur, um das historische Dokument vor seinem Verfall zu bewahren und Toiletten und Heizung auf den letzten Stand der Technik zu bringen. Dem Geiste eines Gropius würde der Weiterbau am immer noch unvollendeten Projekt der Moderne sicher eher entgegenkommen als die Rekonstruktion von verschwunden Zuständen der Vergangenheit. Was Omar Akbar "Aktualisierung der Moderne" nennt, meint eben das.

Ausstellung: Stiftung Bauhaus Dessau, Gropiusallee 38, tgl. 10-18 Uhr

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