House: Tanzen und wundern
Wild, fusselig: Der DJ Brennan Green erfand "Beirdo House" und mixt schon mal Staubsauger mit einer Saxofonspur. Jetzt arbeitet er an seinem Plattendebüt.
Manchmal muss es ein Song von Elvis Presley sein, sagt Brennan Green. Die Leute sollen sich fragen, "was legt denn der DJ auf? Oh mein Gott, ich tanze zu Elvis?" Und schon ist die Stimmung auf dem Dancefloor verändert, transzendiert. "Ich möchte nicht nur die Menschen zum Tanzen bewegen", so der Kanadier, "sie sollen sich auch wundern, zu was sie da tanzen."
Beardo House hat man den Stil des in New York lebenden DJs und Produzenten genannt. Wild, fusselig, durcheinander. Mit seiner Mix-CD "Pop your Funk" legte Brennan Green 2005 den Grundstein von Beardo House als musikalischen Freistil, und er trat damit eine Welle los. Greens Mixe und jede seiner eigenen Schallplatten werden inzwischen von einer stetig wachsenden Fangemeinde zwischen Mailand und Berlin, Oslo und Manchester mit Begeisterung aufgenommen. Labels wie Gomma, DFA oder Feedelity bringen heute auch Beardo House heraus. Auch äußerlich entspricht der 32-Jährige ganz dem Hybrid aus beard und weirdo. Seine langen strähnigen Haare hängen ihm bis in die Bartstoppeln, und er wirkt beim Gespräch entspannt, obwohl ihm vor einem DJ-Engagement in München am Flughafen zwei Plattenkoffer abhanden gekommen sind.
All das, was man landläufig unter einem House-DJ versteht, findet sich bei Brennan Green nicht. Er interpretiert House als Gefühl, wie man Musik auflegt. "Je genauer man auf Genre-, Rassen- oder Ländergrenzen blickt, desto mehr verschwimmen sie doch", erklärt er seine Philosophie. "Von Soul und Sinn bleiben nach der Grenzziehung nur noch Gesetzmäßigkeiten übrig, und das finde ich öde."
Um das Laszive und Swingende an Tanzmusik zu betonen, drosselt Green das Tempo beim Auflegen unter 120 bpm. Ähnlich wie die klassischen House-DJs mixt er zwar auch die Beats zu einem unendlichen Track zusammen, er nimmt die Musik dabei jedoch wieder auseinander, wie ein Automechaniker ein reparaturbedürftiges Fahrzeug. Green zieht einzelne Spuren aus den Songs, besonders perkussiven Klangelementen gilt seine Aufmerksamkeit, die er nach dem Freilegen minutenlang mit Effekten versieht.
Brennan Greens Mix "Pop your Funk" funktioniert wie eine mehrstündige Radiosendung: Zu hören ist ein nicht abreißender Strom interessanter Musik, Effekte und Gedanken, die zusammengenommen etwas Neues ergeben. Ein Staubsauger röhrt zu einer Saxofonspur, ein Dubmix der Postpunkband The Slits wird mit Soundeffekten aus einem Horrorfilm gekoppelt und John Lydon krakeelt zur Discomusik von Jimmy Bo Horne.
Green lässt die Stile eher beiläufig aufeinander los, es ist kein zwanghafter Crossover, den er betreibt. Auch aus bereits bekannten Songs und Tracks holt er immer wieder ungeahnte Nuancen heraus. Creedence Clearwater Revival wird in seinen Händen zu trippigem Trance mit einer Vibrato-Hackepetergitarre.
Schuld daran haben die Kopfhörer. Als Jugendlicher hat sich Brennan Green Musik nur per Headphones angehört. Natürlich sei es wunderbar, auf einer guten Anlage laute Clubmusik zu hören, sagt er, "aber der Reiz an der Idee der endlosen Musik ist der, dass man zu ihr immer wieder zurückgehen kann, um etwas darin Verstecktes zu entdecken. Musik, die ich mag, legt großen Wert auf Details". Lieber als die kickende Bassdrum ohne Substanz ist ihm das Zeitlose. "Die zwanzig Songs des Bluesmusikers Robert Johnson haben eine Dringlichkeit im Songwriting, die sich trotz der schlechten Klangqualität überträgt", findet Green. Anders als in den Neunzigern, ist der DJ heute kein Schamane, zu dessen amtlicher Inszenierung auf der Kanzel alle ehrfürchtig aufblicken. Brennan Green versteht sich als Dienstleister, der im Hintergrund für die Untermalung sorgt. Menschen zum Tanzen zu kriegen, ist schwer genug. In dieser Reduktion aufs Wesentliche sieht Green aber eine Chance.
Angefangen hat er 1998 als Produzent. "Ich legte mir ein gebrauchtes Keyboard zu, gelangweilt vom Plattenkaufen. Dann war ich auch gelangweilt von den anderen DJs. Als ich das nächste Mal über Musik nachgedacht habe, war ich schon knietief beim Produzieren." Natürlich hat er sich an einem Four-to-the-Floor-Beat versucht, ihn aber nicht hinbekommen. Er kann ihn bis heute noch nicht programmieren. "Ich wünschte, ich hätte ein Gespür für ein bestimmten Sound, aber jede meiner Platten klingt völlig anders. Das ist inzwischen zu meinem Markenzeichen geworden." Green veröffentlicht auf seinem eigenen kleinen Label Chinatown, sowie auf Labels von Freunden. Die Platten sind seine Visitenkarten, wie er sagt. Ihretwegen wird Brennan Green auch als DJ gebucht. Im Moment sitzt er an seinem Debütalbum, das in monatelanger Arbeit entsteht. Zu Hause in New York vergräbt sich Brennan Green, jammt mit Freunden in seiner Wohnung, die über einem Chinarestaurant im Bedford-Stuyvesant-Viertel von Brooklyn liegt. "Wenn ich Musik höre, die mir gefällt, lege ich alle Zurückhaltung ab. Dann möchte ich etwas produzieren, was besser ist. Vielleicht werde ich es niemals schaffen, aber ich werde auch nicht damit aufhören."
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