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Spiel mit dem Unerklärlichen

IDENTITÄTSVERWEIGERUNG Techno bekommt erneut etwas von Geheimwissenschaft und Mysterienspiel, wenn Redshape seine Maske aufsetzt und performt: Techno der klassischen Schule, die nach dunklen Legenden klingt

Dieses Leben vor der Maske soll durch die Maske ausgelöscht werden, einfach keine Rolle mehr spielen

VON ANDREAS HARTMANN

Plötzlich ist alles ganz unspektakulär. Redshape, der mysteriöse Maskenmann, der neue Star aus der Berliner Technoszene, hält seine wahre Identität geheim. Bei seinen Liveauftritten im Club trägt er eine mit Hochglanzlack besprühte weinrote Maske aus dem Theaterbedarf. Nun steht er vor mir an der Ankerklause. Ohne Maske. Dafür mit ostdeutschem Akzent und seiner Freundin, die fortan nicht von seiner Seite weicht.

Als Redshape wird er, dessen Debütalbum „The Dance Paradox“ gerade erschienen ist, gefeiert als die neue Techno-Offenbarung. Internationale Größen des Techno wie Laurent Garnier sind Fans. Weltweit wird er jedes Wochenende gebucht, oft gemeinsam mit der Detroiter Techno-Ikone Carl Craig. „Die Veranstalter finden, wir passen gut zusammen“, sagt der junge Mann. „Anfangs war Carl ziemlich reserviert, inzwischen erzählt er mir von seinem Vater und so was.“

Es ist, als hätten alle nur auf einen wie Redshape gewartet, auf jemanden, der keinen Klicker-Klacker-Minimal produziert, sondern deepen Detroit-Techno der klassischen Schule. Redshape ist eher Tresor als Berghain, eher Hardwax als Beatport, eher Ecstasy als neue Designerdroge, eher Analogsynthesizer als Laptop. Und er zieht diese Identitätsverweigerungsnummer durch, so wie die Großen des Detroit Techno, Underground Resistance, Drexciya oder Dopplereffekt – die Klassiker, um die sich heute Legenden ranken. Es ist, als käme Redshape aus einer anderen Zeit, aus den frühen Neunzigern, und als hätte es die Loveparade und Paul Van Dyke noch nicht gegeben.

Es gibt einen ganz profanen Grund für die Maske. Redshape, der seinen bürgerlichen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, hatte bereits eine Karriere als Technoartist am Laufen, bevor er sich als Maskenmann neu erfand. Seine Musik war damals eher hart und schnell, nicht dunkel dräuend, verspielt und atmosphärisch wie heute. Dieses Leben vor der Maske soll durch die Maske ausgelöscht werden, einfach keine Rolle mehr spielen.

Die Maske ist die Delete-Taste von Redshape.

Für Unruhe sorgen

Der andere Grund ist: Die Maske passt einfach perfekt zu Redshape und seinen Sound. Sie steht für das Geheimnisvolle, Unerklärliche im Techno, man hat das Gefühl, Techno ist plötzlich wieder mehr als funktionale Unterhaltungsmusik für den Club, ist erneut Geheimwissenschaft und Mysterienspiel. Man denkt an Filme wie „Vanilla Sky“ oder „Eyes Wide Shut“, in denen die Maskierung die Ordnung durcheinanderbringt, für Unruhe sorgt.

Redshape ist seit Sidos Remodelling der letzte Maskenmann der Stadt, der ohne Berufskleidung in jedem Club eine Cola bestellen kann, ohne erkannt zu werden. Doch auf der Bühne, bei seinen Liveauftritten – Redshape ist im Club kein DJ, sondern Live-Act – ist er dann der andere, der mit dem rotlackierten Gesicht, und er ist es voll und ganz. Vor seinem Set bückt er sich, streift sich die Maske über, blickt auf die schon jetzt tobende Menge und ist dann 90 Minuten lang Redshape, die Kunstfigur. „Während der Show herrscht absolute Anspannung. Ich kann wegen der Maske nichts trinken und auch nicht rauchen.“

Redshape mit und ohne Maske, das ist wie Yin und Yang. Privat, denn beim Milchkaffee in Kreuzberg ist keine Exzentrik oder Überspanntheit, keine Show. „Relativ bodenständig“ sei er, sagt Redshape über sich selbst. Ein supersympathischer Ossi ist der Endzwanziger, der in der Nähe Dresdens aufgewachsen ist, bereits seit zehn Jahren mit seiner Freundin zusammen ist und privat am liebsten Rockmusik hört, Smashing Pumkins und so etwas, am liebsten aber die Pixies.

Rockelemente gibt es sogar auf seinem Album. Der Drummer von T. Raumschmiere hat ihm ein paar Drumkicks eingespielt, die Redshape passgenau in einen seiner Tracks eingefügt hat. Demnächst soll es die Versuchsanordnung Techno mit Live-Drummer auch im Club zu hören geben.

■ Redshape: The Dance Paradox (Delsin)

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