Kommentar: Das Beton-Ressort
Der Bundesminister für Bau und Verkehr, Wolfgang Tiefensee, galt dereinst als Hoffnungträger. Nun müsste er diese Hoffnunen auch erfüllen.
A ls Wolfgang Tiefensee vor knapp zwei Jahren das Bundesministerium für Bau und Verkehr übernahm, galt er als Hoffnungsträger. Als charismatischer Leipziger Oberbürgermeister hatte er sich einen Namen gemacht. Ein menschlicher Modernisierer, ein positiver Ossi, der die Chancen der Wiedervereinigung nutzt und dabei die Menschen mitnimmt. Sozialdemokratie im besten Sinne.
Tiefensee sollte für neue Impulse im Bau- und Verkehrsministerium sorgen. Denn das war nicht erst in den Jahren des bedächtigen Manfred Stolpe zum trägen Koloss geworden, in dem Betonköpfe in der Verwaltung eine zukunftsfähige Politik verschleppten. Ärgerlich, denn dem Ministerium kommt wegen seines riesigen Etats und seiner Entscheidungskompetenz beim Thema Bahn, Autoverkehr und Städtebau eine zentrale Rolle in der Ökologisierung Deutschlands zu.
An diesem Modernisierungsanspruch ist Tiefensee bislang gescheitert. Das zeigt auch das aktuelle Beispiel Bahnprivatisierung. Verfassungsrechtliche Bedenken der Justizministerin und die berechtigte Angst vor einem Freifahrtschein für das Bahnmanagement aus dem Wirtschaftsressort prallen ab, der überarbeitete Gesetzentwurf bleibt im Kern so konzernfreundlich, wie er es von Anfang an war. Mit der Automobilindustrie legt sich Tiefensee trotz aller Klimaproblematik auch nicht an, ein Tempolimit bleibt ebenso tabu wie eine Pkw-Maut oder saftige Steuern für Spritschlucker.
Wollte der Mann aus Leipzig in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit doch noch die Hoffnung erfüllen, die man in ihn gesetzt hat - er müsste sich mit vielen anlegen. Als Erstes mit Bahnchef Mehdorn. Doch das hat erst einer gewagt. Tiefensees Vorvorgänger Kurt Bodewig (SPD) forderte auf einem grünen Parteitag, dass das vom Steuerzahler finanzierte Schienennetz vom Staat kontrolliert werden soll. Das überlebte er politisch nicht, dazu konnten Mehdorn und der damalige Kanzler Schröder zu gut miteinander. Mit der Kumpanei von Bahn und Kanzleramt ist es mittlerweile vorbei. Tiefensee könnte zum Angriff übergehen. Er müsste sich nur trauen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen