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die wahrheitTraktor gegen Kernkraftwerk

Sommerpause im Fußball. Zeit, um Fragen zu stellen: Warum sind viele Vereinsnamen eigentlich so einfallslos? Und warum gibt es im Osten die schönsten Ausnahmen?

Der Name eines Fußballvereins erklärt einfach alles Bild: dpa

Vorn der VfB, dann S04 und Werder, unten: FSV, Alemannia und Borussia. Dazwischen lauter 1. FCs und VfLs. In punkto Namenswitz liegt die Bundesliga etwa auf der Ebene einer Volksmusikmoderation. Auch in den niederen Gefilden der organisierten Fußballtreterei prangen allerorten schnöde Kürzel einsam vor dem Ortsnamen auf den Trikotlogos. Allerdings entdeckt man dort noch am ehesten wirklich merkwürdige Vereinsnamen: Vorwärts Wacker Billstedt, Rasensport 1890 Elmshorn, Glückauf Wattenbach, Sachsenroß 1891 Hannover, Sparta 1970 Göttingen, Olympia Bocholt 1911.

Aus einer versunkenen Welt der Vereinsbezeichnungen finden sich dagegen in den ostdeutschen Ligen zahlreiche Zeugnisse. Hier gibt es vor allem für Westler rammsteinhaft anmutende Ballervereine wie Motor Eberswalde, Stahl Brandenburg, Fortschritt Lichtenstein. Da lebt die DDR munter fort. In der galt: Den Sozialismus in seinem fußballerischen Lauf hält zumindest sprachlich nichts auf. Vorwärts, Lokomotive, Empor - im Namenszug ging es oft stürmisch voran. Zwar war auch in der DDR der Ball rund und ein Spiel hatte 90 Minuten, aber ansonsten setzte die Diktatur des Proletariats im Vereinswesen neue Zeichen und Begriffe. Der Sieg der Arbeiterklasse über die Bourgeoise sollte sich auch im Spielbetrieb zeigen.

Bürgerliches Traditionsvokabular wie Eintracht, Viktoria und sogar die Zahlen früher Gründungsjahre wurden oft ersetzt durch Symbolbegriffe für die neue Zeit. Die Ergebnisse hießen: Aktivist Schwarze Pumpe oder Aufbau Magdeburg. Neutrales sprachliches Vorspiel wie bei Hansa Rostock, Sportfreunde Johannisthal oder Union Berlin war die absolute Ausnahme und hob die Teams bereits aus der Masse heraus. Mannschaften wie Einheit Wernigerode konnten gar mit doppeldeutigem Namen ins Spiel gehen. Offiziell stand der Name Einheit simpel für die Zugehörigkeit zum staatlichen Verwaltungswesen.

Alle Klubs oder Betriebssportgemeinschaften (BSG) waren eng mit Betrieben und Kombinaten verbandelt. Chemie Böhlen, Stahl Eisenhüttenstadt, Brauereien Pankow bezeugten die Branchenvielfalt der DDR-Volkswirtschaft. Vorwärts-Mannschaften hingen am Tropf der NVA, Dynamo-Teams an dem von Polizei oder Stasi. Die Landwirtschaftsbetriebe wiederum ließen ihre Mannschaften gern als BSG Traktor das Fußballfeld beackern. Wenngleich sie dabei kaum Erfolge ernteten, pflanzten sie immerhin jedem Ost-Fußballfan den wohl schönsten Vereinsnamen auf ewig ins Gedächtnis: Rotes Banner Trinwillershagen! "Rotes Banner" hieß die LPG des sozialistischen Vorzeigedorfs an der Ostseeküste. Unweit von dort gab es in der DDR jedoch ein Konkurrenzteam, dessen ebenfalls an den Trägerbetrieb angelehnter Name alles überstrahlte: Kernkraftwerk Greifswald. Er wurde auch nach dem GAU in Tschernobyl nicht abgelegt.

Das geschah erst nach dem Mauerfall, als die Vereinsumbenennungen zum Massensport gerieten. Plötzlich standen auf den Emblemen Namen wie Germania Halberstadt oder VfB Chemnitz, welcher aus Motor "Fritz Heckert" Karl-Marx-Stadt hervorging, einem Verein, bei dem immerhin Michael Ballack 1983 seine Laufbahn begann. Der BFC Dynamo versuchte sein Negativimage als Stasi-Klub durch die Umbenennung in FC Berlin abzustreifen. Nachdem die alten Erfolge mit dem neuen Namen jedoch nicht wiederkamen, wurde eine erneute Kehrtwende vollzogen. Und auch der 1. FC Lok Leipzig feierte im Jahr 2004 seine Auferstehung. Zwar ganz unten in der 11. Liga, aber dafür umso fröhlicher.

Dass Namen Schall und Rauch sind, weiß allerdings niemand besser als die Österreicher. Im Fußballtitanenland gilt längst: Wer zahlt, der ziert - auch das Wappen der Vereine. Die Liga-Tabelle liest sich nicht nur wie ein Firmenverzeichnis, die Vereinsnamen wechseln teilweise öfter als Spieler in einer Partie mit Verlängerung. Der SC Untersiebenbrunn verkaufte seinen Namen an den Meistbietenden und wurde so zum SC Interwetten.com, bis er Pleite ging. Aus Pasching wurde im Namen eines örtlichen Einkaufszentrums der SV PlusCity und daraus der FC Superfund. Superfund ist der Markenname einer Produktpalette des Hedge-Fonds-Anbieters Quadriga. Austria Salzburg mutierte erst zu Casino, dann zu Wüstenrot und zuletzt zu Red Bull Salzburg. Was noch relativ prickelnd klingt im Vergleich zu SV Stadtwerke Kapfenberg oder dem Haarwuchsmittelklub FC Capillaris Innsbruck, der davor mal Wacker Innsbruck hieß und danach unter anderem FC Tirol Milch.

In Deutschland ist man noch nicht ganz so weit. Wenn dort Firmen in den offiziellen Vereinsnamen integriert sind wie bei Bayer Leverkusen oder SG Quelle Fürth, hat das historische Wurzeln: Sie gingen ganz oder teilweise aus den Betriebsmannschaften hervor. Aber nachdem die Stadiennamen reihenweise verkauft werden, dürfte es wohl nicht lange dauern, bis die Klubs auch ihre traditionellen Vorsilben verhökern. Gasprom Gelsenkirchen klingt jedenfalls besser als FC Meister der Herzen.

Die Ideen an der Fußballbasis sind da schon besser. Nirgendwo gibt es schönere Vereinsnamen als in den Freizeitligen, wo Torschusspanik Witten/Ergste, SG Blaues Wunder Hannover oder Hand Gottes II auflaufen. Leider spielt Maradona in letzterer nicht mit.

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