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TarifstreitBahn erhöht Druck auf Lokführer

Der Konzern verschickt Briefe an alle Beschäftigten - mit einem Angebot: Wer dem Tarifabschluss zustimmt, bekommt sofort 600 Euro.

Erklärung gefordert: Lokführer Bild: dpa

BERLIN taz Die Tätigkeit eines Lokführers ist einsam - und ebenso können sich die streikwilligen Zugführer mittlerweile fühlen: Einen Tag nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Bahn AG und der Gewerkschaft der Lokführer (GDL) haben Bahn, Bund und die anderen Bahngewerkschaften den Druck auf die Lokführer erhöht. So verschickt die Bahn nun Briefe an alle Beschäftigten des Unternehmens, in denen sie eine Erklärung zu dem Tarifabschluss fordert, den Bahn und die Bahngewerkschaften Transnet und GDBA vor knapp zwei Wochen vereinbarten. Demnach sollen die Bahner 4,5 Prozent mehr Lohn ab 1. Januar 2008 erhalten. Dies reicht der GDL nicht aus, sie verlangt nach eigenen Angaben eine Lohnerhöhung von mindestens 31 Prozent für das Fahrpersonal.

Der Brief, den die Bahn am Freitag an rund 140.000 Beschäftigte verschickte, hat es in sich. "Wir wollen keine widersprüchlichen Tarifverträge und Mitarbeiter erster und zweiter Klasse", heißt es darin. Für alle solle der jüngst erreichte Tarifabschluss gelten. "Dies kann aber nur dann der Fall sein, wenn nicht andere Forderungen aufgestellt werden oder sogar dafür gestreikt wird." Die Bahn fordert ihre Beschäftigten auf, sich zu erklären, ob der Tarifabschluss für sie gelte. Dies sei der Fall, wenn sie Mitglied von Transnet, der GDBA oder kein Gewerkschaftsmitglied seien.

Sollte die Beschäftigten die Frage bejahen - nach einer konkreten Mitgliedschaft wird jedoch nicht gefragt -, können die Beschäftigten die tariflich vereinbarte Einmalzahlung in Höhe von 600 Euro noch im August erhalten, so das Angebot des Konzerns. Die Bahn stehe zum "Prinzip der Tarifeinheit", erläuterte Bahnvorstand Margret Suckale in einer Telefonkonferenz. Das Versenden der Briefe bedeute keine Spaltung der Belegschaft.

Das Signal des Briefes ist dennoch eindeutig. Wer bis zum 30. Juli unterschreibt, bekommt das Geld; die anderen gehen leer aus. Zudem isoliert dieser Schachzug die kampfbereiten GDL-Mitglieder: Je nach Rücklauf der Briefe lässt sich nämlich feststellen, wie viele Beschäftigte überhaupt hinter den GDL-Forderungen stehen. Sollte dies nur ein relativ kleiner Teil der gesamten Belegschaft sein, würde es für die übrig bleibenden GDL-Mitglieder schwieriger werden, im August zu streiken. Am Montag will die GDL die Urabstimmung für einen unbefristeten Streik einleiten, das Ergebnis soll Anfang August vorliegen. Danach könnte der Ausstand beginnen.

Auch der Eigentümer der Bahn, der Bund, macht nun Druck. "Ich mahne, eine Lösung zu finden, die einen guten Kompromiss für die Tarifpartner darstellt, und gleichermaßen das Interesse der Kunden und Reisenden zu beachten", sagte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD). Ein Streik sei abzuwenden. Der Bund, der die Bahn an die Börse bringen will, dürfte kein Interesse an hohen Tarifabschlüssen haben. Transnet-Sprecher Michael Klein appellierte indes an die Lokführergewerkschaft, "ihren tarifpolitischen Crashkurs zu beenden und wieder in die Eisenbahnerfamilie zurückzufinden".

RICHARD ROTHER

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4 Kommentare

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  • IN
    Ihr Name Alster

    31%-mehr Lohn sind natürlich unrealistisch. Aber Managergehälter

    mit dem 200-fachen eines Facharbeiters sind unverschämt.

    Wenn obendie mit Ethik vorangehen

    werden die da unten kein schlechtes

    Beispiel annehmen.

  • FF
    Franz Fröhlich

    Auf in die Urabstimmung, für den

    Hungerlohn von netto 1.600,00 ? werden alle

    Räder auf unbestimmmte Dauer still stehen!

    GDL hat eine starke Verhandlungsposition

    und braucht sich auf gar keinen Fall mit

    mit der Abnickergewerkschaft TRANSNET

    solidarisch zu erklären!

    30.000 Lokomotivführer lassen sich nicht

    durch Leiharbeiter ersetzen die man nur bei einem Sklavenhändler wie MANPOWER usw. abzurufen braucht.

  • FH
    Freia Hagens

    Liebe Petra, so einfach ist die Welt leider nun auch wieder nicht. Bei den gesteigenen Vorstandsgehältern (hauptsächlich Erfolgsprämien) kann man auch mit Fingern auf andere Großkonzerne zeigen, wo auch gut und gern das fünffache verdient wird.

     

    Der Lokführer an sich trägt indes gar nicht so eine Verantwortung, die ihm die GDL gerne zuschreiben möchte. Er ist immer mehr der Überwacher des automatisch fahrenden Systems - und vermutlich in längerfristiger Zukunft ein Auslaufmodell. Im Unterschied zu Autos fahren Züge nicht "auf Sicht", sondern durch Signaltechnik geführt. Moderne Züge machen das auch ganz von alleine, Beschleunigen und Bremsen inklusive.

     

    Die Verantwortung für die Sicherheit des Betriebs liegt viel mehr beim Fahrdienstleiter, dem Weichensteller. Diese Menschen sind übrigens auch im gleichen Schichtdienst und mit gleichen Wochenendarbeitszeiten belegt. Sie tragen die gleichzeitige Verantwortung für ein Bündel von Zügen - also "unzählige Leben" mal x.

     

    Und mit welcher Begründung soll der Lokführer nun einen derart hohen Lohnzuschuss erhalten? Nur weil die Briefzustellerin auch überbezahlt ist und zudem durch das Beamtenverhältnis eine irrsinnige sozialstaatliche Absicherung hat, die für die meisten Menschen wie ein schönes Märchen aus vergangenem Jahrhundert klingt?

     

    Die Zeit der Monopollöhne ist vorbei.

  • PG
    petra glinka

    Lokführer fordern mehr Geld

    19. Juli 2007

    Ist das unverschämt?

    Aber selbstverständlich, denn immerhin wollen sie 31% mehr Lohn, (diese %e beinhalten allerdings schon sämtliche Nachtzuschläge usw.). Daß sich die Führungsköpfe des Bahnvorstandes ihre Gehälter mal eben so um etwas mehr als 260 (zweinhundersechzig!)% erhöht haben, spielt natürlich hierbei keine Rolle. Nun gibt es Leute die sagen, ?ich verdiene so wenig und arbeite so viel, deshalb soll es dir nicht anders gehen?. Das ist die richtige Einstellung und freut den deutschen Arbeitgeber - Unrecht muss mit Unrecht ausgeglichen werden. Hoch lebe das Kapital! Ein Lokführer, der für unzählige Leben verantwortlich ist, der in drei Schichten ohne jeglichen Rythmus arbeitet und dafür je nach Alter mit 1900,- bis 2100,- BRUTTO nach Hause geht, ist aber auch zu unverschämt, wenn er mehr Lohn fordert. (Zum Vergleich: eine Briefzustellerin im Beamtenverhältnis in den westlichen deutschen Bundesländern bekommt etwa 2300,- Euro NETTO). Auch grenzt es an Dekadenz, einen eigenen Tarifvertrag für Lokführer zu fordern - er soll gefälligst zufrieden sein, daß seine Interessen mit denen der in der Verwaltung arbeitenden Büroangestellten = 5-Tage-Einschicht-Woche, gleichgestellt werden, sprich: sie, die Lokführer werden nicht wahrgenommen. Und das ist auch gut so.

    Für die Chefs.

    Weil kostengünstiger.

    Die nächste Gehaltserhöhung für den Vorstand darf ja nun mal nicht flöten gehen! Eines wundert mich aber noch, keiner regt sich auf, daß ein Fußballer in drei Spielzeiten oder weniger, mehr als ein Lebensarbeitsentgeld eines Ottonormalverdieners bekommt, keiner regt sich über Topmodels auf, die Millionen verdienen, weil sie Schlüpfer vorführen oder anderweitig kreativ sind, keiner regt sich auf über, über,über?., aber alle bezahlen es mit!

    In diesem Sinne: allzeit gute Fahrt und vielleicht ein wenig weniger Frust, wenn der Zug mal später kommt.