Darfur: Größter Friedenseinsatz der Welt

UN-Sicherheitsrat beschließt Entsendung von 26.000 Mann. Der Einsatz im Sudan soll Ende des Jahres beginnen. Doch Hilfsorganisationen bleiben skeptisch. Deutschland macht nicht mit.

Chinesische Blaumützen auf dem Weg nach Dafur Bild: ap

Ein Land mit einigen der brutalsten Kriegen der Welt soll demnächst die weltgrößte UN-Friedenstruppe empfangen. Der UN-Sicherheitsrat stimmte in der Nacht zu gestern einstimmig für die Entsendung von bis zu 19.555 Soldaten und 6.432 Polizisten in Sudans Kriegsregion Darfur. Sie bilden eine "hybride" Mission aus Truppen der UNO und der Afrikanischen Union (AU). Die bisherige AU-Truppe in Darfur (Amis) wird Kern dieser Mission "Unamid", die zur Jahreswende 2007/08 Amis ablösen soll.

In Darfur wurden seit dem Beginn eines bewaffneten Aufstands 2003 rund die Hälfte der sechs Millionen Einwohner entweder getötet oder vertrieben, meist von staatlichen Sicherheitskräften beziehungsweise staatlich ausgerüsteten Milizen. Bisher lehnte Sudans Regierung ab, dass schlagkräftige und logistisch unabhängige ausländische Truppen dagegen eingreifen. Sie war daher gegen eine UN-Mission, unterstützt von China, dem größten Auslandsinvestor im boomenden Ölland Sudan.

Nun hat Sudans Regierung ihre Unterstützung der neuen UN-Resolution 1769 zugesagt, die unter chinesischer Ratspräsidentschaft zustande kam. Voraussetzung dafür war, dass die schwache AU den Kern der UN-Truppe bildet. Der UN-Beschluss wurde überdies vor seiner Verabschiedung gegenüber den ursprünglichen Entwürfen stark verwässert. Weder die Durchsetzung des UN-Waffenembargos für Darfur noch Sanktionen gegen Behinderer des Friedensprozesses sind in der Endfassung enthalten. Gestrichen wurde auch, dass Unamid "Angriffe auf und Drohungen gegen Zivilisten verhüten" soll.

Der erste Entwurf verwies für das genaue Mandat der Truppe auf die Paragrafen 54 und 55 des ersten gemeinsamen Berichts von AU und UNO vom 23. Mai über die Struktur der geplanten Mission, mit sehr robusten Eingreifklauseln, darunter "aktive Patrouillen" zur Überwachung von Vertriebenenlagern und entmilitarisierten Zonen. Das fehlt jetzt komplett. Nun beschränkt sich das Mandat der Truppe neben Selbstschutz auf Unterstützung des Darfur-Friedensabkommens, Verhinderung bewaffneter Angriffe und "Schutz von Zivilisten" ohne nähere Ausführung. Solche Mandate erlauben es, im Konfliktfall untätig zu bleiben.

Der als Unamid-Chef vorgesehene Diplomat Rodolphe Adada aus Kongo-Brazzaville stellte vor kurzem klar, die neue Truppe sei "eine Unterstützung der sudanesischen Regierung". Er führte aus: "Im Prinzip liegt es an Sudans Regierung, dass es keine Unordnung und keine Massaker auf ihrem Staatsgebiet gibt. Die internationale Gemeinschaft kommt, um auszubügeln, wozu Sudans Regierung nicht in der Lage ist." Als gäbe es die Massaker in Darfur trotz und nicht wegen der Politik des Sudan.

Erste Differenzen traten bereits gestern zutage. Sudans UN-Botschafter Abdelmahmud Mohammad sagte, die Resolution bedeute "keinen Blankoscheck" für die UNO, sondern UN-Truppen müssten vor Einsätzen zum Schutz von Zivilisten die Zustimmung der sudanesischen Regierung einholen.

Die Stationierung der Truppe dürfte dauern. Nach Vorstellungen des französischen Außenministers Bernard Kouchner sollen zunächst ab Oktober 3.000 afrikanische UN-Soldaten die AU-Truppe auf 10.000 Mann verstärken. Später sollten Truppen aus Asien und Frankreich dazustoßen. Deutschland lehnte gestern eine Beteiligung ab.

Schon ab Oktober soll laut Kouchner die UNO die komplette Finanzierung der AU-Truppe übernehmen, die bisher von der EU geleistet wird. Die EU soll sich stattdessen auf Sudans Nachbarland Tschad konzentrieren. 236.000 Flüchtlinge aus Darfur leben im Osten Tschads, und weitere 173.000 Tschader sind auf der Flucht. Am 23. Juli beschlossen die EU-Außenminister, die Entsendung einer Polizeitruppe nach Ost-Tschad zu prüfen. Ihren Kern sollen die ständig im Tschad stationierten 1.100 französischen Soldaten bilden.

Sudans Regierung steht dieser Idee aufgeschlossen gegenüber, vermindert sie doch den Druck, europäische Truppen lieber direkt nach Darfur zu entsenden. Maßgeblich wird allerdings die Haltung Libyens sein, dessen Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi sowohl 1989 dem sudanesischen Präsidenten Omar el-Beshir als auch 1990 dem tschadischen Präsidenten Idriss Déby militärisch an die Macht verhalf. Heute wird Darfurs zweitgrößte Rebellenbewegung JEM (Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit), die Sudans Islamisten nahe steht, von Libyen unterstützt, das zugleich Sudans Regierung bei der Verfolgung der zivilen Opposition hilft.

Besonders wichtig ist Libyens Rolle jetzt für die UNO, denn ein UN-Mandat der Umsetzung eines Darfur-Friedensabkommens setzt voraus, dass es ein Friedensabkommen gibt. Im Mai 2006 wurde schon einmal ein Darfur-Friedensabkommen geschlossen, aber es unterschrieb nur ein einziger Rebellenführer: Minni Minawi, damals noch Führer der wichtigsten Darfur-Rebellenorganisation SLA (Sudanesische Befreiungsarmee). Alle anderen lehnten es ab, und Minawi ist heute isoliert.

In Libyen startete Mitte Juli auf einer von der UNO und AU einberufenen Konferenz der Prozess, ein neues Darfur-Friedensabkommen zu basteln. Auf dem Treffen wurde vereinbart, ab 3. August alle wichtigen Darfur-Rebellen in Tansania zusammenzubringen, um eine gemeinsame Position im Hinblick auf neue Gespräche mit Sudans Regierung zu besprechen. Der Erfolg dieses Treffens wird auch über das Schicksal der UNO im Sudan mitentscheiden.

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