Kommentar: Die böse Seuche Unvernunft
Nach dem letzten Ausbruch der Seuche wurde in Großbritannien heftig über die Zukunft der Landwirtschaft diskutiert. Doch getan hat sich nichts.
D ie Nachricht entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Ausgerechnet ein Labor, in dem ein Impfstoff gegen die Maul- und Klauenseuche entwickelt wurde, ist für den erneuten Ausbruch der Seuche in Großbritannien verantwortlich. Darüber hinaus ist dieser Impfstoff nicht mal für Großbritannien bestimmt, er darf dort nicht verwendet werden.
Ralf Sotscheck, 53, berichtet seit 22 Jahren für die taz aus Dublin.
Nachdem die Seuche nach ihrem letzten Ausbruch im Januar 2002 besiegt war, setzten heftige Diskussionen über die Zukunft der Landwirtschaft ein. Eine Untersuchungskommission empfahl eine neue "nationale Strategie" zur Seucheneindämmung, die damalige Landwirtschaftsministerin kündigte ein Impfprogramm an, denn die Bilder von brennenden Scheiterhaufen mit Millionen von Tieren gingen um die Welt und waren nicht eben imagefördernd.
Doch getan hat sich nichts. Das Image des Landes ist der mächtigen Allianz aus Lebensmittelindustrie und Großbauern egal. Die Regierung ist wieder mal vor dieser Allianz eingeknickt - wie im April 2001. Schon damals hatte sich Premierminister Tony Blair eigentlich für ein Impfprogramm entschieden, 500.000 Präparate waren bereitgestellt. Das Programm wurde in letzter Minute gestoppt, weil die Lebensmittelunternehmen, allen voran Nestlé, es so wollten.
Hätte man geimpft, hätte Großbritannien seinen Status als seuchenfreies Land verloren, mindestens ein Jahr lang hätten keine Tierprodukte exportiert werden dürfen. Nestlé wäre auf seinem in England hergestellten Milchpulver für Entwicklungsländer sitzengeblieben. Ohne Impfungen konnte man dagegen schon drei Monate nach dem letzten Fall wieder exportieren.
Auch für die Großbauern sind tote Tiere wertvoller als geimpfte. Letztere sind unverkäuflich, und es gibt für sie keine Entschädigung. Jeder brennende Scheiterhaufen bescherte den Bauern dagegen Bares. Gar nicht erst in Erwägung gezogen wird daher die vernünftigste Alternative: nichts zu tun. Die Maul- und Klauenseuche ist für Menschen ungefährlich, und die meisten Tiere überwinden sie nach wenigen Wochen. Aber dann sind sie unverkäuflich. Die Seuche selbst ist also nicht das Problem. Es ist die Reaktion darauf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!