Kommentar: Vom Ende einer Werbebotschaft

Neurentner erhalten heute deutlich weniger Geld als früher. Damit kehrt die Sorge vor einer wachsenden Altersarmut nach Deutschland zurück.

Seit langem wurde davor gewarnt, nun ist es amtlich: Neurentner erhalten heute deutlich weniger Geld als früher. Laut der Deutschen Rentenversicherung bekommt, wer heute im Westen in den Ruhestand tritt, zehneinhalb Prozent weniger Rente. Im Osten sind es über fünf Prozent.

Und dies, obwohl die Rentenreformen der vergangenen Jahre noch nicht einmal greifen. Sie betreffen erst die Generation, die etwa ab dem Jahr 2030 aufhört zu arbeiten. Neben Reformen wie dem von Rot-Grün eingeführten Nachhaltigkeitsfaktor oder der längeren Lebensarbeitszeit werden Massenarbeitslosigkeit und veränderte Erwerbsbiografien zu Buche schlagen. Im Osten sinken die Renten schon deshalb, weil kaum noch Arbeitnehmer mit geschlossenen DDR-Lebensläufen in den Ruhestand treten. Auch hier ist Arbeitslosigkeit das größte Risiko für Altersarmut. Das Argument, das Ruhegeld beruhe längst nicht mehr nur auf der gesetzlichen Rente, greift nicht. Privat vorsorgen kommt nur für den in Frage, der etwas zurücklegen kann. Gerade diejenigen, die von Kürzungen der gesetzlichen Rente besonders betroffen sind, sind besonders auf sie angewiesen.

Damit kehrt die Sorge vor einer wachsenden Altersarmut nach Deutschland zurück, ein Begriff, der in der aktuellen Wahrnehmung von Alter zuletzt nur eine unbedeutende Rolle gespielt hatte. Alter, das war die Epoche im Leben, in der man es sich gut gehen lassen konnte. Endlich waren die beiden Faktoren vorhanden, die das Leben in einer Konsumgesellschaft angenehm machen: Zeit und Geld. Die Werbung, findig im Aufspüren neuer Zielgruppen, nahm die "Neuen Alten" begeistert ins Visier. Flotte Großmütter und elegante Herren machen heute Reklame für schicke Cabrios, Luxus-Urlaub oder profitable Geldanlagen. Doch dieses Bild vom Alter als unbeschwertem Lebensabschnitt dürfte künftig nur für eine schmale Oberschicht Realität werden. Die "Neuen Alten" werden in Zukunft besonders stark unter sozialer Ungleichheit leiden. Es ist eine der großen sozialen Errungenschaften der Bundesrepublik, die wir da gerade verabschieden.

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Jahrgang 72, schreibt über Rohstoffthemen, Chemie und gerne auch den Wald. (Mit-)Autorin verschiedener Bücher, zuletzt eine Stoffgeschichte über Seltene Erden.

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