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KommentarKorruption mit Methode

Kommentar von Ulrike Fokken und Ulrike Fokken

Der Siemens-Schmiergeldsumpf ist wahrscheinlich noch größer sein als bisher angenommen - denn die Sparten Gesundheit und Verkehr wurden noch gar nicht untersucht.

E in Sumpf ist ein komplexes Biotop. Blasen steigen auf, üble Gerüche verbreiten sich. So muss man sich wohl das Miteinander bei der Siemens AG, unter den mittleren Angestellten und ihren diversen Vorgesetzten in der steilen Hierarchie bis hin zum Vorstand vorstellen. Als Staatslieferant für Kommunikationstechnik und Kraftwerke während des deutschen Wirtschaftswunders hatte man es sich im Hause Siemens gemütlich gemacht. Um Aufträge musste sich das Unternehmen nicht sorgen - sie kamen von allein, denn Siemens gehört in Deutschland ja zur Familie.

Jahrzehntelang konnte sich der Konzern darauf verlassen, Geld an den bundeseigenen Betrieben und Interessen zu verdienen. Ob bei der Bundespost oder dem Bau von Atomkraftwerken - Siemens war immer dabei. In Ländern wie Italien, Nigeria und mindestens 35 weiteren Staaten dagegen hat das Münchner Unternehmen nachweislich mit Schmiergeld nachgeholfen. In der Kommunikationssparte sollen es nach jetzigen Erkenntnissen 900 Millionen Euro gewesen sein, beim Kraftwerksbau bis zu 300 Millionen Euro. Bislang hatte der Konzern zugegeben, dass 420 Millionen Euro in den vergangenen Jahren in schwarze Kassen umgeleitet worden waren. Belegt ist nun auch, dass das Unternehmen nicht nur österreichische Banken nutzte, sondern auch die Diskretion am Liechtensteiner Finanzplatz zu schätzen wusste.

Vermutlich wird es nicht bei der bisherigen Summe von 1,2 Milliarden Euro bleiben, wenn US-Ermittler und Staatsanwälte weiter suchen. Ihre Untersuchungen haben sie bereits auf andere Sparten ausgeweitet. Geschmiert und korrumpiert wird nämlich auch gern im Gesundheitswesen, in dem Siemens seine technische Zukunft sieht. Und beim Bau von Verkehrsgroßprojekten wie dem Transrapid, den die bayerische Staatsregierung unbedingt bauen will. Für Siemens ist die Strecke zwischen München und Franz-Josef-Strauß-Flughafen die letzte Chance, den Transrapid in Deutschland zu verkaufen. Und die Vergangenheit bei Siemens lehrt: Letzte Chancen auf engen Märkten werden teuer bezahlt.

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