Kommentar: Schlag ins eigene Auge

Ob es in Polen Neuwahlen gibt, ist noch unklar. Sie könnten Kaczynski vor einem Untersuchungsausschuss bewahren. Eine Alternative wäre eine Koalition mit den Liberalen.

Noch steht Jaroslaw Kaczynski als Kapitän auf der Brücke und hält das Steuer in der Hand. Doch das Wasser steht ihm bereits bis zum Hals. Vor zwei Jahren schon hatten ihm Freunde wie Gegner geraten, die Finger vom riskanten Spiel mit der rechtsradikalen Liga der polnischen Familien (LPR) und der populistischen Bauernpartei Samoobrona zu lassen. Doch Kaczynski glaubte, die zwei kleineren, rechten Parteien leichter in Schach halten zu können als die liberale Bürgerplattform (PO).

Parteianhänger bewunderten ihn bald wie einen Zirkusdompteur, der mit Zuckerbrot und Peitsche regierte und die Radikalen und Populisten in seinem Kabinett mal mit Ministerposten verwöhnte, mal mit öffentlicher Demütigung abstrafte. Doch Giertych und Lepper, die Parteivorsitzenden von Liga und Samoobrona, ließen sich weder zähmen noch zivilisieren. Stattdessen wurden sie immer knurriger und aggressiver.

Als Kaczynski vor zwei Wochen Andrzej Lepper aus der Koalition warf, weil er ihm vorwarf, in einen Korruptionsfall verwickelt zu sein, heulte nicht nur dieser auf. Auch Giertych stimmte in das Protestgeschrei mit ein. Anders als vom Regierungschef erwartet, wandten sich die Abgeordneten der Samoobrona und der Liga nicht enttäuscht von ihren gedemütigten Parteichefs ab. Ganz im Gegenteil: Sie rückten sogar enger zusammen und kündigten nun eine Fundamentalopposition an.

Kaczynski droht nun ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss. Denn Lepper will den Korruptionsvorwurf nicht auf sich sitzen lassen und weiß dabei einen großen Teil der Opposition hinter sich. Ein Untersuchungsausschuss würde Licht in die Funktionsweise einer seltsamen Behörde bringen, die, mit Polizei- und Geheimdienstvollmachten ausgestattet, Kaczynski direkt untersteht. Nahe liegt der Verdacht, dass Kaczynski selbst das "Antikorruptionsbüro" anwies, Lepper eine Falle zu stellen. Doch der Schlag, den Kaczynski gegen Lepper führte, ging ins eigene Auge.

Neuwahlen könnten Kaczynski vor einem Untersuchungsausschuss bewahren, gegen den er sich vehement wehrt, ihm aber auch die Macht kosten. Der einzige Ausweg wäre, eine Koalition mit den Liberalen zu suchen.

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