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Weißrußland"Die Diktatur ist in der Zwickmühle"

Die Opposition gegen den weißrussischen Diktator Lukaschenko ist stärker, als viele glauben, so der Chef der KP, Sergej Kaljakin. Eine orangene Revolution wird es aber nicht geben.

Weissrussicher Polizeieinsatz gegen Oppoitionelle. Bild: dpa

taz: Die weißrussische Opposition ist zerstritten und schwach. Haben Sie überhaupt Chancen, dem autoritären Regime Lukaschenko Paroli zu bieten?

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Sergej Kaljakin.

Sergej Kaljakin: Die demokratischen Kräfte werden von gut 30 Prozent der Bevölkerung unterstützt. Da sind wir doch keine schwache Opposition. Außerdem haben wir diese 30 Prozent Unterstützung bei den Kampagnen für die vergangen beiden Präsidentschaftswahlen konsolidieren können. Doch das reicht nicht. Wir wollen die Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung erringen.

Und wie?

Wir müssen versuchen, auch jene zu erreichen, die unsere Ansichten teilen, aber Angst haben, dass es ihnen durch Veränderungen schlechter gehen wird. 60 Prozent der Weißrussen wollen Veränderungen, doch sie haben Angst. Wir müssen den Menschen Alternativen aufzeigen und sie überzeugen, dass diese besser sind als der Status quo. Die Hauptstrategie der Vereinigten Demokratischen Kräfte besteht darin, einen Dialog über die Zukunft unseres Landes zu führen. In diesen Dialog beziehen wir auch die Machteliten ein.

Haben Sie dort denn Ansprechpartner?

Wir dürfen nicht alle Lukaschenko-Leute in einen Topf werfen, denn auch unter ihnen gibt es viele, die Veränderungen wollen. Sie haben die Nase voll von einem Regime, das von einem Mann beherrscht wird. Das sind unsere potenziellen Verbündeten. Wir müssen ihnen klarmachen, dass sie, als Spezialisten, auch gebraucht werden, wenn die demokratische Opposition an die Macht kommt.

2008 stehen Parlamentswahlen an. 2000 hat Ihr jetziger Partner, die Vereinigte Bürgerpartei, die Wahlen boykottiert, weil sie das Unrechtssystem nicht legitimieren wollte. Ist dieses Argument jetzt hinfällig?

Heute plädiert in der Opposition niemand für einen Wahlboykott, weil das den Menschen nicht zu vermitteln wäre. Mit unserer Kampagne verfolgen wir zwei Ziele: den Sieg in einigen ausgewählten Wahlkreisen zu erringen und unsere Ziele der Bevölkerung klarzumachen.

Glauben Sie, dass die Wahlen frei und fair ablaufen werden?

Natürlich nicht. Doch ich bin optimistisch, dass die Bedingungen, unter denen die Wahlen stattfinden, fairer sein werden. Doch damit das passiert, muss auf die weißrussische Führung weiter Druck ausgeübt werden, dass die Wahlen den Standards der OSZE entsprechen. Die hat auch Weißrussland unterschrieben.

Halten Sie Reformen unter Lukaschenko überhaupt für möglich?

Die Regierung Lukaschenko ist in einer Zwickmühle, besonders was die Wirtschaft betrifft. Die sind nicht gerade rosig. Deshalb muss sie an einer Verbesserung der Beziehungen zur EU interessiert sein. Doch das klappt nur, wenn sie zu Veränderungen bereit ist. Jetzt steht sie vor einer schweren Entscheidung: Auf der einen Seite können demokratische Veränderungen dazu führen, dass die Regierung die Macht verliert, doch nichts zu verändern und wirtschafts- und sozialpolitisch in der Sackgasse zu landen, könnte ebenfalls zum Machtverlust führen. Es ist wie beim Schach: Für die Regierung ist jeder Zug schlecht. Es geht darum, das kleinere Übel auszuwählen. Dieser Druck wird zu ersten Schritten einer Liberalisierung und dem Versuch einer Annäherung an die EU führen.

Über die Ergebnisse der farbigen Revolutionen in Georgien, Kirgisien und der Ukraine kann man geteilter Meinung sein. Sind diese Revolutionen für Sie noch ein Vorbild?

Nein, denn unsere farbige Revolution hat bereits 1994 stattgefunden. Ihr Führer war Lukaschenko.

Wie bitte?

Was in den anderen Staaten stattfand, war ein Wechsel der postsowjetischen Eliten. Diese Eliten hat Lukaschenko schon bei seinem Amtsantritt 1994 ausgetauscht. Leider hat dieser Prozess bei uns eine Diktatur hervorgebracht. Doch wie viel Demokratie herrscht denn unter Georgiens Präsident Sakaschwili? Auch hier besteht die Möglichkeit, dass ein neuer Lukaschenko an die Macht kommt.

Was halten Sie von der EU-Politik gegenüber Weißrussland?

Die EU hat noch keine Strategie, sondern ist noch auf der Suche danach. Das ist ein Problem.

Wie sollte diese Strategie aussehen?

Die EU sollte den Austausch mit Vertretern der Zivilgesellschaft maximal fördern. Je offener die EU sein wird und je mehr Weißrussen sehen, wie das Leben in der EU ist, desto schneller werden sich bei uns demokratische Werte verbreiten. Auch die jetzt diskutierte Entsendung eines EU-Vertreters nach Minsk wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings müssen wir realistisch sein: In den nächsten 30 Jahren ist ein Beitritt Weißrusslands zur EU absolut kein Thema.

INTERVIEW: BARBARA OERTEL

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