Eifel: Swingerclub für Fledermäuse
In der Eifel ist eines der wichtigsten Fledermausquartiere Europas - ein Treffpunkt für mindestens 16 Arten. Die Tiere gehen dort auf Partnersuche.
Da staunte der Biologe und Mitarbeiter des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) Andreas Kiefer nicht schlecht, als ihm vergangene Woche eine der äußerst seltenen Wimperfledermäuse ins Netz flatterte. Bislang wurde diese geschützte Fledermausart in Rheinland-Pfalz nur vereinzelt in Winterquartieren entdeckt. Inzwischen sind ihm bereits zehn dieser nachtaktiven Säugetiere bei der laufenden Fledermauskartierung in die hauchdünnen Spezialfangnetze gegangen.
Die Wimperfledermaus gehört zu den kleinen bis mittelgroßen Flugsäugern. Ausgewachsene Exemplare erreichen stattliche viereinhalb bis fünf Zentimeter und bringen sieben bis 15 Gramm auf die Feinwaage. Die Gesamtspannweite ihrer Flügel beträgt 22 bis 24 Zentimeter, also etwa die eines Sperlings. Ihren deutschen Namen bekam die Fledermaus mit dem golden schimmernden Fell, weil ihre Schwanzflughaut mit winzigen, wimpernähnlichen Haaren besetzt ist. Nur 2.000 Exemplare gebe es davon in Deutschland, so schätzt der Fledermausexperte Kiefer. Die Wimperfledermaus gilt, wie die meisten der 24 in Deutschland vorkommenden Fledermausarten, als vom Aussterben bedroht und steht unter Naturschutz.
Der Lebensraum des fleißigen Insektenjägers erstreckt sich über Süd- und Mitteleuropa. Einige Winterquartiere und Wochenstuben in Baden-Württemberg und Bayern waren Naturschützern bereits bekannt. Doch "in Rheinland-Pfalz wurden bisher nur im Winter Funde in der Südpfalz, bei Idar-Oberstein und im Grenzgebiet zu Luxemburg belegt", erklärt Andreas Kiefer.
Nun konnte sie der Mainzer Tierschützer erstmals in der Sommerzeit nachweisen - im Mayener Grubenfeld in der Vulkaneifel. Dass sich der fliegende Säuger dort wohl fühlt, ist für den 41-jährigen Wissenschaftler keine Überraschung. Immerhin gehört das Gebiet neben den Kalkhöhlen bei Bad Segeberg und den riesigen Bunkeranlagen des Ostwalls bei Posen in Polen zu den drei bedeutendsten Quartieren für Fledermäuse nördlich der Alpen.
In den Mayener Gruben wird seit mehr als 4.000 Jahren Basaltlava abgebaut. Die Römer nutzten die Basaltsteine als Mühlsteine und verbreiteten die begehrte Ware in ganz Europa. Durch den Abbau des dunklen Gesteins entstanden im Laufe der Jahrhunderte riesige unterirdische Hallen- und Stollensysteme. Einzeln stehende mächtige Säulen stützen heute die teils 15 Meter hohen Decken. Wegen der gleichbleibend niedrigen Temperaturen im Inneren nutzten Brauereien einige Stollen bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts als Bierkeller. Inzwischen liegen fast alle Gruben brach.
In den kaum zugänglichen und mehrere hundert Meter langen unterirdischen Gängen finden die Tiere ideale Winterquartiere. Das zerklüftete Basaltgestein bietet unzählige Nischen und Ritzen, in denen die Säuger allein oder in Gruppen sicher über den Winter kommen. Anders als in Bad Segeberg oder Posen finden die Fledermäuse hier über teils riesige Öffnungen Zugang zu ihren Verstecken und sind deshalb nur schwierig zu zählen.
Einige der Gruben sind mit Lichtschranken und eingebauter Kamera ausgestattet. So registriert der Mainzer Biologe in die Höhlen einfliegende Tiere. Er schätzt, dass bis zu 100.000 Fledermäuse in den noch erhaltenen Stollen überwintern, darunter auch seltene Arten wie die Bechsteinfledermaus, die Teichfledermaus und das Großes Mausohr.
Im Spätsommer treffen sich die Fledermäuse in Schwärmen in Mayen. Den Anfang macht die Zwergfledermaus im Juli. Im August schwirren dann zehntausende Bechstein-, Wasser-, Kleine Bartfledermäuse und Große Mausohren nach Einbruch der Dämmerung um den Höhleneingang. Die Fransenfledermaus ist Ende September die Letzte im Reigen der Nachtschwärmer.
Sinn und Zweck des Schwärmens sind noch nicht vollständig geklärt. Vermutlich zeigen ältere Tiere ihren Nachkommen geeignete Winterquartiere und die Männchen kommen hierher zur Brautschau und Paarung.
So fanden die Naturschützer heraus, dass die alten Basaltgruben nicht nur Treffpunkt für Fledermäuse aus den direkt angrenzenden Regionen Eifel, Hunsrück, Westerwald, Mittel- und Niederrhein sind. Manche Exemplare aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg nehmen mehr als 300 Kilometer auf sich, um in Mayen einen Fortpflanzungspartner zu finden. Durch dieses Verhalten vermeiden sie Inzucht und sorgen für die überlebenswichtige genetische Vielfalt ihrer vom Aussterben bedrohten Arten.
Andreas Kiefer hat mit seinem neuesten Fund nun 16 der 20 in Rheinland-Pfalz vorkommenden Fledermausarten auf dem Areal in der Eifel nachweisen können und damit die Bedeutung des Biotops für die mitteleuropäischen Fledermausvorkommen noch einmal verdeutlichen können. Denn bereits seit 1993 ist das Mayener Grubenfeld Naturschutzgebiet.
Im Juni diesen Jahres stellten Bund, Umweltministerium und Nabu gemeinsam 4,6 Millionen Euro bereit, um das sieben Hektar große Gebiet als Lebensraum für die überwiegend streng geschützten Tiere zu sichern und zu erhalten. Projektträger ist der Landesverband des Nabu Rheinland-Pfalz. Betreut wird das ehrgeizige Projekt vom Bundesamt für Naturschutz. Damit zählt es zu den derzeit 28 laufenden Naturschutz-Prestigeprojekten des Bundes, die jährlich mit insgesamt rund 14 Millionen Euro finanziell unterstützt werden.
Mit Hochdruck arbeitet der Nabu nun an der Umsetzung von Schutzmaßnahmen. Im Juni kaufte er Teile des Geländes ansässigen Bergbaufirmen ab. Nur ein Unternehmen baut in 150 Meter Entfernung noch Basalt ab. Jetzt müssen einsturzgefährdete Höhlen abgesichert werden. Denn in der Vulkaneifel bebt die Erde regelmäßig. Und mit jedem Beben steigt das Risiko, dass Teile der zehn noch vorhandenen Höhlen einstürzen und damit ein Teil der bedeutenden Winterquartiere vernichtet wird. Einige der tragenden Säulen weisen bereits bedenklich große Risse auf. Ein Bergbauunternehmen aus Sachsen mit dem dafür nötigen Know-how wird die maroden Stützen jetzt sichern.
Doch zuvor steht für Andreas Kiefer noch ein anderer wichtiger Termin an: die 11. "European Batnight". Vom 25. auf den 26. August finden zeitgleich in 32 Ländern Europas Veranstaltungen um die Fledermaus statt. Auch auf dem Mayener Grubengelände können dann Freunde der Flugakrobaten unter der fachkundigen Führung des Nabu-Landesverbandes ihre Lieblinge zu Tausenden beim Turteln beobachten. Ultraschalldetektoren helfen, unterschiedliche Arten beim Balzen zu identifizieren. Vielleicht ortet Andreas Kiefer dann ja auch die seltene Nymphenfledermaus als 17. ansässige Art. In die Stollen werden die zweibeinigen Besucher während der europäischen Fledermausnacht nicht dürfen. Die sind für frisch verliebte Fledermauspärchen reserviert!
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