Sachsen: Vom Musterland zum Trümmerhaufen

Die Affäre um die sächsische Landesbank bringt Ministerpräsident Milbradt in ernste Schwierigkeiten. Seine Partei fürchtet, im einstigen CDU-Stammland die Macht zu verlieren.

Ministerpräsident Milbradt hat sich in die Krise regiert. Bild: dpa

Durch das Festzelt dröhnt Schlagermusik. Mit leicht gerötetem Gesicht sitzt Ministerpräsident Georg Milbradt auf einer der vielen Bierbänke, umringt von Journalisten. Das Gespräch dreht sich um die andauernde Krise, Milbradts Union kämpft mit schwindender Zustimmung im Land, und die Furcht vor dem Machtverlust, welche Sachsens stärkste Partei erfasst hat, wächst. "Die mögen alle zittern", spottet der Ministerpräsident und Parteichef über seine Konservativen, "ich habe keine Angst."

Anfang Juli war das, bei einem Sommerfest des Landtagspräsidenten. Die so genannte Korruptionsaffäre machte Schlagzeilen, es ging um Verstrickungen von Kriminellen, Justiz und Politik. Mittendrin steckte der Verfassungsschutz, der diese Aktivitäten illegal observiert hatte, nun aber die Akten herausrücken sollte. Verantwortlich dafür ist das seit der Wende CDU-geführte Innenministerium. Die Union wollte die Akten nicht herzeigen, die anderen Fraktionen wollten sie sehen. Doch der Ministerpräsident tat, als ginge ihn das alles nichts an, und regierte ungerührt, als sei nichts gewesen.

Bis die nächste Krise kam. Die sächsische Landesbank geriet ins Trudeln, weil sie mit riskanten Geschäften in Irland 600 Millionen Euro Verlust angehäuft haben soll. Inzwischen ist der Notverkauf an die Landesbank Baden-Württemberg beschlossen. Der gesamte Bankvorstand ist zurückgetreten. Am vergangenen Freitag verkündete auch Finanzminister Horst Metz in einer Rede vor dem Parlament seinen Abgang. Wieder versuchte es Milbradt mit Kaltschnäuzigkeit. Als er die Bank 2001 als Finanzminister übergeben habe, sei noch alles in Ordnung gewesen, sagte er, nachdem er Metz kurz dafür gedankt hatte, "schnell und richtig" gehandelt zu haben. Doch dieses Mal wird Sachsens Ministerpräsident die Sache nicht so einfach vom Tisch wischen können.

Das einstige CDU-Musterland präsentiert sich derzeit als ein Trümmerhaufen. Statt Meldungen über gute Wirtschaftszahlen und das Ende der Neuverschuldung häufen sich Berichte über größere und kleinere Katastrophen: die Affäre um den Verfassungsschutz, der Hickhack um die Waldschlösschenbrücke, die rechten Übergriffe in Mügeln und jetzt auch noch der Bankenskandal. Letzterer trifft Milbradt besonders, weil seine Macht und seine Glaubwürdigkeit vor allem auf seinem Ruf als guter Finanzfachmann beruhen, als politisches Talent galt er nie. Doch dieser Ruf ist nun angeknackst.

Die absolute Mehrheit hatte die Union einst im Land, das war noch unter Milbradts Vorgänger Kurt Biedenkopf, inzwischen ist sie in den Umfragen bei 38 Prozent angekommen. 10 Prozentpunkte dahinter liegt die Linke. Sie fordert vehement Milbradts Rücktritt, weil sie glaubt, nach Neuwahlen zusammen mit der SPD endlich Regierung und Ministerpräsident stellen zu können.

Auch wenn eine rot-rote Regierung derzeit unrealistisch erscheint, gerät Milbradt in der Parteizentrale in Berlin und in seiner Landespartei zunehmend unter Druck. Bisher war er auch deswegen nie in ernsthafter Gefahr, weil es keine Alternativen zu ihm gab. Aber derzeit ist ein neues Duo im Gespräch, welches Partei und Regierung künftig führen könnte. Der derzeitige Kanzleramtsminister Thomas de Maiziere, der früher schon mehrere Ministerposten in Sachsen innehatte, könnte Ministerpräsident werden. Und der bisherige Kultusminister Steffen Flath Parteichef. Ob diese Konstellation Wirklichkeit wird, hängt zunächst von einem Termin ab: Auf dem CDU-Landesparteitag übernächste Woche in der Kleinstadt Mittweida soll Milbradt als Parteichef wiedergewählt werden. Fällt sein Ergebnis schlecht aus, wird das die Personaldiskussion weiter anheizen.

Doch selbst wenn Milbradt weg ist, hören die Probleme für die Sachsen-CDU nicht auf. De Maiziere war nämlich Chef in genau den Ministerien, die derzeit unter Beschuss stehen - im Finanz- und im Innenministerium. Schon unter seiner Ägide entschied sich die sächsische Landesbank 2001 dafür, vom konservativen ins hochriskante Bankgeschäft zu wechseln. Zudem kommt er aus Westdeutschland und hätte damit Schwierigkeiten in einer Landespartei, in der es schon derzeit heftig grummelt, weil Sachsen als letztes ostdeutsches Bundesland von einem "Westimport" regiert wird. Deshalb freut sich vor allem die Linke auf einen möglichen Neu-Regierunsgchef de Maiziere. Viele dort glauben, ihn wegen seiner früheren Verantwortlichkeiten leicht demontieren zu können.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.