Politpensionisten: Schröder toppt sie alle
In Wolfratshausen tätschelt Ex-Bundeskanzler und Gas-Lobbyist Gerhard Schröder seinen neuen alten Freund Edmund Stoiber - und ermahnt seine "Sozen".
WOLFRATHSHAUSEN taz
Da hat er sich aber gefreut, der Edmund Stoiber. "Herr Bundeskanzler, servus", hieß es am Samstagmittag in der Gartenstraße 49 in Wolfratshausen. Eine Viertelstunde zu früh, um Viertel nach eins, rollte Exbundeskanzler Gerhard Schröder im gepanzerten Wagen vor die Doppelhaushälfte der Stoibers. Aus Moskau war der Gazprom-Manager und Irgendwie-immer-noch-Hoffnungsträger der Sozialdemokraten angereist (davor: Dienstag in Salzburg und Mittwoch in Paris) - um im Bierzelt des Wolfratshausener SPD-Ortsverbands warme Worte zum 100-jährigen Bestehen zu sagen. Und um vorher einer Einladung seines ewigen Kontrahenten Stoiber Folge zu leisten. Aus der Zeitung hatte der Ober-Bayer von Schröders Besuch bei der Wolfratshausener SPD erfahren und ihm prompt eine handschriftliche Einladung zukommen lassen. Sehr zur Freude des Exkanzlers, wie sich am Samstag herausstellte: "Wann kommt ein Pensionär wie unsereins schon mal zu einem warmen Mittagessen", fragte Schröder die wartende Journaille, nachdem er geläutet hatte.
Weißwürscht und Leberkas, Kraut- und Kartoffelsalat hatte Hausfrau Karin "Muschi" Stoiber aufgetischt, die sich für den Gast aus Moskau in einen grauen Escada-Hosenanzug geschmissen hatte. Eineinhalb Stunden saßen die Politpensionäre dann zusammen in dem cremefarbenen Haus mit den vertrockneten Gestecken in den Fenstern.
Man habe darüber geredet, "wie es war und wie es weitergeht", berichtete Stoiber hernach. Wahrscheinlich redete Schröder ein wenig über seine Erfahrungen mit der freien Wirtschaft und über den gemeinsamen Freund Wladimir Putin. Und sicher ging es auch um die Zukunft des geschassten Ministerpräsidenten. Um dessen neuen ehrenamtlichen Job als EU-Ent-Bürokratisierer, um mögliche Lobbyarbeiten für das beinahe gescheiterte Satellitensystem Galileo oder die Winterolympiade in München.
Der angezählte Noch-CSU-Chef durfte also Selbstbewusstsein tanken. "Es gab keine Nürnberger Würstel, sondern echte bayerische", spottete der Sozialdemokrat in Richtung des Franken Günther Beckstein. Und ein wohliges Lächeln bei Stoiber war dann unübersehbar, als sein Champions-League-Spezl Schröder zum Höchstlob ansetzte und die Becksteins und Seehubers deklassierte: "Stoiber war Bundesliga, alles andere ist Kreisliga."
Auf welchem Level sich der Besuch des Exkanzlers abspielte, musste dann auch der bayerische SPD-Fraktionschef Franz Maget erfahren, als er seinen Genossen abholte, um ihn die paar hundert Meter zum Bierzelt zu fahren. Was als dramaturgischer Kniff der in Bayern chancenlosen Sozialdemokraten gedacht war, scheiterte tragisch. Um halb drei klingelte Maget bei den Stoibers, lange Sekunden machte keiner auf. Und dann fragte auch noch ein neugieriges Kind seinen Papa: "Wer ist denn das?" Hochrot war der Kopf des netten Sozialdemokraten, als sich schließlich die Tür öffnete - und Stoibers Sohn Dominik den SPD-Mann empfing mit einem jovialen "Grüß Gott, Herr Maget!".
Ein paar Minuten durfte Maget dem Treffen der beiden Politpensionäre beiwohnen, dann war die Brotzeit vorbei. Stoiber-Sohn Dominik brauste samt Freundin Melanie im 1er-BMW von dannen. Stoiber selbst packte seine Akten ein und fuhr mit Frau Karin zum Bayern-Spiel in die Allianz-Arena. Und Maget brachte seinen Genossen Schröder ins Bierzelt. 100 Jahre SPD-Ortsverein galt es zu feiern. Vergilbte SPD-Wimpel auf den Tischen, Maßkrüge auf dem Rednerpult, die Bayernhymne, ein SPD-Bürgermeister im schwarzen Frack und Fliege. Kreisklasse.
Aber Schröder wäre nicht Schröder, wenn er nicht aus einem Bierzelt mit vielleicht tausend braven Besuchern eine Weltbühne machen könnte. Erst kokettierte der Exbundeskanzler mit dem Lampenfieber, dann berichtete er über die neue Freundschaft mit seinem Brotzeitpartner Stoiber ("Werfen Sie keine Steine in den Rücken von Pensionären, denn die halten zusammen"), um schließlich seine alten Genossen eindringlich zu warnen: "Warum lasst ihr zu, dass sich jetzt andere mit Federn schmücken, die ihnen wahrlich nicht gehören?"
In der rot-grünen Regierungszeit zwischen 1998 und 2005 seien die Grundlagen der Integrationspolitik, der Bildungspolitik oder auch der Klimapolitik geschaffen worden, auf denen die Erfolge der jetzigen großen Koalition aufbauten. "Warum sagt das denn keiner?" Und eindringlich bat Schröder schließlich, den derzeitigen SPD-Chef Beck zu stützen. "Wir haben nicht mehr so viele", rief Schröder, "also schießt nicht auf den Klavierspieler." Irgendwie wurde klar, was der SPD derzeit zum Erfolg fehlt: ein Schröder.
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