Frankreich: Familiennachzug nur nach Gentest
Staatschef Sarkozy strebt eine Verschärfung des französischen Einwanderungsgesetzes an - am Liebsten will er nur noch "ökonomisch interessante" Einwanderer ins Land holen
PARIS taz Wer Geld verdient, die französische Sprache beherrscht und die richtigen Gene hat, darf kommen. Die anderen mögen zuhause bleiben. Das ist der Kern des neuen Gesetzes "über den Eintritt von Ausländern nach Frankreich", das seit gestern im französischen Parlament debattiert wird. Das neue Ausländergesetz hat das Ziel, die ohnehin komplizierte Familienzusammenführung zu einem unüberwindlichen Hindernislauf zu machen.
Diese Aufgabe hat der Staatschef und frühere Innenminister Nicolas Sarkozy seinem Minister für "Einwanderung und nationale Identität" bei dessen Amtsantritt im Frühsommer vorgegeben. Sarkozy wünscht ein Ende der "erlittenen" Einwanderung - zugunsten einer ausgewählten Einwanderung. Statt Familien mit Kindern, möchte er "ökonomisch interessante" EinwandererInnen ins Land holen. Brice Hortefeux hat sich an die Arbeit gemacht, ein Gesetz geschrieben und das Parlament einberufen.
Das Gesetz verlangt, daß nachreisende Familienangehörige - außer Personen über 65 Jahren - im Herkunftsland in zweimonatigen Kursen beim Konsulat in der Hauptstadt Französisch lernen müssen. Daß die in Frankreich lebende Person einen Lohn nachweisen muß, der höher sein muß als der gesetzliche Mindestlohn. Das Gesetz legt Gentests - auf Kosten der AntragstellerInnen nahe, die beweisen sollen, daß die nachreisenden Kinder die eigenen sind. Begründung von Thierry Mariani, der Sarkozy nahe steht: 30 bis 80 Prozent der standesamtlichen Dokumente in manchen afrikanischen Ländern seien falsch.
An der Annahme des Gesetzes besteht kaum Zweifel. In dieselbe Richtung drängt auch die öffentliche Meinung. Rechtzeitig zum Auftakt der Parlamentsdebatte hat das Meinungsforschungsinstitut "OpinionWay" gestern für die rechte Zeitung Figaro und den sarkozyfreundlichen Privatsender "LCI" ermittelt, daß 74 Prozent der FranzösInnen für eine verstärkte Eindämmung der Familienzusammenführung seien.
Das neue Gesetz richtet sich gegen eine Gruppe von 23.000 Personen im Jahr. Die meisten kommen aus Afrika, der größte Teil sind Kinder. Im vergangenen Jahr sind 23.000 Erstanträge auf Familienzusammenführung in Frankreich bewilligt worden.
"Gemeinsam gegen die Wegwerfeinwanderung" nennt sich das Netzwerk aus Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen, das gestern abend vor dem Parlament gegen das Gesetz demonstriert hat. Nathalie Ferré, Präsidentin der Beratungsstelle für EinwandererInnen, Gisti, hofft, daß das Verfassungsgericht das Gesetz zu Fall bringt: Wegen der Ungleichbehandlung von Kindern und Familien. Begründung: die Definition einer modernen Familie ist nicht biologischer Natur.
Ungleichbehandlung konstatieren die KritikerInnen auch gegenüber dem Einkommen. Während in Frankreich bis zu sieben Millionen Personen von weniger als 817 Euro im Monat leben müssen, setzen die Gesetzgeber als Kriterium für die Familienzusammenführung fest, daß der/die Antragstellerin mindestens 1280 Euro (ohne staatliche Beihilfen) im Monat verdienen muß. Um mehr als drei Kinder nach Frankreich zu holen, verlangt das Gesetz den Nachweis von mehr als 1700 Euro Lohn.
Auch in Forschungslabors regt sich Widerstand gegen das Gesetz. Derzeit zirkuliert eine Petition von GenwissenschaftlerInnen, die sich dagegen wehren, daß ihre Arbeit zum Zwecke der Einwanderungspolitik mißbraucht wird.
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