Braunkohle: Vattenfall pflügt das Land um
Potsdam gibt Vattenfall grünes Licht für drei neue Braunkohletagebaue. 900 Menschen verlieren dadurch ihre Heimat.
Die große Koalition in Brandenburg setzt auch in Zukunft weiter auf die Braunkohle. Dafür soll der Stromkonzern Vattenfall ab 2020 weitere drei Tagebaue in der Lausitz aufbaggern dürfen. Dies gaben gestern Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und Vattenfall-Konzernchef Lars Josefsson in Potsdam bekannt.
Den Plänen zufolge sollen die neuen Tagebaue in Jänschwalde-Nord, Bagenz-Ost und Spremberg-Ost entstehen. Für Jänschwalde-Nord will der Stromkonzern bereits im kommenden Jahr mit den Vorbereitungen für das notwendige Braunkohleplanverfahren beginnen. Fest steht, dass für den Tagebau, der rund 20 Jahre Kohle liefern soll, die drei Dörfer Atterwasch, Grabko und Kerkwitz mit insgesamt 900 Einwohnern weichen müssen. 2035 soll mit der Förderung an den beiden anderen Standorten begonnen werden. Dabei sollen nach Angaben von Vattenfall keine Dörfer betroffen sein.
Wichtig sei ihm, betonte Platzeck gestern, "dass die Kohle aus den neuen Tagebauen deutlich klimafreundlicher verstromt wird". Dem soll auch ein neues Demonstrationskraftwerk dienen, in dem Vattenfall die CO2-arme Oxyfuel-Technik ab 2015 im Großversuch erproben will. Dabei soll der Klimakiller gebunden und unter der Erde gespeichert werden. Das jedoch bezeichnete der Brandenburger Grünenchef Axel Vogel als "reines Wunschdenken". Die Technik sei noch lange nicht so weit.
Die Grünen und zahlreiche Umweltverbände befürchten vielmehr, dass die gestrige Entscheidung nur der Startschuss für weitere Tagebaue ist. Tatsächlich hatte die TU Clausthal in einem Gutachten für Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) sieben Standorte für mögliche Tagebaue genannt. Betroffen wären 33 Dörfer und 11.000 Bewohner.
"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben", sagte Grünen-Chef Vogel. Er gehe davon aus, dass Landesregierung und Vattenfall "eine Salamitaktik" verfolgen und der Aufschluss der vier weiteren Standorte bald wieder auf die Tagesordnung kommt.
Auf Distanz zur Landesregierung geht auch die Partei Die Linke. Deren Vorsitzender Thomas Nord sagte der taz: "Vattenvall hat in der Vergangenheit jedes Vertrauen verspielt." Ob sich seine Partei auch an der Volksinitiative der Grünen und Umweltverbände gegen die weitere Braunkohleverstromung beteiligen will, werde am 30. September entscheiden. Nord: "Ich trete dafür ein, will aber der Entscheidung nicht vorgreifen."
Mit der Sammlung von Unterschriften wollen die Initiatoren der Volksinitiative am 8. Oktober beginnen. Ziel sei es, alle neuen Tagebaue in Brandenburg zu verhindern, sagte der Sprecher der Grünen Liga, René Schuster. "Jede weitere Tagebaugenehmigung ist unverantwortlich", hieß es auch beim Naturschutzbund Brandenburg.
Für die Initiative müssen zunächst 20.000 Unterschriften gesammelt werden. Lehnt der Landtag den Antrag zum Braunkohleausstieg ab, müssen für das folgende Volksbegehren 80.000 Stimmen zusammenkommen. Verweigert das Parlament erneut die Zustimmung, werden die Wähler zum Volksentscheid aufgerufen.
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