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Hans-Bernd Zöllner"Die Demokratie ist nur eine Fantasie"

Die Junta in Birma sitzt fest im Sattel. Zudem hat der Aufstand keine politische Perspektive. Glückt er doch, könnte danach sogar noch mehr Gewalt folgen, fürchtet Hans-Bernd Zöllner.

Die Militärjunta sitzt bequem: Ganz links ihr Chef General Thura Shwe Mahn mit Extraorden. Bild: dpa
Interview von Petra Kilian

privat
Im Interview: 

HANS-BERND ZÖLLNER (65) unterrichtet Sprachen und Kulturen des südostasiatischen Festlands am Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg. 2000 erschien von ihm "Birma zwischen Unabhängigkeit zuerst, Unabhängigkeit zuletzt" im Lit Verlag Münster. Bis 2002 hat er als Pastor in Hamburg gearbeitet. 1987 bekam er das Bundesverdienstkreuz für die Betreuung deutschsprachiger Gefangener in Thailand.

taz: Herr Zöllner, in Birma sind die Militärs brutal gegen demonstrierenden Mönche vorgegangen. Eskaliert der Konflikt?

Hans-Bernd Zöllner: Ich glaube nicht, dass die Junta Interesse daran hat, mehr Gewalt einzusetzen als unbedingt nötig. Sie würde sich damit ihrer Legitimität berauben. Es kann aber natürlich sein, dass es unter den Militärs oder den Mönchen Heißsporne gibt, die sich nicht an Abmachungen halten. Dann könnte die Lage eskalieren.

Warum würden sich die Militärs durch mehr Gewalt ihrer Legitimität berauben?

Mönche und Machthaber bilden eine symbiotische Gemeinschaft. Ich nenne das eine Art "birmanischen Knoten" aus Mönchen, Volk und Regierung. Er wird zusammengehalten durch geistliche Leitung und staatliche Gewalt und konkretisiert sich in der Bettelschale: Die Mönche bekommen Essen von den Laien, auch von den Militärs. Dafür geben sie ihren Segen. Nur wer die Mönche unterstützt, kann es nach den Lehren des Buddhismus zu Wohlstand und Ansehen bringen. Dieser Knoten hält die Gesellschaft zusammen. Er wird nun von den Mönchen in Frage gestellt.

Wie lösen die Mönche diesen Knoten auf?

Wenn die Mönche keine Spenden mehr annehmen, exkommunizieren sie den Spender gewissermaßen. Auch jetzt ist von dieser Form des spirituellen Boykotts die Rede, auch wenn er bisher nur in Ansätzen angewandt wird. In Birma sind politischer und religiöser Streik untrennbar miteinander verbunden. Die Militärs brauchen die scheinbar ohnmächtigen Mönche. Die spirituelle Opposition verweigert den Machthabern die spirituelle Unterstützung und damit die Basis ihrer Existenz. Das ist eine Bedrohung, die viel größer ist als ein Volksaufstand. Sollten Soldaten oder Mönche den "birmanischen Knoten" gewaltsam zerschlagen, wird es ziemlich schlimm werden, fürchte ich.

Wie wahrscheinlich ist das?

Das kann man nicht sagen. Das einzige Berechenbare in Birma ist die Unberechenbarkeit. Alle Umstürze kamen unerwartet: Der Putsch von 1962 kam aus heiterem Himmel, keiner ahnte 1988, dass die Menschen unter der Führung der Studenten auf die Straße gehen würden. Zwei Jahre später waren alle überrascht, dass die Wahl nicht anerkannt wurde. Das macht Prognosen schwierig. Nach meiner Einschätzung ist der Glaube an Wunder ein Grund für diese Unberechenbarkeit. Nicht nur die Herrscher glauben an die Sterne. Das ganze Volk vertraut der Astrologie.

Könnte sich das Massaker von 1988 wiederholen?

Das glaube ich nicht, weil die Zivilbevölkerung sich kaum am Protest beteiligt. 1988 wurden die Demonstranten von Studenten, also von Zivilisten, angeführt. Die Mönche machten nur mit. Heute geht der Protest von den Mönchen aus. Zudem gab es damals ein Machtvakuum, nachdem General Ne Win zurückgetreten war. Er ist übrigens der einzige birmanische Herrscher in 2.000 Jahren, der freiwillig seine Macht abgab. Diesen Hohlraum versuchten Politiker, Generäle und Studentenführer zu füllen. Das Militär feuerte aus Verzweiflung auf die Demonstranten, die Soldaten wussten sich nicht anders zu helfen.

Und heute wissen die Soldaten, wie sie reagieren sollen?

Heute gibt es eine Militärjunta, die seit 20 Jahren erfolglos, aber mit starker Hand regiert. Die Generäle haben ihre Truppen, vernünftige Kommandostrukturen, eine Regierung. Sie haben sogar eine Verfassung verabschiedet. Und die Militärs haben politische Strukturen und die Massenorganisation USDA aufgebaut. Das ist eine ganz andere Situation.

Was würde passieren, wenn die Mönche erfolgreich wären und die Junta entmachteten?

Wie sollte das denn passieren? Die Leute haben keine Gewehre. Nun, einige Exilbirmanen hoffen, dass sich Militärs, die zufällig ein "Demokratie-Serum" getrunken haben, von der Armee abspalten und Birma auf militärischem Weg in die Demokratie führen. Das ist eine hübsche Fantasie.

Die Vorstellung Oppositioneller soll eine Fantasie sein?

Eine demokratische Regierung könnte sich nur etablieren, wenn alle Militärs freiwillig zurücktreten. Aber warum sollten sie? Das Militär hat ein völlig überzogenes Selbstbewusstsein. Das ist übrigens auch ein Ergebnis der Boykottpolitik gegen das Land.

Gibt es denn demokratische Politiker, die die Macht übernehmen könnten?

Aung San Suu Kyi würde sich als Staatspräsidentin eignen, weil sie als Heldin des birmanischen Widerstands eine Integrationsfigur ist. Aber neben ihr gibt es kein politisches Personal, auch nicht im Ausland. Und die Studentenbewegung ist längst zerschlagen. Die Mönche selbst haben kein politisches Programm. Sollte die Junta tatsächlich gestürzt werden, könnte ein brutaler Machtkampf beginnen.

INTERVIEW: PETRA KILIAN

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12 Kommentare

 / 
  • KM
    Khin Maung Saw

    Lieber Dr. Zöllner.

     

    In meinem letzten Schreiben habe ich eine Tatsache vergessen.

     

    Sie habe geschrieben: "wie Sie wissen, dass "Demokratie" auf Birmanisch "demmawcracy" heißt, also erst mal ein reines Fremdwort ist".

     

    Leider heißt "Demokratie" auf Birmanisch nicht "demmawcracy", sondern die birmanische Ausprache klingt ungefähr wie "Di-mo-ka-re-si" und auch die Umschriebung.

     

    Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass manche Birmanen, die kein Wort Englisch sprechen, "Di-mo-ka-ye-si" aussprechen könnten, da die Birmanen (außer Arakanesen/ Rakhaings) für die beiden Alphapheten 'Ra' und 'Ya' nur 'Ya' aussprechen.

     

    Ich glaube, daß Sie sich vielleicht nur mit Leuten unterhalten hatten, die Englisch sprechen können und ihr Birmanisch "modifiziert" haben. Dann kommt ein falscher Eindruck leicht auf.

     

    Als ein Muttersprachler und aus meinen mehrjährigen Erfahrungen als Lehrer der birmanischen Sprache an der Humboldt Universität zu Berlin und auch in den U. S. A kenne ich nur wenige Birmanen, die "Democracy" englisch aussprechen.

     

     

    Außerdem dürfen Sie nicht vergessen, dass Englisch gerade unter General Ne Win eine "lingua non grata" war. Die Umschreibung ?di-mo-ka-re-si? trifft die Aussprache besser.

     

     

     

    Mit vielen Grüßen

     

     

     

    Khin Maung Saw

  • BS
    Bianca Son

    Leider habe ich das interview noch nicht gelesen, koennen sie es bitte noch mal veroeffentlichen?

     

    Vielen Dank

     

    Bianca Son

    Bochum

  • TZ
    Thang Za Dal

    Sehr geerhte taz Leserinnen und Leser!

     

    Obgleich ich mit der Mehrheit der Standpunkte von Dr. Zöllner nicht einverstanden bin, finde ich den Gesamtzusammenhang doch gedanklich sehr anregend. Und auch die übrigen Leserkommentare sind recht einleuchtend und informativ. Da ich selbst nach wie vor ein besorgter Bürger Burmas bin, möchte ich gerne an dieser Stelle meine Meinung mit ihren Lesern teilen. Allerdings ist mein Anliegen ein gänzlich anderes.

     

    Ich stimme mit Herrn Dr. Zöllner durchaus darin überein, dass es keine politische Persönlichkeit vom Format einer Leitfigur wie Aung San Suu Kyi gibt, auch nicht unter den Exilburmesen, die eine maßgebliche Rolle bei einer Einigung, einer Lösung der derzeitigen Probleme spielen könnte. Das ist auch der Grund, warum sich die Oppositionsbewegung in solch einer prekären Situation befindet.

    Die Oppositionsbewegung ist insgesamt stark versprengt und setzt allein auf Suu Kyi. Sie haben nicht die richtigen Strategien, oder vielleicht auch gar keine Strategien, um es gerade heraus zu sagen. Deswegen ist es durchaus wahrscheinlich, dass die Oppositionsbewegung ihre Bemühungen zu keinem erfolgreichen Abschluss bringen würde, sollte ihr etwas zustossen.

     

    Die Oppostionsbewegung bezieht ihren Zusammenhalt zur Zeit aus lediglich

     

    4 Gemeinsamkeiten, nämlich

    (a) ihrem gemeinsamen Hass auf das Militärregime

    (b) ihrem Wunsch nach Freiheit

    © ihrer Liebe und ihrem Respekt für Frau Aung San Suu Kyi

    (d) ihrem gemeinsamen Wunsch, Armut und Elend zu entkommen

     

    Da ich Aung San Suu Kyi nicht persönlich kenne und bislang auch nichts über ihre Methodik, politische Probleme anzugehen, gelesen oder gehört habe, ist mein Anliegen folgendes:

    Sollte Aung San Suu Kyi jemals in der nahen Zukunft die Gelegenheit haben, nochmals eine so entscheidende Rolle spielen, wie sie es vor beinahe 10? Jahren getan hat, wird sie dann geschickt genug sein, die Generäle auszumanövrieren? Wird es ausreichend qualifizierte und weitsichtige und dazu selbstlose Visionäre in ihrem Umfeld geben, um ihr die richtigen Ratschläge zu erteilen und wird sie selbst letztendlich solchen Ratschlägen gegenüber empfänglich genug sein? Oder ist sie selbst Visonär genug? Und wird sie stark und fähig genug sein, allein gewichtige Entscheidungen zu treffen?

     

    Wenn wir darauf zurückblicken, was mit ihr und Burma geschah, als sie noch eine gewisses Maß an Freiheit genoss, auf wichtige Entscheidungen Einfluss zu nehmen, dann sehen wir, dass sie von ehemaligen Militäroffizieren umringt war, die selbst ein Teil des militärischen Establishments waren. Daher gab es keine neuen Ideen, die Probleme die sie und das gesamte Land betrafen, zu lösen. Beispielsweise hatten sie und ihre Berater die List und die Absichten der Generäle

    offenbar unterschätzt und dabei den Einfluss der Masse überschätzt. So verpasste sie etliche große Gelegenheiten, die Generäle in die Defensive zu treiben. Nur ein Beispiel: Sie hätte die Generäle in die Defensive treiben können, indem sie einen eigenen ökonomischen Masterplan

    vorgestellt hätte, den sowohl die Generäle als auch die ausländischen Investoren nicht hätten ablehnen können, anstatt die Weltgemeinschaft fortwährend zu Handelsembargos aufzurufen.

     

    Zur Zeit sieht es so aus, als ob sie in der Tat eine weitere Chance erhielte, eine entscheidende Rolle zu spielen. Aber da ihre eigene politische Partei, die NLD, vom Militär stark dezimiert wurde, wird sie ein großes Maß an Courage, Achtsamkeit, Flexibilität, Geduld, gutem Rat und internationaler Unterstützung samt Visionen brauchen, um all die Hürden zu überwinden, die vor ihr liegen.

     

    Mit freundlichen Grüßen

     

    Thang Za Dal

  • KM
    Khin Maung Saw

    Lieber Dr. Zöllner,

     

    Sie haben geschrieben: "Demokratie auf Birmanisch "demmawcracy" heißt, also erst mal ein reines Fremdwort ist".

     

    Darf ich Sie fragen!

     

    Ist das Wort 'Demokratie' kein Fremdwort auf Deutsch oder auf Englisch usw.? (Außer auf Griechisch!)

     

    Laut den Wörterbüchern wurde das Wort 'Demokratie' (bzw. Democracy auf Englisch) vom griechischen Wort 'Demos' (Volk und kratein herrschen) abgeleitet.

     

    Sie haben noch weiter geschrieben: "Und da unser westliches Verständnis von Demokratie u.a. auf solchen Diskussionen beruht, ist meine These, dass es momentan eine westliche Fantasie ist, dass es in Birma eine Demokratiebewegung gibt".

     

    Darf ich mal die 'demokratischen' Fragen stellen.

     

    1. Was meinen Sie mit dem Wort 'WEST'. Nur West-Deutschland nach 1945? Oder viele westlichen Länder wie USA, Großbritanien, Frankreich, Kanada, Schweden usw.?

     

    2. Ist die Demokratie in der westlichen Welt einheitlich?

     

    3. Ist der Kampf gegen Armut und Gewaltsherrschaft in Birma laut Iherer Definition keine Bewegung zur Demokratie?

     

    4. Warum haben die Mehrheit der Weltnationen diese Bewegung unterstützt und diie Miltär Junta verurteilt, wenn dieser Kampf keine Bewegung zur Demokratie wäre?

     

    Mit vielen Grüßen

     

    Khin Maung Saw

  • HZ
    Hans-Bernd Zöllner

    Lieber U Khin Maung Saw,

    wie ich schon in meinem ersten Beitrag gesagt habe, ich hätte große Lust, einige der hier angesprochenen Fragen öffentlich mit Ihnen und anderen zu diskutieren. Ein Problem der Diskussion um Birma ist in meinen Augen, dass es eine solche Diskussion hier in Deutschland jedenfalls bisher nicht gegeben hat. Und da unser westliches Verständnis von Demokratie u.a. auf solchen Diskussionen beruht, ist meine These, dass es momentan eine westliche Fantasie ist, dass es in Birma eine Demokratiebewegung gibt. Fast alle Birmanen wollen das Ende dieser Militärregierung, sie wollen einen Neuanfang, die "wahre Unabhängigkeit", wie Daw Suu Kyi das formuliert hat, und sie wollen sicher auch "Demokratie", aber ich habe keine Ahnung, was sie damit meinen, u.a. weil - wie Sie wissen - "Demokratie" auf Birmanisch "demmawcracy" heißt, also erst mal ein reines Fremdwort ist. Daw Suu Kyi erklärt das, was mit dem Wort gemeint ist, mit Hilfe des Mahasammata-Mythos vom "Großen Ge- (oder Er-) wählten" - und was da beschrieben wird, ist schon etwas anderes als die Gründungsmythen unseres Verständnisses von Demokratie.

    Wogegen ich mehr wende, sind verzerrte Bilder der Wirklichkeit, weil ich nicht glaubem dass darauf eine gute Politik aufgebaut werden kann. Sie haben auch Recht, dass ich mich mit einer solchen Haltung zwischen die Schusslinien der streitenden Parteien begebe. Und so ganz unbewaffnet sind die Gegener des Militärs auch nicht. Sie benutzen ziemlich heftige moralische Keulen.

    Also: Lassen Sie uns diskutieren.

    Mit besten Grüßen

    Hans-Bernd Zöllner

  • KM
    Khin Maung Saw

    Lieber Dr. Zöllner,

     

     

    Nachdem ich Ihren Interview gelesen habe, fühle ich mich, dass ich verpflichtet bin, Ihnen paar richtige historische Punkte anzuzeigen, welche Sie beim Interview vergessen hatten. Sie haben geäußert, dass General Ne Win der einzige Herrscher in der zwei tausend Jahren alten burmesischen Geschichte wäre, der freiwilllig zurückgetreten hätte.

     

     

    Aber leider haben wir in der burmesischen Geschichte etwas anders gelernt. Laut der Geschichte haben paar Könige und sogar eine Königin freiwillig abgedankt. Sie hieß Königin Shin Saw Pu und sie war eine Bayinma (dh. Sie wurde Königin aus dem Thronfolgerrecht wie die Königin Elisabeth aus England) und nicht Miphaya (die Ehefrau des Königs bzw. die Frau die durch Heirat Königin geworden ist). Sie dankte freiwillig ab und übergab ihrem Schwiegersohn Damaceti, der frührer ein Mönch gewesen war, Ihre Macht als ein abolute Monarch. Danach ist sie nach Yangon (damals hieß die Stadt Dagon) umgezogen und meditierte in der Nähe der Shwedagon Pagode (damals hieß diese Pagode Kyaik Tigum) bis Ende ihres Lebens. Man kann ihren Grabmal immer noch in Yangon sehen.

     

     

     

    Als Ne Win durch Militärputsch an die Macht kam in März 1962, war ich nur 16 Jahre alt und jetzt bin ich schon 61. Was Sie über Ne Win sagte und wie ich von ihm beurteilen kann, sind wie Ost und West, 180 Grad Unterschied. Wenn Sie Details wissen möchten, wenden Sie sich bitte an mich nochmals. In Taz gibt es bestimmt keine genugenden Platz dafür. Ich kann viele historische punkte geben. Ein Beispiel ist wie folgt:

     

    Während des BSPP Sonderparteitags in 1977 wollten die Mehrheit der Zentralkommitteemitgliedern Ne Win mit einer jungeren Person ersetzen. Nach der geheime Wahl hat er erfahren, dass die Mehrheit gegen ihn gestimmt hatten. Gemäß der geltenden Staats- u. Parteisverfassung mußte er von seinen Stellen als Staatspräsident und Parteivorsitzender zurücktreten . Stattdessen befahl er dem Chef von Militärgeheimdienst, Brigadegeneral Tin Oo, alle ZK-Mitglieder, die gegen ihn gestimmt hatten, festzunehmen. Die Burmanistin Frau Dr. Annemarie Esche kannte diese Geschichte von A bis Z, da damals ihr Ehemann Dr. Otto Esche als der Erste Sekretär der DDR-Botschaft in Rangun tätig war. Alle Botschaften der Ostblockländer waren empört, da Ne Win und sein Geheimdienst den Wünsch der Partei nicht respektiert und getan hatten, wie sie wollten. In ihrer Parteien könnten die ZK-Mitglieder midestens den Parteichef mit einer anderen Person durch Votum ersetzen.

    Das ist nur ein konkretes Beispiel als 'den Aperitif '. Wenn Se die ganze Mahlzeit appetitlich geniesen wollen, wenden Sie sich nochmal an mich bitte!

     

    Ihr Interview stand in der Zeitung mit dem Titel "Die Demokratie ist nur eine Fantasie".

     

     

     

    Wie soll ich verstehen bzw. interpretieren? Was meinen Sie? Vielleicht würden sie verstehen: "Dr. Zöllner meinte, dass die Burmesen nichts von Demokratie verstehen, bzw., dass diese Leute noch nicht reif wie Sie (Deutschen) sind, die Demokratie zu bekommen und die Demokratie zu geniesen. Ich fürchte, dass die folgenden Bemerkungen aus der burmesischen Seite kommen könnte. " Dr. Zöllner spricht genau wie die damaligen britischen Kolonialmeister in der 30ger Jahren?. "Diese Schallpatte haben wir schon oft gehört". usw. usw.?

     

     

     

    Bitte vergessen Sie nicht, dass Ihr "Nagani Project" die Sammlung der Literatur der burmesischen Unabhägigkeitsbewegung ist. Fast alle Burmesen und Daw Aung San Suu Kyi betrachten ihr Kampf als die zweite Unabhängigkeitsbewegung und zwar nicht von dem Kolonialherrscher, sondern von Militärmachthabern. Als ein Freund möchte ich Sie nicht in der Mitte des Kriegsfeldes sehen, wo die unbewaffneten burmesischen Bevölkerung gegen die voll-bewaffneten Militärmachthaber kämpfen. Vielleicht würden Sie Ärger von den beiden Seiten kriegen.

     

    Mit vielen Grüßen

     

     

    Khin Maung Saw

  • HZ
    Hans-Bernd Zöllner

    Liebe Kritiker des taz-Interviews mit mir,

     

    schönen Dank für Ihre Kommentare. Ich begüße sie, weil Demokratie ja auch etwas mit dem Austausch unterschielicher Ansichten zu tun hat. Ich werde daher im Folgenden zumindest kurz auf die einzelnen Kommentare eingehen und würde es darüber hinaus begrüßen, wenn eine solche Diskussion einmal in einer öffentlichen Diskussion ausgetragen werden könnte. Das fehlt meines Wisens bisher. [Hallo Redaktion, wie wär's.]

    Bevor ich auf die einzelnen Beiträge eingehe, hier noch eine Vorbemerkung: Mir ist das Interview nach dem Gespräch nicht zur Durchsicht vorgelegt worden. Wenn ja, hätte ich einige Formulierungen gerne verändert, vor allem die Überschrift. Allerdings stehe ich zu meinen Kernaussagen, die natürlich die Ergebnisse meiner Analysen udn Erfahrungen sind und keinerlei absoluten Wahrheitsanspruch erheben.

     

    1. Zu Ariane Goetz: Sorry, aber ich sitze nicht im Elfenbeinturm. Ich bin an der Uni nicht fest angestellt, sondern bin da als freier Mitarbeiter tätig. Ich war in 23 Jahren etwa 40mal im Lande und kenne ziemlich viele Birmanen im Lande und auch hier. Außerdem führe ich seit einigen Jahrfen eines der spannendsten Birma bezogenen Projekte durch. Näheres dazu und die ersten Ergebnisse unter www.iseap.de/content/view/89/. Ansonsten sehe ich in dem Beitrag - leider - kein Sachargument, auf das ich eingehen könnte.

     

    Zu Henry: Ich bezweifle überhaupt nicht, dass die Demonstranten in höchstemn Maße ernsthaft waren. Die Lage ist ja auch ernst genug, wirtschaftlich in Sachen Meinungsfreiheit und Rechtsunsicherheit. Ich sehe nur - leiderleider - keine rationale Möglichkeit, die Lage im Lande schnell zu Guten zu wenden und kenne da bisher auch keinen Vorschlag, der sagt, wie das gehen sollte. - Was meine Bemerkung über Ne Win angeht, so wäre ich doch gespannt zu hören, welcher birmanischer Herrscher mal freiwillig zurückgetreten ist. Mindon, Thibaw, Ba Maw, Aung San und Nu warens jedenfalls nicht und Ba Swe zählt nicht, weil der den Job eh nur für ein Jahr übernommen hatte. - Dass die Militärs freiwillig zurückdenken, ist ein frommer und schöner Wunsch, den ich teile, aber das wird meiner Einschätzung nach eben nicht passieren.

     

    Zu J.N.: Keine Frage, es könnte sein, dass Senior General Than Shwe mittlerweile vom "Knönigs-Komplex" befallen ist. Aber dazu gehört auch, dass er (meinetwegen: geklautes) Geld in Klöster steckt wie verrückt. Warum? Weil er sich Legitimation "kaufen" will, und zwar auf dieselbe Art und Weise, wie es die Könige früher und die Regierenden nach der Unabhängigkeit auch gemacht haben: Nu die Kaba Aye, Ne Win die Maha Wizaya direkt neben der Shwedagon. - Anonsten kann ich zu dem Vorwurf, ich würde die Menschen Myanmars "verhöhnen", nichts sagen. Ich persönlich bin der Meinung, dass wir gut daran tun, in Sachen Myanmar das Herz sprechen zu lassen, aber auch den Kopf zu benutzen. Und in dem Interview war mein Kopf gefragt.

     

    Zu Salai Kipp Kho Lian.

    [Vorbemerkung: Wir kennen und schätzen uns, seitdem wir 1991 gemeinsam einen deutsch-birmanischen Verein gegründet haben. Zuletzt haben wir uns Freitag-Nachmittag auf einer ai-Demo in Hamburg getroffen, wo ich die erste und Kipp die zweite Rede gehalten hat.]

    ad 1: Kipp betont zu Recht das Motiv der "Opferbereitschaft", das die birmanische Geschichte seit 1920 wie ein roter (und oft auch blutiger) Faden durchzieht. Das ist genau das, was ich meine: Man hofft, ein Ziel zu erreichen, indem man sein Leben aufs Spiel setzt. Meine Version der traurigen Wahrheit: Es hat bisher leider nicht geklappt.

    ad 2: Ne Wins Abschiedsrede ist gut dokumentiert. Es würde mir großes Vergnügen machen, sie mit anderen öffentlich zu diskutieren! Ich habe sie vor einiger Zeit zusammen mit der Antrittsrede von Aung San Suu Kyi analysiert. Interessentern können den Text gerne von mir bekommen (bitte Mail an habezett@-online.de)

    ad 3: Über die USDA habe ich keine sehr andere Meinung als Kipp. Ich bezweifle nur, dass wir den Konfikt in Birma richtig verstehen, wenn wir ihn nur mit moralischen Kategorien beurteilen. Die Militärs sind nicht nur böse und die Mönche sind nicht nur gut.

    ad 4: Klar, überall gab es Veränderungen, aber 1. kann man die Situation in den Philippinen etc. nicht ohne weiteres mit Birma vergleichen (in den Philippinen etwa waren die USA Kolonialmacht und sind sehr schnell und freiwillig verschwunden)und 2. waren die Ergebnisse der "Revolutionen" nicht auch nur erfreulich (Russland!). Und bei allem Respekt vor der Courage von Aung San Suu Kyi: Ich sehe nicht, welches politische Programm sie hat.

     

    Zu Bernhardino: siehe Ariane Goetz plus die Bemerkung an meine birmanischen Freunde, dass sie vielleicht ein wenig darauf schauen sollen, wer ihnen warum Beifall klatscht.

     

    Hans-Bernd Zöllner

  • B
    Bernardinho

    Respekt, J.N., fuer Ihren Respekt vor Wahrheit und Wirklichkeit. Etwas, das der ex- Pfarrer und neunmal Klug- Schwaetzer (wie hiess er doch gleich?) nicht besitzt. Erinnere eine Geschichte, die mir eine polnische Studentin 1981(!) in Warschau erzaehlte. Sie studierte ein Jahr zuvor in Koeln und war Gast bei ihrem Soziologie- Professor, als in der Tagesschau den Sieg der Streikenden und die Zulassung der Gewerkschaft "Solidarnocz" gemeldet wurde. Ihr Profesor lief staendig um den Wohnzimmertisch, hektsch an deiner Pfeife ziehend und lamentierte: "Freie Gewerkschaften im Sozialismus, das gibt es nicht, das ist einfach unmoeglich!" Na klar, recht hatte der, stand ja auch in keinem Lehrbuch.

  • SK
    Salai Kipp Kho Lian

    Sehr geehrte Herausgeber,

     

    dies ist mein Kommentar zu Ihrem Interview mit Hans-Bernd Zöllner in

    Ihrer Zeitung.

     

     

    Hans-Bernd Zöllner: "Nach meiner Einschätzung ist der Glaube an ein

    Wunder ein Grund für diese Unberechenbarkeit."

     

    Kommentar: Während der vergangenen 45 Jahre haben die Völker Burmas niemals darauf gewartet, dass ein Wunder vom Himmel fällt und sie über Nacht befreit.

    Es gibt unzählige Belege und historische Dokumente dafür, dass

    Studenten, Mönche, Arbeiter, Künstler, ethnische Gruppierungen, Frauen

    und Kinder Ihr Leben im Jungle, in den Strassen und in den Gefängnissen

    des Landes dafür gegeben haben, für ihre Freiheit zu kämpfen. Der

    gegenwärtige Aufstand, angeführt von den Mönchen und von der gesamten

    Welt beobachtet, bezeugt, dass die Völker Burmas, wie alle unterdrückten

    Völker dieser Erde in der Menschheitsgeschichte, daran glauben, dass

    Freiheit nicht einfach zu erlangen ist, sondern unglaubliche

    Opferbereitschaft erfordert und häufig leider auch Blutvergiessen mit

    sich bringt. Die Burmesen haben in der Vergangenheit durch

    Opferbereitschaft Siege gegen die britischen Kolonialisten und die

    japanischen Faschisten erlangt, nicht durch den "Glaube an Wunder".

     

     

    Hans-Bernd Zöllner: "Er [General Ne Win] ist übrigens der einzige

    birmanische Herrscher in 2.000 Jahren, der freiwillig seine Macht abgab."

     

    Kommentar: General Ne Win trat 1988 inmitten kraftvoller landesweiter Aufstände

    gegen seine Herrschaft zurück. Er sah sich dazu gezwungen seine

    ?sozialistische? Partei aufzulösen und bevor er seinen Posten abgab,

    drohte er der Bevölkerung des Landes, dass ?die Armee bei weiteren

    Aufständen direkt in die Menge schiessen würde, nicht in die Luft? -

    Worte, die nicht gerade danach klingen, als kämen sie von einem Mann der

    seine Macht ?freiwillig? abgiebt, wie Hans-Bernd Zöllner behauptet.

     

     

    Hans-Bernd Zöllner: "Sie [die Militärs] haben sogar eine Verfassung

    verabschiedet. Und die Militärs haben politische Strukturen und die

    Massenorganisation USDA aufgebaut."

     

    Kommentar: Die buddhistischen Mönche haben damit begonnen die Kommunikation mit den Militärs abzubrechen, weil diese die USDA und Banden bezahlter Gewalttäter und Verbrecher mit Piken und Besen bewaffnet haben, um die

    friedlich demonstrierenden Mönche anzugreifen. Niemals zuvor in der

    gesamten Geschichte des Buddhismus der vergangenen 2500 Jahre gab es

    einen Boycott von diesen Ausmaßen, der die strengste Form der Bestrafung

    für Buddhisten darstellt. Die Welt wird Zeuge eines Konfliktes zwischen

    Gut und Böse. Dabei ist die gefürchtete USDA alles andere als eine

    Massenorganisation. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Vereinigung

    ziviler Krimineller, die für die Junta die "Drecksarbeit" machen und

    sich als politischer Arm der Militärs profiliert, für den Fall, dass es

    jemals zu freien Wahlen kommen sollte.

     

     

    Hans-Bernd Zöllner: "Wie sollte das denn [erfolgreich] passieren? Die

    Leute haben keine Gewehre."

     

    Kommentar: Die Geschichte der letzten Jahrzehnte bezeugt eine ganze Reihe von

    unbewaffneten Siegen durch die Macht der Bevölkerung über totalitäre

    diktatorische Regime. Nehmen wir als Beispiel die Philippinen,

    Indonesien, Osteuropa, Ostdeutschland (DDR), oder die ehemalige

    Sowietunion. Im Falle Burmas ist Daw Aung San Suu Kyi für die

    militärischen Diktatoren die gefürchtetste unbewaffnete Bürgerin.

     

    Hochachtungsvoll,

     

     

    Salai Kipp Kho Lian

  • J
    J.N.

    Ich bin entsetzt! Wie kann ein Träger des Bundesverdienstkreuzes und Pfarrer solch ein Schwachsinn von sich geben?

    "Die Junta würde sich ihrer Legitimität berauben..." Diese Kleptokraten haben nicht die geringste Legitimität!! Sie erkennen Ergebnisse abgehaltener Wahlen nicht an! Sie bauen sich aus Angst vor dem Volk im Dschungel eine eigene Hauptstadt. Zutritt für Ausländer und Zivilisten verboten. Sie erhielt den Beinamen "Naypyidaw", was "Sitz der Könige" bedeutet. Sie erwarten riesige Geldgeschenke von den Leuten, die ein Bussineß betreiben. Die Hochzeit von General Than Shwe's Tochter war an Prunk und zur Schaustellung von Reichtum und Arroganz kaum zu übertreffen. Ein Hohn für die hungernden Menschen. Der General läßt sich vom Militär als König bezeichnen. Einer seiner Enkel, der eine internationale Schule in Rangun besucht, wurde im September 2004 zitiert: "in seinen Venen fließe königliches Blut..." Herr Zöllner verhöhnt mit seinen Äußerungen den Mut und den Wiederstandswillen vieler junger Birmanen, die sich mit nichts oder vielleicht gerade mal mit Steinen bewaffnet dem übermächtigen und brutalen Militär entgegenstellen. Als ich das Interview von Herrn Zöllner las, mußte ich an meine birmesischen Freunde denken, die im Moment versuchen unter Lebensgefahr Bildmaterial aus dem Land zu schmuggeln. Ich bin ehemaliger DDR-Bürger und weis, was es bedeutet unfrei zu sein (auch wenn die ehemalige DDR kein Vergleich ist mit dieser Militärjunta). Heute las ich die Meldung in einem Internierungslager in Yangon seien 4 Mönche "unter misteriösen Umständen" zu Tode gekommen. Ich kann Ihnen sagen, was diese Umstände waren: Sie sind ganz einfach zu Tode geprügelt oder gefoltert worden! Und um das Ganze abzurunden habe ich einen Augenzeugenbericht verfaßt. Ich war nämlich dort. Wenn ich meinen Namen nicht nenne und keine konkreten Örtlichkeiten, tu ich das aus Rücksicht auf die im Land verbliebenen. Niemand soll Rückschlüsse ziehen können. Dafür bitte ich um Verständnis. Hier nun mein Augenzeugenbericht:

    ------------------------------------------------

    Yangon - 27.09.2007

    Wieder gehen Demonstrationszüge vorbei. Die Menschen aus den gegenüber liegenden Häusern applaudieren laut. Aber diesmal fehlen die Mönche. BBC berichtet, dass die Sicherheitskräfte mehrere Tempelanlagen zu Sperrzonen gemacht und die Mönche inhaftiert haben. Die Mönche gelten als die Söhne Buddhas eigentlich als unantastbar. Sie geniessen hohes Ansehen bei den Menschen. Das staatlich Fernsehen blendet ab und an einen Fünfzeiler ein, in dem steht, dass BBC und CNN lügen und die Leute deren Nachrichten nicht glauben sollen. Was für eine Farce! Ansonsten im staatliche Fernsehen heile Welt: Trickfilme und Volksgesänge.

    Auf einmal Schüsse - die Menschen strömen in die entgegengesetzte Richtung zurück. Es bricht Panik aus. Langsam erscheinen von rechts Soldaten mit gelben und roten Dreieckstüchern um den Hals. Zirka 25 Mann. Direkt vor meinem Fenster kommt der Befehl "Stop!". Sie wirken sehr gelassen. Als hätten sie dies alles schon zigmale trainiert. Manche setzen den Helm ab und beginnen zu rauchen. Sie sind quer über die Strasse zu einer Kette aufgereiht. Mit Maschinenpistolen und langen armdicken Bambusknüppeln bewaffnet. Von rechts schiebt sich langsam ein grosser LKW sowie ein provisorischer Lautsprecherwagen ins Blickfeld. Es erscheinen höhere Dienstgrade und weisen die Soldaten ein. Die Bajonette werden aufgepflanzt. Ein weiterer Soldat kommt mit weissen Pappkartons unter dem Arm und andere mit den Händen jonglierend. Es sind neue Magazine für die MP. Einige Soldaten laden nach. Der Verbrauch war anscheinend hoch. Der Lautsprecherwagen wird heran gewunken. Es kommt die Durchsage an die Demonstranten: "Entfernt euch oder wir schießen!" Kurz darauf der Befehl zum feuern. Ich kann die Demonstranten nicht mehr sehen. Sie sind bis zur nächsten Straßenkreuzung geflohen. Aber so wie die Soldaten zielen, kann es nur um Direktbeschuß gehen. Einige knien zum schießen nieder. Dann fünf Schritte vorwärts und wieder Stop. Auf einmal kommt von links, also von der Seite der Demonstranten, ein einzelner junger Mann. Mit dem landesüblichen Sarong bekleidet, freier Oberkörper, die Hände erhoben.

    Unter dem Beifall hunderter Demonstranten. Er geht auf die Kette zu. Zwei oder drei Soldaten springen auf ihn zu und schlagen ihn mit ihren Bambusknüppeln nieder. Es kommt sofort der Befehl, drei, vier Schritte vorwärts und feuern. Der junge Mann liegt jetzt hinter der Kette der Soldaten. Er blutet am Kopf und ist scheinbar bewusstlos oder tot? Zwei, drei Minuten kümmert sich niemand um ihn. Dann kommt erwähnter LKW langsam angerollt. Die Seitenplanen sind hochgerollt, wahrscheinlich wegen der Hitze. Der Fahrer steigt mit einem Teller Nudeln in der Hand aus. Er sieht den am Boden liegenden und ruft etwas nach hinten. Aber es kam kein Krankenwagen, sondern vier Männer in Zivil, mit dicken Bambusknüppeln bewaffnet. Auf meine Frage wurde mir erklärt, dies seien vorzeitig entlassene Schwerverbrecher, die man in eine Miliz steckt, die gerade gegründet wird. Sie gehen mit ihren Knüppeln auf den am Boden liegenden Mann zu. Ich befürchte schon das Schlimmste, aber sie tragen den verletzten Mann zum Fussweg und legen ihn ab wie ein Stück Vieh. Anschliessend wird er auf den LKW geworfen. Ich schaue mir den LKW etwas genauer an. Ich kann von schräg oben hinein sehen. Die Seitenplanen sind wie gesagt hochgerollt. Direkt hinter dem Fahrerhaus stehen zwei Soldaten und schauen - Maschinenpistolen im Anschlag - in Richtung der Demonstranten. Am Ende des LKW sitzt seitlich ein weiterer Soldat, bewaffnet mit MP und einen grossen Schlagstock aus Bambus in der Hand. Ich sehe den verletzten jungen Mann reglos auf dem LKW liegen. Daneben eine grüne Plastikplane, die den Umrissen nach einen menschlichen Körper verdeckt. Ich sehe deutlich die Beinsilhouetten. Damit die Plane nicht verrutscht, ist sie seitlich mit je einem Holzbalken beschwert. Wahrscheinlich ein toter Demonstrant. Der Verletzte, der direkt daneben liegt, kommt zu sich und will sich aufrichten. Da versetzt ihm der hinten sitzende Soldat einen gewaltigen Schlag auf den Kopf. Ich werde niemals dieses Geräusch vergessen! Der junge Mann sinkt erneut zurück. Der Fahrer, der auf der Bordsteinkante sass und mit großem Appetit seine Nudeln verschlang, stand auf und fragte den Soldaten, der geschlagen hat: "Ist er tot?" Antwort: "Nein, noch nicht". Der Fahrer des LKW - keinen Helm auf dem Kopf, keine Uniformmütze - beginnt eine birmesische Zigarre zu rauchen. Diese Arroganz der Macht, dieses sich so sicher fühlen... Er versucht nicht einmal sein Gesicht zu verbergen. Und ringsum sehe ich Menschen hinter ihren Fenstern, welche die Szene, genau wie ich, beobachten! Auf dem Dach des gegenüber liegenden Hauses liegen 3 junge Männer die sich nicht mehr trauen, sich aufzurichten um in ihre Wohnungen zurück zu gehen. Die Soldaten können sie nicht sehen. Die Soldaten werden unruhig. Die Demonstranten nähern sich langsam. Es kommt der Befehl, Tränengas mit einem dafür vorgesehenen Gewehr zu verschießen. Aber sie haben zu lange gewartet. Mit einem Mut, den ich nicht hätte, rennen einige Demonstranten vor und werfen die Tränengasgeschosse zurück, direkt in die Reihe der Soldaten. Sie riskieren im wahrsten Sinne des Wortes ihr Leben. Die Soldaten beginnen nach hinten zu laufen. Inzwischen sind auch zwei Feuerwehren eingetroffen. Auf einem Fahrzeug ist ein Wasserwerfer montiert. Auf dem Dach der Feuerwehren sitzen je zwei Soldaten. Die hustenden und sich die Augen reibenden Soldaten am Boden reichen ihre Dreieckstücher nach oben und lassen sie nass machen. Sie reiben sich damit Gesicht und Augen. Dann der Befehl wieder eine Reihe zu bilden. Es treffen weitere Soldaten ein. Sie formieren sich und rücken langsam zur Strassenkreuzung vor, wo sich der Hauptteil der Demonstranten befindet. Sie schwärmen aufgeteilt jeweils nach links und rechts in die Strassen der Kreuzung aus. Nach einer Weile kommen die ersten Gefangenen. Sie werden von den Männern in Zivil mißhandelt und auf den Lkw geprügelt. Ich stehe noch eine Weile fassungslos am Fenster. Auf einmal erscheinen von rechts vier LKW. Sie fahren relativ langsam und ich kann von oben auf die Ladeflächen sehen. An der Seite sitzen Soldaten. In der Mitte des LKW knien nach vorne gebeugt, Gesicht auf der Ladefläche, Hände hinter dem Kopf, ca. sechs Reihen je fünf Personen Gefangene Zivilisten. Sie sind wahrscheinlich für Passanten unsichtbar. Aber ich kann von oben in die LKW schauen. Die an der Seite sitzenden Soldaten haben ihre Stiefel in die Nacken der am Boden knieenden gestellt. Ein symbolträchtiges Bild für dieses Land. Was wird diese armen mutigen Menschen heute Nacht erwarten? Wenn schon auf der Strasse und in aller Öffentlichkeit solch schreckliche Szenen passieren, kann man sich ausmalen, was in den Kasernen oder Gefängnissen abgeht. Drei LKW sind voll von diesen Menschen. Der vierte ist voll mit Soldaten. Die LKW müssen ein Stück in Richtung der Strasse fahren und wenden dann. Sie verschwinden im langsam dunkel werdenden Yangon. Es ist still geworden - totenstill. Ein junger Mann in Uniform - wahrscheinlich der Kommandeur - kommt langsam die Strasse herauf geschlendert. In der linken Hand hält er einen langen Knüppel, den er beim Gehen benutzt wie zu einer Wanderung. In der rechten Hand hält er eine Uniformmütze. Einer jener Hüte wo die Krempe an der linken oder rechten Seite hochgeschlagen wird. Wahrscheinlich vom Outfit her ein Erbe der ehemaligen englischen Kolonisten. Er geht, als würde er spazieren gehen. Keine Spur von Angst oder sich verstecken oder schämen müssen. Was mag nur in den Köpfen dieser Leute vorgehen, die ihre eigenen Landsleute schlimmer als Tiere behandeln? Wahrscheinlich gar nichts...

    Über Yangon senkt sich langsam der Abend. Die Strassenbeleuchtung bleibt ausgeschaltet. Auf den Spitzen der Hochhäuser sind die Lichtreklamen abgeschaltet. Es ist totenstill...

  • H
    Henry

    Hallo taz,

     

    "Die Demokratie ist nur eine Fantasie" was soll denn das heißen? Heißt das etwa, dass die Wünsche meines Volkes unerfüllbar ist, dass wir nur in der Luft, in Vakuum träumen? Zeigt die Massebewegung nicht genug von der Ernsthaftigkeit meines Volkes? Ich frage mich, ob man da noch von einer "Fantasie" sprechen kann?

     

    Es ist Naivität zu behaupten, dass ein Volk an seinen Gedanken und Glauben scheitern wird, weil das Volk eine andere Tradition und Kultur hat.

     

    Herr Zöllner unterschätzt gewaltig den Willen des Volkes. Was kann schon eine handvoll bewaffnete Gruppe gegen ein gewaltiges Volk machen, wenn das Volk sich zusammenhält? Wie war es möglich, West- und Ostdeutschland zu vereinigen? War es nicht letztendlich die Willen des Volkes, die der Wiedervereinigung ermöglicht hat?

     

    Übrigens, Herr Zöllner sagt, "General Ne Win sei der einzige birmanische Herrscher in 2000 Jahren, der freiwillig seine Macht abgab." Diese Aussage ist total falsch!!! Hätte er mehr Recherchen darüber gemacht, würde er zu einer anderen Schlussfolgerung kommen. Schade nur, dass er es nicht getan hat. Die Machtabgabe von General Ne Win hat mehr als "freiwillig".

     

    Seine Antwort auf die Frage " Was würde passieren,wenn die Mönche erfolgreich wären und die Junta entmachteten?" ist Blödsinn! Behauptet er etwa, nur ein gegenseitiges Massacre kann die Junta beseitigen? Muss man auf das Schlachtfeld marchieren und gegenseitig schlachten wie im Mittelalter! Hallo! wir leben im 21. Jahrhundert.

     

    Herr Zöllner meint, "wieso sollten die Militärs freiwillig zurücktreten". Eine Gegenhypothese WARUM AUCH NICHT? Wie lange können schon die Militärs aushalten? Es ist nur eine Frage der Zeit.

  • AG
    Ariane Goetz

    Dieser Artikel bzw. dieses Interview ist einmal mehr der Beweis dafuer, dass die meisten Asienforschungsstellen an Unis in Deutschland irgendwo im Elfenbeinturm herumkruschen, und versuchen, durch "markante" Thesen zu schillern statt nuechtern Daten zu analysieren. Vielleicht waere es besser, wenn Sie beim naechsten mal einen kanadischen oder englischen Asienexperten interviewten. Das waere wirklich wohltuend. Danke.