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Kolumne ParallelgesellschaftenWieso pinkeln die Flamingos nicht?

Mit Kindern im Zoo: Freude über die Löwen und Szenenapplaus für alle Tiere, die ihr Geschäft ohne Toilette erledigen.

Jan Feddersen (50) ist Autor und Redakteur. Besonders für die Ressorts taz.mag und tazzwei.

Die Elfjährige war, wie es Elfjährigen geziemt, ansprechend gelangweilt. Sie, die gerade die Welt der Kinder mit der der Heranwachsenden tauscht, wollte nur eines: "Gibt es da auch Pferde? Und kann ich da reiten?" Und weshalb finden alle Mädchen Tiere gut, auf denen sie galoppierend oder trabend Platz nehmen können? Der Kleine aber wollte "Löwen, meinetwegen auch mal ne Giraffe und Löwen". So gingen wir denn durch den Tierpark, es war mein erster Ausflug mit Kindern durch eine zoologische Anlage, und es waren die Gören, welche einerseits von Gehege zu Gehege gerührt waren ("Die Affen! Was können die klettern!") und andererseits deren Gefangenschaft ansprachen ("Der Tiger will bestimmt nach Afrika nach Hause, und das Zebra auch"), Urangst von Kindern besonders, gefesselt und eingesperrt zu sein: Der Zoo als animalisches Dokument eines Stubenarrests sondergleichen.

Andererseits, noch so ein generationsethnologischer Ertrag aus einem ganzen Tag mit Kindern im Zoo, wollen die Kleinen alle Tiere streicheln. Gleich am Eingang ging das schief, da schnappte sich der Pelikan, dessen Schnabel orthopädisch absolut bewundernswert im Rückengefieder lag, das Programmheft des Mädchens und ließ es nicht mehr los. Herrlich, das Gejuchze und Gekreische der Kinder, wenn diese frei laufenden Vögel nach ihnen schnappten und die Kleinen in die Arme ihrer Eltern, Onkel und Tanten rannten. Ein hübscher Beleg für Angstlust, der alle ja auch anhängen, wenn sie im Kino oder Fernsehen Horrorfilme gucken - man weiß ja, dass das Monster zuschnappen kann, aber einerseits ist alles nur im Film, auf der anderen Seite sind die Eltern nicht weit.

Dann wankten wir so weiter, wobei das Giraffengehege wenig Zuspruch fand, weil das Giraffenbaby nur in einer Halle zu sehen war und die Luft dort stark nach Ammoniak roch, also nach Pisse. Die Kinder rümpften die Nase und sagten nichts. Bei den Elefanten aber, als schätzungsweise vierzig Kinder sehen wollten, wie ein Elefant eine Münze mit seinem Rüssel aus der Hand nimmt - sehr sacht! -, hob plötzlich das lauteste, quietschigste und schrillste Lachen an: Das war, als der eine Elefant plötzlich mächtig zu scheißen begann, um gleich danach, mit hochgerecktem Schwanz, auf das Strömendste zu pinkeln.

Das war, seltsam, in diesem Theater die Szene mit dem größten Szenenapplaus. Plötzlich wollte der Junge auf jeden Fall wissen, wie es denn Flamingos hielten mit dem Urinieren, ob das Wasser die Beine herunterlaufe - und ob die Tierpfleger alles aufwischen müssen, und überhaupt: "Haben die Affen Klos?" Nein, haben sie nicht. "Und wo pullern die Pinguine?" Wo sie wollen, gern auch ins Wasser. "Stinkt das dann?" Gegenfrage, mein Kleiner: "Hast du in der Badewanne schon mal ins Wasser gepinkelt?" Kurzer Blick in die Runde, wo steht die Mutter?, ah, weit genug weg, so sagt er also: "Zweimal. Und einmal ist Baba", also seine Schwester, "hinterher ins Wasser gegangen." Und als er das sagte, lächelte er ein wenig ängstlich, seine Miene forderte: bitte nicht weitersagen.

Nein, solche Geheimnisse werden nicht verpetzt. Was mich daran erinnerte, dass mir neulich ein Freund erzählte, er pinkele grundsätzlich nicht mehr ins Klobecken im Stehen, aber ins Waschbecken. Wie auch in ICEs, das sei viel praktischer, Urin habe ja auch nichts Verruchtes mehr, seit Carmen Thomas und Jean Pütz diesen Saft als Wellnesselixier adelten.

Ist dann denn in Ordnung?, frage ich mich. Muss nicht eingeschritten werden, wenn Erwachsene dies erzählen? Auffällig, dass nach neuesten Trendumfragen immer mehr Menschen auf das Händewaschen nach dem Pinkeln verzichten. Die Kinder im Zoo sind von solchen kulturkritischen Erwägungen weniger belastet. Der Kleine läuft kurz vor dem Ende ins Gebüsch und will sich erleichtern, in die Flora, nicht dort, wo es 50 Cent kostet. Kommt ein Parkwächter hektisch angelaufen, eine Art Sittencontroller offenbar: "Ihr Kleiner ist ein ziemlicher Schmutzfink. Wenn das alle machen würden. Können Sie ihn nicht mal im Zaum halten?"

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