Irland vorm Spiel gegen Deutschland: Ins kalte Wasser
Für Irlands Fußballauswahl beginnt mit dem Qualifikationsspiel am Samstag gegen die Deutschen der Neuaufbau - wieder einmal.
Wenn die deutsche Fußball-Elf diesen Samstag um 20:45 Uhr im "Croke Park" von Dublin zum EM-Qualifikationsspiel gegen Irland aufläuft, betritt sie eine historische Stätte. Das über 80.000 Zuschauer fassende Stadion ist viele Jahrzehnte nur für den irischen Volkssport Nummer 1, Hurling, reserviert gewesen. Ein Spiel ähnlich dem Hockey. Fußball, das noch heute als Sport der Engländer gilt, war lange in dieser Arena gar nicht denkbar.
Der Hintergrund: Am 21. November 1920 überfielen während eines Hurlingspiels britische Soldaten als angebliche Vergeltung gegen irische Partisanen den "Croke Park". Der Tag ging als "Bloody Sunday" in die Geschichte ein, der gleichnamige Song der irischen Rockband "U2" machte dieses tragische Ereignis aus dem irischen Unabhängigkeitskampf weltweit bekannt. 13 Menschen wurden damals erschossen.
Dass nun fast 90 Jahre später einige Länderspiele wie das gegen Deutschland im "Croke Park" ausgetragen werden dürfen, hat mit der Renovierung des Rugby-Stadions an der Lansdowne Road zu tun, in der Irlands Fußballer sonst spielen.
DUBLIN taz Die Qualifikation für die Fußball-Europameisterschaft im nächsten Jahr haben die Iren bereits ad acta gelegt, auch wenn noch eine theoretische Chance besteht. Trainer Steve Staunton sagte, was irische Trainer stets nach gescheiterten Qualifikationen sagen: "Wir konzentrieren uns jetzt auf den Neuaufbau der Mannschaft für die nächste Qualifikation." Und der soll am Samstagabend im Spiel gegen die deutsche Mannschaft beginnen. Joachim Löws Team fehlt nur ein Punkt in den letzten drei Spielen, um sich zu qualifizieren. Den Iren dagegen fehlen drei Wunder, um Tschechien doch noch zu überholen.
Das erste davon wäre heute Abend vonnöten. Zwar hat Löw Sorgen wegen einiger verletzter Stammspieler, aber Stauntons Sorgen sind ungleich größer. Gleich ein halbes Dutzend Spieler fehlen ihm, und er hat es weitaus schwerer als Löw, sie zu ersetzen, denn Irlands zweite Reihe hatte vor kurzem noch die Schultüte in der Hand und verfügt über wenig Erfahrung in der Nationalmannschaft.
"Irgendwann muss man sie ins kalte Wasser werfen", sinnierte Staunton, dessen Trainererfahrung sich auf die Stelle als Assistent des Trainers der Jugendmannschaft von Walsall beschränkt. "Das haben wir ja in den vergangenen 12 oder 18 Monaten mit allen Spielern getan." In der Tat: In den fünf Spielen seit Januar 2006 setzte Staunton 48 verschiedene Profis ein, darunter 23 Neulinge. Immerhin haben die Iren im Dubliner Stadion Croke Park bisher noch nie einen Punkt abgeben müssen, sie haben nicht mal ein Tor kassiert. Allerdings gab es bisher erst zwei Spiele, denn das Stadion für gälische Sportarten ist nur ein Ausweichquartier, solange das Rugbystadion umgebaut wird. Über ein eigenes Stadion verfügen die Fußballer nicht.
Im Croke Park jedenfalls gelangen gegen die Slowakei und gegen Wales 1:0-Siege. Gegen die Waliser schoss Stephen Ireland den Siegtreffer. Der Mittelfeldspieler von Manchester City ist der Einzige, der in letzter Zeit regelmäßig Tore für Irland erzielte. Heute ist er nicht dabei. Er ist keineswegs verletzt oder außer Form, und Trainer Steve Staunton hätte ihn gerne aufgestellt. Aber Ireland schämt sich, weil er vor dem Spiel gegen Tschechien nach Irland abgereist war, um an der Beerdigung seiner Großmutter mütterlicherseits teilzunehmen. Dumm nur, dass ein Reporter die Oma ausfindig machte, und sie war ziemlich lebendig. Ireland korrigierte sich: Es war die Großmutter väterlicherseits. Aber auch die war quietschfidel, und so musste Ireland zugeben, dass er zu seiner Freundin wollte, weil die eine Fehlgeburt erlitten hatte - eigentlich ein mindestens ebenso triftiger Grund für die Heimreise wie eine tote Oma.
Ob man mit Ireland die 0:1-Niederlage in Prag vermieden hätte, ist zweifelhaft. Es ist das dritte Turnier hintereinander, für das sich die Mannschaft nicht qualifizieren wird. "Es war eine sehr schwere Gruppe", sagt Irlands Abwehrchef Richard Dunne, "und wir waren einfach noch nicht so weit, um uns zu qualifizieren. Wir müssen in den letzten drei Spielen so viele Punkte wie möglich holen, damit wir bei der nächsten Auslosung höher gesetzt werden." Bei der Weltmeisterschaftsqualifikation müssen die Iren jedoch erneut mit zwei mächtigen Gegnern rechnen. Aber es sind ja nicht unbedingt die Großen, gegen die das irische Team die Sache vermasselt. Bei der letzten WM-Qualifikation war es Israel, gegen das man sich in beiden Spielen in letzter Sekunde den Ausgleich einfing. Und diesmal gab es eine peinliche 2:5-Niederlage auf Zypern. Über das grauenhafte Spiel in San Marino, bei dem die Iren in der 94. Minute das glückliche 2:1 erzielten, sei der gnädige Mantel des Schweigens gebreitet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!