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BuchverbrennungAnne-Frank-Urteil rechtskräftig

Die jungen Männer, die für die Tagebuchverbrennung mit neun Monaten auf Bewährung bestraft wurden, verzichten auf Berufung.

Verurteilung wegen Volksverhetzung: Einer der Angeklagten beim Prozessauftakt im Februar. Bild: dpa

DRESDEN taz Am kommenden Montag wird es nicht zum erwarteten Berufungsprozess gegen vier Jugendliche kommen, die vor einem Jahr in Pretzien (Sachsen-Anhalt) ein "Tagebuch der Anne Frank" verbrannten. Ihre Anwälte zogen jetzt überraschend die Berufung zurück. Ein fünfter Angeklagter hatte bereits kurz nach der Urteilsverkündung des Amtsgerichtes Schönebeck im März dieses Jahres auf das Rechtsmittel verzichtet.

Das Landgericht Magdeburg sagte daraufhin kurzfristig die Berufungsverhandlung ab. Fünf Tage waren dafür vorgesehen, 14 Zeugen sollten gehört werden.

Im Juni 2006 war es bei der von einem rechts stehenden Heimatverein organisierten Sonnenwendfeier in Pretzien zu einer rituellen Verbrennung gekommen. Der Angeklagte Sebastian K. forderte am Abend dazu auf, "Artfremdes" dem Feuer zu übergeben. Vor etwa 70 Zuschauern wurden zuerst eine US-Flagge und dann ein Exemplar des Anne-Frank-Tagebuchs ins Feuer geworfen. Der Fall sorgte bundesweit für Empörung. Mehr als eine Peinlichkeit war auch, dass der Einsatzleiter der Polizei das weltberühmte Zeitdokument nicht kannte. Richter Eike Bruns vom Amtsgericht Schönebeck sprach bei der Urteilsverkündung im März von einer "abscheulichen Provokation".

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Tat gemeinschaftlich geplant und begangen wurde. Fünf der sieben angeklagten Männer im Alter zwischen 24 und 29 Jahren wurden wegen Volksverhetzung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt. Sachsen-Anhalts SPD-Innenminister wünschte sich damals ein höheres Strafmaß.

Das Urteil ist nunmehr rechtskräftig. Laut Mitteldeutscher Zeitung führte Verteidiger Thomas Jauch persönliche Gründe für den späten Rechtsmittelverzicht an. Zwei der Verurteilten hätten inzwischen Arbeit gefunden und wollten Nachteile durch einen erneuten Auftritt in der Öffentlichkeit vermeiden. Dem hätten sich die beiden anderen angeschlossen. Sie fühlten sich jedoch weiterhin unschuldig. Möglicherweise kommt es jedoch 2008 zu einem weiteren Prozess gegen einen gleichfalls tatverdächtigen Bruder eines der Verurteilten.

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