Türkisch-kurdischer Konflikt: Aufgeheizte Stimmung
In Berlin protestieren Kurden am Samstag gegen eine Militärintervention im Nordirak, am Sonntag demonstrieren Türken dafür. Abends eskaliert die Situation. Es gibt zahlreiche Festnahmen.
Die nationalistisch-türkische Stimmungsmache ist in Berlin angekommen: Am Sonntag demonstrierten mehrere tausend Türken und Türkinnen rund um den Hermannplatz gegen die PKK und für das militärische Vorgehen der türkischen Armee im Nordirak. Nach Auflösung der Kundgebung am frühen Abend eskalierte die Situation am Kottbusser Tor. Es kam zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, Flaschen- und Steinwürfen sowie Handgreiflichkeiten mit kurdischstämmigen Menschen. Tags zuvor war eine Demo in Charlottenburg von 500 kurdischstämmigen Berlinern, die Dialog statt Gewalt forderten, friedlich verlaufen.
Zur angemeldeten Kundgebung gegen die PKK auf dem Hermannplatz am Sonntagnachmittag, die den Ausschreitungen voranging, waren 400 Personen erwartet worden. Laut Polizei kamen jedoch über tausend. Augenzeugen sprachen von doppelt so vielen. Die Polizei war von der großen Menge überrascht.
Mehrere hundert Protestler formieren sich während und nach der Kundgebung zu Spontandemonstrationen in der Karl-Marx-Straße und am Kottbusser Tor. Viele zeigen mit der Hand den Wolfsgruß, Erkennungszeichen der türkisch-nationalistischen Grauen Wölfe. Teilnehmer rufen "Türkei, Türkei", sie ziehen klare Feinbilder: "Die Terroristen sollen sterben", sagt einer. "Die PKK soll verrecken", meint ein Jugendlicher, der eine Fahne schwenkt.
Fatma Bölme, eine Demonstrantin in einer Gruppe von Frauen mit Kindern, meint: "Wir demonstrieren gegen die Terroristen, gegen die PKK." Auf die Frage, ob sie auch gegen Krieg demonstrieren, erwidert sie: "Welcher Krieg? Unsere Soldaten gehen doch nur in Stellung." Ein älterer Türke, der seit 37 Jahren in Deutschland lebt, spricht zwar schlecht Deutsch, sein Jargon jedoch überrascht: "Wir demonstrieren gegen die marxistisch-faschistische Ideologie der PKK." Gegen die Kurden an sich hätte er nichts, drei seiner Cousinen seien mit Kurden verheiratet.
Die Stimmung ist aufgeheizt, von dem moderaten Anstrich, den sich die Grauen Wölfe in Berlin in den letzten Monaten geben wollten, ist wenig zu spüren. Stattdessen klare Formation des Gegnerbildes: "PKK = Terrorismus" steht auf einem Transparent. Und eine klare Ansage, was mit dem Gegner geschehen soll: "Wenn jetzt hier Kurden auftauchen, dann gibts Schlägerei", sagt einer aus einer Gruppe Jugendlicher heraus.
Dass die türkischen Nationalisten auf der Demo stark vertreten sind, ist auch an dem Meer roter Fahnen zu erkennen, die über den Hermannplatz geschwenkt werden. Statt Halbmond und Stern prangen auf vielen von ihnen drei Halbmonde auf rotem Grund. Es ist die Fahne der Partei der nationalistischen Bewegung MHP, mit der die Grauen Wölfe verbunden sind. Die drei Halbmonde stehen für Pantürkismus, für eine Vereinigung aller türkischstämmigen Völker.
Nach dem friedlichen Protest von nach Polizeiangaben etwa 500 vorwiegend kurdischstämmigen Berlinern und Berlinerinnen am Samstag hatte die Polizei offenbar nicht mit einer so großen Demo am Sonntag gerechnet. Die Demonstration der kurdischstämmigen BerlinerInnen in Charlottenburg gegen das militärische Vorgehen der türkischen Armee im Nordirak setzte mit ihren Parolen auf Aussöhnung: "Dialog statt militärischer Gewalt" und "Demokratische Lösung für gesellschaftlichen Frieden" stand auf den Transparenten. Im Vorfeld befürchtete Ausschreitungen blieben aus. Der Protestmarsch der Kurden verlief weitgehend friedlich, drei Personen wurden vorübergehend festgenommen.
Ganz anders die gestrige Veranstaltung der türkischen Nationalisten. Sechs Hundertschaften der Polizei waren am Abend im Einsatz, um die Situation zu befrieden. Bis Redaktionsschluss kam es zu 15 Festnahmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!