piwik no script img

Kartellamt soll über Preise wachenStromkonzerne auf der Anklagebank

Das Kartellamt soll die Preispolitik der Energieversorger überwachen. Verbraucherschützer und Ökonomen warnen - das ändere nichts an den Ursachen der Energiepreise

Umspannwerk Bockenheim: Noch verfügen die Stromkonzerne über die Netze. Bild: ap

Es wurde ungemütlich für den Klaus-Dieter Maubach. Am Montag musste der Eon-Energiechef mit seinen schärfsten Gegnern an einem Tisch Platz nehmen. Zur Expertenanhörung im Bundestag waren auch Bundeskartellamt, Verbraucherschützer und Wettbewerbsrechtler eingeladen.

Vordergründig ging es um eine Novelle des Kartellrechts, mit der Preismissbrauch besser geahndet werden soll. Doch die Expertenanhörung stand unter dem Eindruck eines Spiegel-Artikels, der den marktbeherrschenden Energiekonzernen Eon, RWE, Vattenfall und EnBW Preismanipulationen vorwirft und sich dabei auf ein internes 30-seitiges Papier des Bundeskartellamts beruft. Von Beweisen wollte Kartellamtschef Bernhard Heitzer jedoch noch nicht reden: "Aber es sind zum Teil starke Indizien", sagte Heitzer. Immerhin wurde das augenscheinlich brisante Dokument schon vor einem Jahr verfasst - ohne das weitere Ermittlungen folgten? "Keineswegs", sagt Behördensprecherin Silke Kaul der taz. Zwar sei das Schriftstück eigens für Verfahren gegen Eon und RWE verfasst worden. "Angesichts der europaweiten Bedeutung der Vorwürfe haben wir die weiteren Ermittlungen aber im gemeinsamen Einverständnis der EU-Kommission überlassen", sagte Kaul.

Die Kommission ermittelt seit Monaten europaweit gegen RWE und die italienische Eni sowie gegen Eon und Gaz de France wegen Verstößen gegen den fairen Wettbewerb. Zurzeit werte die Behörde weiter Informationen über mögliche Preisabsprachen auf dem deutschen Energiemarkt aus, sagte Kommissionssprecher Jonathan Todd am Montag der taz.

Doch die beschuldigten Energiekonzerne weisen die Vorwürfe zurück. "Es gibt solche Preisabsprachen nicht", sagte Eon-Vertreter Maubach. Auch die Nummer zwei auf dem Markt, RWE, widersprach "mit aller Deutlichkeit" den Vorwürfen.

Mit dem neuen Kartellrecht müssen marktbeherrschende Energieversorger in Zukunft ihre Preise an denen anderer Versorgungsunternehmen orientieren. Bei vermuteten Verstößen soll in Zukunft nicht das Kartellamt überhöhte Preise nachweisen. Die beschuldigten Unternehmen müssen dann selbst darlegen, dass ihre höheren Preise sachlich gerechtfertigt sind.

Hinter der Novelle schwelt aber auch die Frage, zu wie viel Wettbewerb die Politiker die Konzerne zwingen wollen. Noch wehrt sich die Bundesregierung gegen die von der EU in Brüssel vorgeschlagene Aufspaltung der Konzerne in Netz und Produktion - doch nach den jüngsten Erkenntnissen gerät sie mit dieser Haltung unter Druck. Zum Beispiel von der Industrie, die unter den hohen Energiepreisen leidet: "Echter Wettbewerb würde zu Preisreduktionen um bis zu 30 Prozent führen", schätzt Alfred Richmann vom Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft.

Einigkeit herrscht unter den Experten, dass der Wettbewerb auf den Energiemärkten auch acht Jahre nach der angeblichen Liberalisierung zu wünschen übrig lässt. Die verschärfte Preisaufsicht sei aber nur ein erster Schritt, so die Mehrheitsmeinung. "Die GWB-Novelle kann weitergehende strukturelle Maßnahmen nicht ersetzen", sagte Gerd Billen von der Verbraucherzentrale Bundesverband. Erforderlich bleibe eine dauerhafte Beseitigung marktbeherrschender Stellungen und ein funktionierender Wettbewerb. Deutliche Kritik äußerte der Volkswirt Justus Haucap und Mitglieder der Monopolkommission. "Die Preiskontrolle bekämpft nur die Symptome, ohne die Ursachen des fehlenden Wettbewerbs zu adressieren".

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!